Von Thomas Möckel
Zum Richtfest am neuen Großfinanzamt war eigentlich schon alles gesagt, da holte Sachsens Finanzminister Georg Unland (CDU) noch einmal zu einem verbalen Seitenhieb aus. Ihn störe, so machte der oberste Finanzbeamte deutlich, dass die Straße am künftigen Behördensitz in Pirna Clara-Zetkin-Straße heißt. Das klinge nicht motivierend, um Steuern zu zahlen.
Er schlug vor, die Trasse in Waisenhausstraße umzubenennen. Eines der künftigen Finanzamt-Häuser beherbergte früher einmal einen Hort für elternlose Kinder. Von der Stadt Pirna wünschte sich Unland, dass sie bis zum Bauende am Finanzamt die neue Adresse einrichte.
Seit der fixen Idee von Sachsens oberstem Steuereintreiber, den Namen Clara Zetkin aus Pirnas Stadtbild zu tilgen, kocht Pirnas Volksseele. Vor allem im Internet reagieren die Pirnaer vergrätzt auf den ministerialen Vorschlag und kommentieren unverhohlen, wie sie die Forderung aus Dresden finden: überflüssig wie eine Ladung Falschgeld.
Spott und Häme ergießen sich seither über Unland. Ein Nutzer verkehrt das Minister-Argument ins Gegenteil auf Facebook: „Der Finanzminister passt nicht zu unserer Straße.“ Ein anderer plädiert für Abriss und anschließenden Neubau des Finanzamtes an einem Ort, wo dem Finanzminister der Straßenname gefällt.
Eine große Schar der Debattierenden zeigt sich überaus einfallsreich, um neue Straßennamen zu kreieren. Da wird ironisch für eine Peter-Zwegat-Straße plädiert, benannt nach dem Schuldenberater einer gleichnamigen RTL-Sendung. Andere votieren wahlweise für Uli-Hoeneß-Straße oder Alice-Schwarzer-Straße, auch eine Wolfgang-Schäuble-Straße sei vorstellbar, die Liste des Ideenreichtums beschließt der doppeldeutige Name „Geldallee“. Der von Unland ins Spiel gebrachte Name „Waisenhausstraße“, so bemerken einige Kommentatoren sarkastisch, sei hingegen nicht gerade animierend, Steuern zu zahlen.
Andere wiederum wittern politisches Kalkül hinter der Idee, Clara Zetkin verschwinden zu lassen. Der schwarze Georg und die rote Clara – beide sind offensichtlich nicht so richtig kompatibel.
Unterdessen spart auch die Politik nicht mit Häme gegen Unland. Nach den Sozialdemokraten („arrogant“, „anmaßend“) üben jetzt auch die Linken Kritik. „Unlands Begründung, Zetkins Name motiviere nicht zum Steuernzahlen, ist lächerlich. In diesem Sinne wäre es ihm wohl lieber, wenn man die Straße ‚An den Cayman-Inseln‘ nennen würde“, ätzt Sarah Buddeberg, Sprecherin für Gleichstellungspolitik in der Landtagsfraktion der Linken. Offenbar wolle der Finanzminister nur verhindern, dass in der Finanzamt-Anschrift der Name einer Vertreterin auftaucht, die eine ihm unangenehme politische Richtung verkörpere.
Ihr Fraktionskollege Lutz Richter aus Pirna zweifelt hingegen generell an Unland. Wer glaube, in demokratisch gewählten Vertretungen Beschlüsse bestellen zu können, offenbare ein merkwürdiges Demokratieverständnis, sagt Richter. Stattdessen fordert er den Minister auf, sich lieber darum zu sorgen, dass die sächsischen Landkreise und Gemeinden wieder finanziell handlungsfähig werden. Richter plädierte dafür, jetzt erst recht den Namen Clara Zetkin als Straßenbezeichnung in Pirna zu erhalten.
Im Pirnaer Rathaus ist man über Unlands Ansinnen vor allem eines: verwundert. Eine Zusage, den Straßennamen zu ändern, ist dort nicht bekannt. Im Übrigen sei der Stadtrat dafür verantwortlich, ob Straßen möglicherweise umbenannt werden. Eine Diskussion über die Clara-Zetkin-Straße habe bisher nicht stattgefunden. Oberbürgermeister Klaus Peter Hanke (parteilos) will das Thema zunächst mit den Stadtrat-Fraktionschefs besprechen.
Dabei ist die im sächsischen Wiederau bei Rochlitz geborene Frauenrechtlerin und Sozialistin gar nicht so weit vom Finanzsektor entfernt, wie Unland vielleicht meint. Clara Zetkins Konterfei zierte schon einmal eine Banknote – ab 1971 den Zehn-Mark-Schein der DDR.