Sport
Merken

Das macht diese Rodlerin so erfolgreich

Jessica Degenhardt krönt ihre beste Saison mit zwei Titeln bei der Junioren-WM. Das sind die geheimen Stärken der Dresdnerin, die für Altenberg startet.

Von Alexander Hiller
 4 Min.
Teilen
Folgen
Die Dresdnerin Jessica Degenhardt rodelt für den RRC Altenberg.
Die Dresdnerin Jessica Degenhardt rodelt für den RRC Altenberg. © dpa/Sebastian Kahnert

Diese Dimensionen sind fast beängstigend. Die Dresdner Rodlerin Jessica Degenhardt vom RRC Altenberg ist in dieser Saison bei jedem größeren Wettkampf auf dem Podest gelandet – meistens oben. Und die Höhepunkte waren für die Juniorin weiß Gott nicht rar gesät: Olympische Jugend-Winterspiele, Europa- und Weltmeisterschaft. Nach Gold und Silber bei den beiden erstgenannten Ereignissen legte sie auf ihrer Lieblingsbahn nach. Bei der Junioren-WM in Oberhof gewann die 17-Jährige das Einzel und mit dem deutschen Team. Am Wochenende darf sie nun beim Weltcup in Königssee bei den Erwachsenen mitfahren. Die Teenagerin muss über Stärken verfügen, die ihre Gegnerinnen nicht ausschöpfen – eine Annäherung an ein außergewöhnliches Rodeltalent.

Die physischen Voraussetzungen

Die Schülerin ist 1,78 Meter groß, im Idealfall 68 Kilogramm schwer – und damit eigentlich zu leicht. „Etwas mehr Gewicht wäre für eine Rodlerin besser“, sagt Junioren-Bundestrainer Steffen Sartor. Darüber kann Degenhardt nur schmunzeln. „Nicht nur der Trainer will, dass ich etwas zulege“, sagt sie. Die gebürtige Dresdnerin, die beim PSV Elbe Dresden ihre Schlittenkarriere begann, kann ihr Gefährt mit Zusatzgewichten bis zu sieben, acht Kilogramm beschweren, muss sie aber nicht. „Das Zusatzgewicht muss man aber am Start auch zusätzlich beschleunigen. Der Effekt muss sich nicht immer rechnen. Da muss man spontan entscheiden, was richtig ist“, betont die Athletin. Degenhardts deutsche Konkurrentin Merle Fräbel ist beispielsweise 1,85 Meter lang und damit deutlich größer. Allerdings hat Degenhardt doch noch einen entscheidenden Vorteil: ihre Hebelverhältnisse, die vor allem beim Start von Bedeutung sind. „Du brauchst fürs Rodeln relativ lange Arme, und die habe ich“, stellt sie fest. Heimcoach Sartor meint flapsig: „Sie hat den Pfeffer im Arsch zum Rodeln.“

Die mentale Stärke

Die brauchte sie in dieser Saison mehr denn je. Denn nach einem Trainingssturz im Oktober in Altenberg landete sie mit einem Schädelhirntrauma zweiten Grades im Krankenhaus. Degenhardt musste mehrere Wochen pausieren. „Das war schon eine schwierige Nummer. Da war viel Fingerspitzengefühl von allen Betreuern gefragt“, betont Sartor. Das Team um die 17-Jährige und sie selbst haben offenbar genau den richtigen Zeitpunkt für den Wiedereinstieg gewählt. „Man darf in so einer Phase auch die Kommentare des Sportlers nicht überhören. Jessica hat da gemerkt, dass sie auch kämpfen muss. Sich selbst aus diesem Loch herauszuziehen, hat sie noch einmal massiv nach vorn gebracht“, glaubt Sartor. Auch Degenhardt bestätigt das: „Ich denke schon, dass es eine Stärke von mir ist, dass ich viel abschalten, mich auf wichtige Dinge konzentrieren kann. Klar, der Sturz sitzt noch ein bisschen in mir. Aber ich habe ein gutes Team um mich.“ Diese mentale Stärke stellte sie bereits bei den Olympischen Winter-Jugendspielen und zuletzt in Oberhof unter Beweis, als sie nach dem ersten Lauf als Dritte noch mit einem sensationellen zweiten Lauf auf das Siegertreppchen raste. Dazu bedarf es auch analytischer Fähigkeiten. „Sie kann gegenüber Mechanikern und Trainern genau formulieren, was am Schlitten geändert werden muss“, schildert Sartor.

Sie greift nach den nächsten Titeln und Medaillen.
Sie greift nach den nächsten Titeln und Medaillen. © dpa/Sebastian Kahnert

Das familiäre Umfeld

Vor sechs Jahren wechselte Degenhardt von der Landeshauptstadt Dresden ins beschauliche Altenberg, an den Rodel-Stützpunkt. Ihr kleiner Bruder Yannes folgte ihr im vergangenen Sommer und machte das Umfeld im wahrsten Sinn des Wortes noch ein bisschen familiärer. Dort findet sie für sich und ihren Sport offenbar das perfekte Umfeld. „Ich habe ein super Team, ein super Umfeld, mit dem ich gut arbeiten kann, mit dem ich mich wohlfühle“, unterstreicht sie und ergänzt: „Ich denke, das macht sehr viel aus, dass dann am Ende alles stimmt.“ Die Trainingsgruppe in Altenberg ist mit drei Leuten klein und übersichtlich. Da lassen sich Abläufe optimieren: Mathes Ertel und Jessica Tiebel gehören noch zu Degenhardts Trainingsgruppe. Die neue Junioren-Weltmeisterin weiß mit der Erfurterin Fräbel eine starke deutsche Kontrahentin an ihrer Seite. „Daran wachsen wir beide. Wir pushen uns gegenseitig“, schätzt Degenhardt ein.

Die totale Leidenschaft

Die Dresdnerin weiß offenbar genau, wohin sie will. Vielleicht hat daran auch der folgenreiche Sturz im Oktober seinen Anteil, wenn man daraus etwas Positives ziehen will. „Rodeln ist meine Leidenschaft. Ich könnte mir gar nichts anderes vorstellen“. Die Zwangspause im Herbst habe ihr noch mal vor Augen geführt, „warum man das alles macht“, sagt sie. „Und dann macht das noch mehr Spaß.“ Sartor beschreibt das Ausnahmetalent zudem als „trainingsfleißig“. Das bange Gefühl, an solch eine außergewöhnlich erfolgreiche Saison im darauffolgenden Winter nicht anknüpfen zu können, habe er bei ihr nicht. „Ich habe zu ihr gesagt: Genieße jetzt den Erfolg. Ich gebe mir Mühe, sie zu erden. Und ich schätze sie intelligent genug ein, dass sie da mitgehen kann“, betont der ehemalige Weltklasse-Rodler. Der 48-Jährige sieht glänzende Perspektiven. „Sie entwickelt sich noch weiter und hat noch zwei weitere Juniorinnenjahre vor sich“, sagt er.