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Hohe Strompreise zwingen Riesas Stahlwerk zu Pausen

Die Kosten für Gas und Strom setzen Feralpi zu. Dabei ist die Auftragslage noch gut. Der Werksdirektor hat klare Forderungen an die Politik.

Von Stefan Lehmann
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Das Stahlwerk in Riesa stand zuletzt drei Tage lang still. Die Preise für Strom und Gas waren einfach zu hoch.
Das Stahlwerk in Riesa stand zuletzt drei Tage lang still. Die Preise für Strom und Gas waren einfach zu hoch. © Sebastian Schultz

Riesa. Pausen gibt es im Riesaer Stahlwerk immer wieder mal. Normalerweise bleibt der Ofen nur aus, wenn im Werk Wartungsarbeiten anliegen, wie beispielsweise im Frühjahr. Bei der jüngsten Pause war das anders.

Drei Tage lang ruhte vergangene Woche die Stahlproduktion - von Montag bis einschließlich Mittwoch. Der Strom war einfach zu teuer. "In der Spitze lag der Strompreis zuletzt jenseits der 900 Euro pro Megawattstunde", erklärt Werksdirektor Uwe Reinecke. In den vergangenen Jahren waren unter 100 Euro normal gewesen.

Das Werk hat seine Konsequenzen daraus gezogen: Drei Tage Stillstand, denn am Wochenende sind die Preise nach wie vor auf hohem Niveau, aber zumindest etwas niedriger.

Angesichts der rapiden Kostensprünge für Strom und auch Gas schaut man bei Feralpi in den letzten Monaten an dieser Stelle genauer hin. "Wir bekommen von den Stromversorgern Prognosen, die reichen etwa drei bis fünf Tage in die Zukunft", so der Werksdirektor. "Am Vortag wird diese Prognose dann noch mal für den Folgetag konkretisiert." So könne man die Strompreise für die nächsten Tage jeweils genau abschätzen.

Das Walzwerk läuft noch weiter

Völliger Stillstand herrscht auf dem Werksgelände aber auch dann nicht, wenn der Ofen aus bleibt. Kleine Pausen kann sich Feralpi aktuell deshalb leisten, weil das Knüppellager derzeit gut gefüllt ist. Mehr als 30.000 Tonnen Stahlknüppel lagen zuletzt für die Weiterverarbeitung im Walzwerk auf Lager.

Zuletzt war die Nachfrage nach Baustahl noch in Ordnung gewesen. Mittlerweile ist aber eine hohe Verunsicherung im deutschen Baumarkt zu spüren, sagt Uwe Reinecke. "Rückläufige Baugenehmigungen, erschwerte Finanzierungsmöglichkeiten, gestiegene Kreditzinsen, hohe Inflation, gepaart mit weiter steigenden Energiekosten und last, but not least Versorgungslücken fördern diese Verunsicherung." Bauvorhaben würden deshalb zurückgestellt - oder komplett aufgegeben. Vor allem beim Einfamilienhausbau rechne man mit einem extrem rückläufigen Jahr 2023.

Der Elektroofen im Riesaer Stahlwerk steht vor allem dann still, wenn die Anlagen gewartet werden - wie hier im Januar 2021. Jetzt war das aber auch der Fall, weil sich die Produktion wegen der hohen Strompreise nicht lohnte.
Der Elektroofen im Riesaer Stahlwerk steht vor allem dann still, wenn die Anlagen gewartet werden - wie hier im Januar 2021. Jetzt war das aber auch der Fall, weil sich die Produktion wegen der hohen Strompreise nicht lohnte. © Klaus-Dieter Brühl

Die Zwangspausen haben ihren Preis. Das tageweise An- und Abschalten des Stahlwerks ist zwar möglich. Es bedeutet aber einen gewissen Effizienzverlust, erklärt der Werksdirektor: "Die ersten Chargen nach dem Anschalten laufen mit geringerer Energieeffizienz. Zudem kann die Feuerfestumkleidung durch das wiederholte Ab- und Anschalten des Ofens Schaden nehmen."

Für die Stahlwerker kam die Pause relativ kurzfristig. Im Normalfall werde die Belegschaft deutlich früher informiert, wenn die Produktion im Stahlwerk ruht, etwa für Wartungsmaßnahmen. Weil erst am Wochenende die Entscheidung zur Pause fiel, war das diesmal nicht möglich. Aber: "Die Mitarbeiter tragen diese Vorgehensweise mit, zumal wir auch noch in der Sommerzeit sind", so Uwe Reinecke.

Sorge vor der Kurzarbeit

Was der Herbst und Winter bringen werden, ist allerdings offen. Industriebetriebe wie Feralpi sorgen sich neben dem Strompreis auch vor einer Rationierung des Gasverbrauchs. "15 bis 20 Prozent am Gasverbrauch können wir noch reduzieren, dann fahren wir die Produktion aber nicht mehr so wirtschaftlich", erklärt Uwe Reinecke. "Auf der anderen Seite können wir bei der Infrastruktur noch sparen, etwa bei der Beheizung der Hallen. Da sind wir aber limitiert." Aber was, wenn das nicht reicht? "Dann müssten wir die Leute nicht in Kurzarbeit schicken, was ja das schlimmste Szenario wäre."

Gäbe es dann noch eine Unterteilung in systemrelevante und nicht relevante Betriebe, könnte das schlimmstenfalls zur Abwanderung von Fachkräften führen, so die Sorge bei Feralpi. Für Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hat Reinecke Lob übrig. Er setze sich für die wirtschaftlichen Interessen Sachsens ein, nehme die Bedenken der Branche ernst. "In Berlin scheint da leider sehr wenig anzukommen."

Uwe Reinecke leitet das Riesaer Stahlwerk seit Anfang 2021.
Uwe Reinecke leitet das Riesaer Stahlwerk seit Anfang 2021. © Feralpi Stahl

Das Unternehmen hat in den vergangenen Jahren viel investiert, um bei der Stahlproduktion Energie und Emissionen zu sparen. Nun formuliert Uwe Reinecke auch deutliche Forderungen an Bundes- und Landespolitik. "Wenn es wirklich zu großen Mengenreduktionen beim Gas kommt, erwarte ich schon eine durch die Regierung gestützte Aufstockung des Kurzarbeitergeldes." Das sei auch zu Coronazeiten der Fall gewesen. "Wenn du die Leute mit circa 60 Prozent nach Hause schickst, schafft das Unfrieden."

Gerade für energieintensive Unternehmen erwarte er für den Extremfall klare Signale von Kanzler und Wirtschaftsministerium. "Wir haben jetzt die Sommerpause beendet und eine nationale Krise vor Augen." Jetzt brauche es einen Plan, wie das Land und die Wirtschaft zumindest durch den nächsten Winter kommen.

Hohe Energiekosten werden zum Standortnachteil

Das aktuelle Energiekostendämpfungsprogramm sieht er eher skeptisch. Wenn sich die Lage für Feralpi verschärfen sollte, werde man aber nicht umhinkommen, sich auch damit zu befassen. "In Italien geht der Staat anders vor." Da gebe es jetzt schon konkrete Akut-Programme und darüber hinaus Zuschüsse für Industriebetriebe, die in erneuerbare Energien investieren wollen. Wenn Feralpi dagegen in der Region eigenen Strom aus Windkraft erzeugen wolle, fehle es an solchen Programmen.

Auch das Land könne mehr tun, indem Potenzialflächen für erneuerbare Energien schnell ausgemacht, definiert und Genehmigungsverfahren beschleunigt werden.

Derweil werden auch die Schrottberge auf dem Feralpi-Gelände kleiner. Der Rohstoff, den das Unternehmen in Riesa weiterverarbeitet, ist begehrt. Werke außerhalb der EU könnten Stahl zu Dumpingpreisen nach Deutschland exportieren - und kauften gleichzeitig den Schrott vom europäischen Markt - einfach, weil die Energiekosten im Ausland deutlich geringer seien. Neben dem Problem der Gasversorgung sieht Uwe Reinecke in der EU auch Handlungsbedarf in puncto Exportquoten für Schrott.