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Riesas Brachen

Die Stadt möchte freie Flächen in Wohnorte verwandeln. Allein kommt sie dabei aber nicht weiter.

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© Sebastian Schultz

Von Britta Veltzke

Riesa. So ein Miteinander von Industrie- und Wohnhäusern wie in Riesa gibt es in kaum einer anderen Stadt: Die Bahnhofstraßen-Bewohner haben einen Ausblick auf die gigantischen Muskator-Silos, die Anwohner der Poppitzer Straße blicken auf die alte Brauerei. „Bedingt durch den engen Zusammenhang zwischen der wirtschaftlichen Entwicklung und der Stadterweiterung weist Riesa ein sehr enges Nebeneinander von Wohn- und Gewerbeflächen auf“, heißt es in einem Papier der Stadtverwaltung, das der SZ vorliegt.

Fotos weiterer Riesaer Brachen

Die alte Brauerei an der Poppitzer Straße ist aus Investorensicht ein schwieriges Pflaster.
Die alte Brauerei an der Poppitzer Straße ist aus Investorensicht ein schwieriges Pflaster.
Getränke-Boden an der Pausitzer Straße gegenüber von Neways (vormals BuS Elektronik).
Getränke-Boden an der Pausitzer Straße gegenüber von Neways (vormals BuS Elektronik).
Am Bürgergarten: Hinter den Büschen führt die B 169 entlang.
Am Bürgergarten: Hinter den Büschen führt die B 169 entlang.
Ehemalige Goltz-Kaserne, zwischen Kasernenstraße und Hans-Waloschek-Weg.
Ehemalige Goltz-Kaserne, zwischen Kasernenstraße und Hans-Waloschek-Weg.
Am ehemaligen Autohaus Widmann gibt es mehr als einen Hektar Freifläche.
Am ehemaligen Autohaus Widmann gibt es mehr als einen Hektar Freifläche.

In vielen Fällen sind die ehemaligen Arbeitsstätten heute nicht mehr in Betrieb – und verfallen. Genau dort sieht die Stadt „hohes Entwicklungspotenzial“. Ein Konzept führt alle Brachen auf, um die sich das Rathaus nun besonders bemühen möchte. Die SZ stellt sechs Flächen vor. Alle vereint ein Ziel: Die Stadt möchte sie bewohnbar machen. Bei der Umsetzung der Vorhaben ist das Rathaus allerdings auf die Mitwirkung der Grundstückseigentümer angewiesen. Mit ihnen ist die Stadt laut Sprecher Uwe Päsler im Gespräch. Wird ein Plan konkreter, kann die Verwaltung private Planungen begleiten „und Rahmenbedingungen zur Förderung schaffen“, sagt Päsler.

Die alte Sportfläche am Bürgergarten

Etwas erhöht oberhalb der Gaststätte Bürgergarten liegt das Grundstück von Madeleine Felsl. Schon ihre Großeltern besaßen das Gasthaus am Grubestadion samt dem Land drumherum. Felsl gehört zur Erbengemeinschaft. Obwohl sie weit weg in Bad Wiessee (Oberbayern) lebt, ist sie mit dem Zustand der Brache alles andere als zufrieden: „Das ist keine Zierde. So kann es nicht bleiben.“ Sie stehe in Kontakt mit dem Bauamt. Die Stadt wünscht sich auf dem ehemaligen Sportplatz einen „individuellen Wohnbaustandort“. Eine Idee, die auch der Eigentümerin gefällt. Sie möchte sich für Baugrundstücke auf dem etwa anderthalb Fußballfelder großen Grundstück einsetzen, „vielleicht mit Hilfe eines Bauträgers“, so Madeleine Felsl.

Ehemalige Goltz-Kaserne

Der Eigentümer der Fläche, die zwischen Kasernenstraße und Hans-Waloschek-Weg/Jahnstraße liegt, hat bereits Pläne für eine Wohnanlage mit Mietwohnungen. Seinen Namen möchte er nicht in der Zeitung lesen. Der Grundstücksbesitzer ist gerade noch mit einem anderen Projekt in der Stadt befasst, das er erst zu Ende bringen möchte. „Das wird aber nicht vor 2020“, verrät er. Zwischenzeitlich habe er auch über den Verkauf der rund zwei Fußballfelder großen Fläche nachgedacht. Doch ebenso wie mit Eigentumswohnungen könne man in Riesa mit Grundstücken eben nichts verdienen.

Ehemaliger Getränkehandel Boden

Früher konnte man bei „Getränke Boden“ an der Pausitzer Straße Obst abgeben. „Das Unternehmen stellte zum Beispiel Saft und Essig her“, erinnert sich die Riesaer Schriftstellerin Renate Preuß. Sie lebt gleich neben der Gewerbebrache. Noch heute erinnert ein Schild an den Familienbetrieb. „Getränkemarkt – Obstlohntausch“ ist darauf zu lesen. Die Erbengemeinschaft versucht, das Grundstück seit Jahren zu verkaufen. Die alten Anlagen auf dem Gelände machen das allerdings nicht einfacher. Sie seien schon mehrfach kurz vor dem Verkauf gewesen, teilt Mit-Erbin Ute Simon auf SZ-Anfrage mit. Daher möchte sie zum aktuellen Stand der Dinge nichts sagen. Die Stadt könnte sich hier ebenfalls einen „individuellen Wohnbaustandort“ vorstellen.

Das ehemalige Autohaus Widmann

Das Autohaus Bruno Widmann hat Platz für Neues geschaffen. Anderthalb Fußballfelder misst der Platz zwischen der städtischen Turnhalle an der Pausitzer Straße und der Schillerschule. Nach dem Umzug nach Zeithain hatte das Unternehmen keine Verwendung mehr für die übrigen Gebäude. Konkrete Pläne haben die Widmanns für die Fläche nicht, so Bernd Widmann. Die Stadt wünscht sich einen Eigenheimstandort für die Brache – Platz genug wäre ja, noch dazu in zentraler Lage.

Die alte Brauerei

Genauso groß (anderthalb Fußballfelder), aber ungleich chaotischer als die Fläche der Widmanns wartet die Industriebrache der ehemaligen Brauerei auf eine neue Bestimmung. Das Problem an dem Grundstück (Poppitzer Straße) sind die tief im Boden verankerten Produktionsstätten. „Der Abriss ist so teuer, dass wir die Kosten von keinem Eigentümer wieder rein bekommen würden“, erklärt Grundstücksbesitzer Gunnar Thies aus Hamburg. Zuletzt hatte er versucht, Fördergelder zu bekommen. Aber: keine Chance. „Wir können den Schutt nur schrittweise beseitigen.“ Dennoch will er an seinen Plänen festhalten, auf dem Gelände Stadthäuser zu errichten. Die Pläne dafür gibt es seit Jahren. Diese möchte er nun noch einmal von Architekten überarbeiten lassen, teilte er mit.

Das ehemalige Muskator-Werk

Die Stadtverwaltung hätte gern, dass aus dem ehemaligen Mischfutterwerk ein „individueller Wohnbaustandort“ wird. Weiterhin könnte sich das Rathaus zwischen Elbe und den Gebäuden die Neuerschließung von „öffentlicher Infrastruktur“ vorstellen. Sprich: ein durchgängiger Radweg an der Elbe. Das Gelände gehört der Hauptgenossenschaft Nord AG, kurz Hage. Das Unternehmen aus Kiel hatte der SZ vor Kurzem mitgeteilt, ein Planungsbüro damit zu beauftragen, Ideen für das Gelände zu entwickeln. Hintergrund ist, dass alle Versuche die ungewöhnliche Immobilie loszuwerden, bislang gescheitert sind. Doch Ideen gibt es offenbar auch ohne ein Planungsbüro. Der Karlsruher Investor Michael Andris hat Interesse an dem Gelände bekundet. „Ich kann mir gut vorstellen, das Mischfutterwerk zu einem Wohnstandort umzugestalten“, sagte er der SZ. Er hat bereits Pläne im Kopf. Die will er jedoch erst einmal für sich behalten, bevor seine Ideen von jemandem übernommen werden. Er warte derzeit noch auf Unterlagen der Stadt, damit er sich konkretere Gedanken machen kann. Von dem Standort ist er absolut überzeugt: „Mitten in der Innenstadt und direkt am Fluss – so etwas finden Sie woanders gar nicht mehr.“