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Riesenzoff um Vattenfall

Die Schweden sondern eine mongolische Milliardenofferte für ostdeutsche Tagebaue, Kohle- und Wasserkraftwerke aus – ohne Begründung. Die Ausgebooteten rufen Brüssel an.

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© dpa

Von Michael Rothe

Was passiert, wenn Deutschland und die Mongolei einen strategischen Deal über die gegenseitige Belieferung mit wertvollen Rohstoffen und Know-how zur Stromgewinnung vereinbaren, der Verkäufer eines Milliardenprojekts aber in Schweden sitzt und jener die britische Filiale einer US-Großbank mit der Abwicklung beauftragt? Antwort: Es gibt gewaltigen Zoff – und diplomatische Verwicklungen.

Seit 2014 trägt sich Vattenfall damit, seine fünf Braunkohletagebaue in der Lausitz (einer wurde gerade stillgelegt), drei zugehörige Kraftwerke und einen Block in Lippendorf bei Leipzig zu verkaufen – dazu zehn ostdeutsche Wasserkraftwerke. Bislang waren der Essener Kraftwerksbetreiber Steag und drei tschechische Firmen – CEZ, EPH, Vrsanska uhelna – als ernsthafte Bewerber bekannt. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace hatte im Herbst eine Absage erhalten und nun ein weiterer Interessent: die in Dresden ansässige Lausitz Mongolia Mining Generation AG (LMMG).

Das 2015 gegründete Unternehmen wird laut Internetauftritt „von einflussreichen mongolischen Investorengruppen und renommierten deutschen Industrieunternehmen“ getragen. Chef Horst Schmidt verrät keine Namen. Das Unternehmen entwickelt und baut Energieanlagen, ist eine Tochter der SaxEnergy Mongolia – und seine Website seit gestern nicht erreichbar.

Die Mongolei zählt zu den rohstoffreichsten Ländern der Welt. Egal wohin man dort tritt, man steht auf einem Bodenschatz: Uran, Gold, Silber, Kupfer, Diamanten, Kohle, seltene Erden. Deutschland ist der wichtigste europäische Partner der Asiaten. Umgekehrt spiele das von Russland und China umschlossene Land für Deutschlands strategische Rohstoffsicherheit eine herausragende Rolle, schreibt das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.

Die LMMG und ihre Mutter sind wichtige Player in dem Spiel. Ende November hatte SaxEnergy mit der Mongolei einen Vertrag unterzeichnet. Inhalt: der Bau eines 60-Megawatt-Hybrid-Kraftwerks nordwestlich der Hauptstadt Ulan Bator mit modernster Technologie für Kohle-, Solar- und Windenergie sowie die Ausbildung von bis zu 5 000 mongolischen Facharbeitern in Kraftwerks- und Energietechnologie im Lausitzer Kohlerevier. Das 300-Millionen- Euro-Vorhaben ist das umfangreichste Projekt im Rahmen eines deutsch-mongolischen Regierungsabkommens von 2011.

Mit derlei Referenzen hatte sich LMMG-Chef Schmidt gute Chancen im Rennen um die Vattenfall-Sparte ausgerechnet, die Rechnung aber ohne den Wirt gemacht. Nach Bewertung des Angebots sei die Citigroup als Verkaufsbeauftragter „zu dem Schluss gekommen, dass ihre Interessensbekundung sie nicht dafür qualifiziert, am weiteren Auswahlprozess teilzunehmen“, heißt es in einer E-Mail vom 2. Dezember, die der SZ vorliegt. „Da dies ein transparenter und diskriminierungsfreier Prozess ist, sehen wir uns nicht in der Lage, unsere Entscheidung abzuändern oder neue Informationen ... zu berücksichtigen“, schreibt der für Energieinvestments zuständige Citigroup-Direktor Nicholas Blach-Petersen. Im E-Mail-Verteiler sind auch Stanislaw Tillich (CDU) und Bodo Ramelow (Linke), die Premiers von Sachsen und Thüringen.

Die Enttäuschung ist groß bei LMMG- Vorstand Schmidt, bis 2012 Technik-Chef der Mitteldeutschen Braunkohlengesellschaft Mibrag. Immerhin habe die LMMG die Übernahme aller 7 000 Beschäftigten in Aussicht gestellt, mit gut 1,8 Milliarden Euro den höchsten Kaufpreis und mit exzellentem Know-how der Lausitzer Kohle eine Zukunft. Von der Politik in Sachsen, Brandenburg und Thüringen habe es positive Signale gegeben. Auch hätten sich die Botschafter der Mongolei und Deutschlands verständigt. Alles schien klar.

Und nun? „Eine Begründung der Absage wäre das mindeste gewesen“, moniert Schmidt. Überhaupt sei beim Bieterprozess einiges „unüblich“. „Deshalb haben wir bei der EU-Kommission Beschwerde eingelegt.“ Die Wettbewerbshüter müssten nun prüfen, ob es Fehler gibt. Auch wolle die mongolische Botschaft in Schweden im dortigen Außenministerium vorsprechen.

Vattenfall selbst hält sich bedeckt. Stefan Müller, Sprecher des deutschen Ablegers in Berlin, will sich weder zur Absage äußern, noch zu deren Gründen. Auch nicht, ob nun das Bieterverfahren infrage steht. Der Verkaufsprozess sei vertraulich, und „jeder wird gleichbehandelt“, sagt er.

Der Freistaat spiele „keine aktive Rolle“, heißt es auf SZ-Anfrage aus Sachsens Wirtschaftsministerium. Zu Akteuren äußere man sich „prinzipiell nicht“. Dennoch werde der Freistaat seine Interessen wahren – etwa bei der Stromversorgung und der Renaturierung der Kohlegruben. „Wir haben das Recht, zu prüfen und darauf zu bestehen, dass die Verpflichtungen von Vattenfall an den neuen Betreiber übergehen“, heißt es. Man wünsche sich „einen verantwortungsvollen Investor, der möglichst aus der Energiewirtschaft kommt und nicht irgendeine Heuschrecke“.

Für die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) ist die Absage nicht nachvollziehbar. Ute Liebsch, Bezirksleiterin für die Lausitz, ist bei der Bewertung aber vorsichtig. Bislang liegen nur unverbindliche Gebote vor. In der nächsten Runde, so es sie je nach Echo aus Brüssel gibt, – sind bis Anfang März verbindliche Angaben gefragt. Egal, wer den Zuschlag erhält: Die IG BCE will dem Investor ihre Forderungen präsentieren – darunter Tarifbindung und Sicherung der Altersbezüge der Beschäftigten. Liebschs Sorge: „Die Beschwerde der LMMG bei der EU wirft den Verkaufsprozess um Längen zurück.“