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"Goodyear kann in Riesa mehr zahlen"

Das Reifenwerk ist einer der größten Arbeitgeber der Stadt. Die Gewerkschaft sagt: Da ist deutlich mehr Gehalt drin.

Von Christoph Scharf
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Anders als das benachbarte Seifenwerk oder die Teigwaren profitierte das Riesaer Reifenwerk (Foto) nicht von der Pandemie. Trotzdem fordert die Gewerkschaft nun mehr Lohn für die 650 Mitarbeiter.
Anders als das benachbarte Seifenwerk oder die Teigwaren profitierte das Riesaer Reifenwerk (Foto) nicht von der Pandemie. Trotzdem fordert die Gewerkschaft nun mehr Lohn für die 650 Mitarbeiter. © Foto: Lutz Weidler

Riesa. Viereinhalb Prozent mehr Lohn, eine bessere Kurzarbeitergeld-Regelung, ein Zeitwertkonto mit der Wahl zwischen Zeit und Geld: Das fordert die Chemiegewerkschaft IG BCE in der diesjährigen Tarifrunde, die am Mittwoch für die 25.000 Beschäftigten in der Kautschukindustrie beginnt. Rund 650 davon arbeiten im Reifenwerk von Goodyear in Riesa - einem traditionsreichen Standort der Produktion von Pkw-Reifen.

Die Forderungen in der Branche seien angemessen, sagt Marc Welters, Verhandlungsführer bei der IG BCE. „Die Auftragslage in der Kautschukverarbeitung ist gut, die Auslastung liegt im ersten Quartal bei über 80 Prozent.“ Und die Perspektiven für das Jahr 2021 seien positiv. Das liege zum Großteil daran, dass der Pkw-Absatz wieder anlaufe. Denn rund die Hälfte der Kautschuk-Beschäftigten ist in der Zulieferung von Teilen, Komponenten und Systemen für die Automobilindustrie tätig.

„Trotz Corona-Pandemie und Transformation der Autoindustrie haben die Unternehmen bis auf sehr wenige Ausnahmen das vergangene Jahr mit einem guten Ergebnis abgeschlossen“, so Welters. Er betont: „Die Autobauer kommen deutlich besser durch die Krise als erwartet.“

Welters verweist außerdem auf den Fachkräftemangel: „Um die Beschäftigten daran teilhaben zu lassen und um das Fachkräfteproblem der Kautschukbranche zu verringern, müssen wir in diesem Jahr ein deutliches Plus bei der Vergütung durchsetzen.“

Aber wie steht es um die Situation in Riesa? Sächsische.de sprach dazu mit dem Verhandlungsführer der Gewerkschaft.

In Riesa werden Pkw-Reifen hergestellt, die vorrangig in Neuwagen der Premium-Klasse zum Einsatz kommen.
In Riesa werden Pkw-Reifen hergestellt, die vorrangig in Neuwagen der Premium-Klasse zum Einsatz kommen. © Lutz Weidler

Herr Welters, einen ganzen Monat lang stellte das Riesaer Reifenwerk im vergangenen Jahr die Produktion ein, weil der Corona-Lockdown 2020 die Autoindustrie stark getroffen hatte. Ist das jetzt der richtige Zeitpunkt, um eine Lohnerhöhung zu fordern?

Es trifft zu, dass viele Mitarbeiter im vergangenen Jahr in Kurzarbeit waren. Richtig ist aber auch, dass ein Konzern wie Goodyear steuert, welches Werk was und wann produziert. Das erfolgt nicht lokal. Auf die tatsächliche Auslastung gibt es also keinen direkten Einfluss. Und man muss auch bedenken, dass Goodyear im Jahr davor die Produktion richtig hochgefahren hatte, so dass die Lager 2020 voll waren. Dann kamen die Einschränkungen durch Corona, die dazu führten, dass Autohersteller ihre Produktion reduzierten. Aber das haben wir bereits berücksichtigt.

Inwiefern?

Bei der vergangenen Tarifrunde im April 2020 haben wir eine Corona-Prämie von 200 Euro und Urlaubsgeld-Erhöhungen herausgehandelt. Letztere wirken sich aber erst auf nächstes und übernächstes Jahr aus. De facto war das eine Nullrunde in der Kautschukbranche - mit Rücksicht auf die Corona-Folgen. Wir haben die Unternehmen also 2020 bei den Lohnkosten entlastet.

Und damit soll 2021 Schluss sein ...

Genau. Wir hatten damals einen viel deutlicheren Ergebnis-Einbruch bei den Unternehmen in der Kautschukbranche angenommen. Der ist so gar nicht eingetroffen.

Kann man das so auch für Goodyear sagen?

Ja. Da gab es bei den Themen Lkw-Reifen und Runderneuerung sogar eine deutlich positive Entwicklung. Insgesamt sind die vier Werke von Goodyear zu 75 bis 80 Prozent ausgelastet.

Und wie steht es bei Pkw-Reifen für Premium-Neuwagen, wie sie in Riesa produziert werden?

Auch das Geschäft läuft mittlerweile ganz gut an. Bei Mercedes etwa können sich die aktuellen Geschäftszahlen sehen lassen. Und ich bin auch sehr gespannt, wie das mit der Elektro-Mobilität läuft. Andere Automobil-Zulieferer haben schon volle Auftragsbücher mit Aufträgen von Tesla. Und ein Tesla braucht natürlich auch Reifen. Inwiefern Goodyear davon profitiert, müssen wir schauen. Unsere Tarif-Forderungen sind auf jeden Fall angemessen.

Wie steht in der Branche der Osten im Vergleich zum Westen da?

Der Osten kommt seit April 2020 auf 96 Prozent der Tabelle im Tarifbereich Hessen. Je nach Tarifgruppe ist das aber teilweise sogar mehr als das, was Beschäftigte in Hamburg mit gleicher Qualifikation verdienen. Wo es nach wie vor Unterschiede gibt, ist die Arbeitszeit: Während der Osten derzeit 38,5 Stunden hat, sind es im Westen 37,5 Stunden. Das wird aber halbstundenweise bis zum Anfang 2023 auf einheitliche 37,5 Stunden angeglichen.

Verhandelt wird in Hannover ab dem 17. März 2021 der Tarif in der Kautschukbranche für einen Tarifbereich, der Deutschland ohne die Bundesländer Bayern, Baden-Württemberg und NRW umfasst. Dazu zählen auch die Goodyear-Werke im Osten: Riesa und Fürstenwalde (Brandenburg).

  • Neben großen Reifenherstellern zählen zahlreiche kleinere Unternehmen zur Kautschukbranche, die in ihrer Nische sogar oft Weltmarktführer sind.
  • Rund die Hälfte der Beschäftigten arbeitet in der Auto- oder Autozuliefererindustrie. Andere Unternehmen in der Kautschukbranche produzieren beispielsweise Abdichtungen von Fenstern, Förderbänder oder Badekappen.
  • In Sachsen zählt etwa noch der Dichtungs-Spezialist Veritas in Neustadt/Sachsen dazu. Das Unternehmen befindet sich derzeit in einem Insolvenzverfahren, es gibt aber Interessenten.

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