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Riesas Mumien unterm Röntgengerät

Die Klostergruft wird wissenschaftlich untersucht. Ein Glücksfall für Forscher und Kirchgemeinde.

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© Sebastian Schultz

Von Stefan Lehmann

Riesa. Für Gesprächsstoff hat die Gruft in der Riesaer Klosterkirche schon vor fast 200 Jahren gesorgt. Damals ließ Curt Robert Freiherr von Welck im Gewölbe unter der Kirche nach dem Rechten sehen, die Familie suchte eine Begräbnisstätte.

Die studierte Anthropologin und Archäologin Amelie Alterauge will sie genauer untersuchen.
Die studierte Anthropologin und Archäologin Amelie Alterauge will sie genauer untersuchen. © Steffen Giersch

Was er und andere Augenzeugen im Jahr 1828 in der Gruft sahen, schrieben sie für die Nachwelt auf. Es ist das älteste bekannte Schriftstück, das von den Riesaer Mumien berichtet und ihren Zustand beschreibt – wenn auch in knappen Worten. Knapp 190 Jahre später wird der Bestand der Klostergruft nun zum zweiten Mal dokumentiert. Seit diesem Jahr gastiert dazu eine junge Anthropologin regelmäßig in Riesa.

Amelie Alterauge arbeitet am Institut für Rechtsmedizin der Universität Bern. Gleichzeitig promoviert sie in Heidelberg. Ihre Doktorarbeit schreibt sie über neuzeitliche Bestattungsrituale. Dazu hat sie schon Grüfte in Sachsen-Anhalt und Bayern untersucht. Die seit Ende des 17. Jahrhunderts genutzte Gruft in Riesa ist ein Sonderfall. Die Bestatteten seien durch den stetigen Luftzug ausgezeichnet konserviert, der Zustand recht gut dokumentiert und zum Teil noch die originalen Sargpolsterungen und die Kleidung erhalten.

„Insgesamt sind die Grüfte in der Klosterkirche weit weniger gestört als andere Gruftanlagen, die in der Vergangenheit häufig geplündert worden sind“, erklärt Amelie Alterauge. „Dadurch werden sich spannende Aussagen zur Bestattungskultur des 17. bis 19. Jahrhunderts treffen lassen.“

Auch aus Sicht der Kirchgemeinde ist das Forschungsprojekt ein Glücksfall. Denn eine umfangreiche wissenschaftliche Dokumentation der Gruft hätte sie sich unter anderen Umständen kaum leisten können, erklärt Kirchvorsteher Michael Herold. Nun aber sind auch die Landeskirche und die Sparkassenstiftung mit an Bord. Es sei nicht das erste Mal, dass Wissenschaftler Interesse an der Gruft zeigen. „Vor Jahren hatten wir schon einmal Kontakt mit dem Museum Kassel.“

Eine so umfangreiche Aufarbeitung wie jetzt fand in der Gruft aber noch nie statt. Nach einer gewissen Anlaufzeit ging es Anfang des Jahres los. Zuvor wurde mithilfe des Landkreises die Luft in der Begräbnisstätte mikrobiologisch untersucht. Eine Frage des Arbeitsschutzes, erklärt Michael Herold und schmunzelt. „An solche Sachen denkt man ja als Laie zunächst gar nicht.“ Seitdem ist das Forschungsteam um Amelie Alterauge regelmäßig in Riesa, um die Mumien zu untersuchen.

Unterstützt wird die junge Frau unter anderem vom Stadtmuseum, von einem Fotografen sowie einer Textilspezialistin aus Dresden. „Derzeit befinden wir uns noch im Stadium der Dokumentation“, erklärt Alterauge. Schließlich sei seit der ersten Öffnung der Gruft im Jahr 1811 viel mit den Mumien und Särgen passiert. Was genau, das versuche man zu rekonstruieren.

Dabei kommt unter anderem ein Röntgengerät zum Einsatz, mit dem die Särge im wahrsten Sinn des Wortes durchleuchtet werden. So konnten beispielsweise Bibelzitate auf den Särgen wieder sichtbar gemacht werden. In einem Fall musste auch das Elblandklinikum in Riesa einspringen. „Auf dem Röntgenbild war eine Schere zu sehen, die scheinbar in der Mumie steckte“, erklärt Michael Herold. Erst die Tomographie im Krankenhaus brachte Klarheit: Es handelte sich um eine Grabbeigabe, die unter der Mumie lag. „Das sieht man beim Röntgen natürlich nicht“, sagt Herold.

Am Ende der Doktorarbeit könnte laut Amelie Alterauge unter anderem die Empfehlung stehen, wie sich die Riesaer Mumien langfristig erhalten und besser präsentieren lassen. Außerdem erhofft sie sich neue Erkenntnisse zur Bestattungskultur des niederen Adels in der frühen Neuzeit. „Forschungen zu bestimmten Persönlichkeiten aus der Gruft werden sich anschließen.“ Mit den konkreten Ergebnissen hält sich die Anthropologin aber noch bedeckt. Ein erstes Fazit werde wohl frühestens Ende 2018 zu erwarten sein. Später könnten die Ergebnisse dann auch in Vorträgen und Ausstellungen vorgestellt werden.