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Rothenburger Mehrgenerationenhaus investiert in Steine und neue Ideen

Es geht um individuelle Wege zum Beruf. Mit im Boot: ein tschechischer Partner.

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© André Schulze

Von Frank-Uwe Michel

Am Anfang stand die Notwendigkeit, das altehrwürdige Mehrgenerationenhaus zu sanieren. Um dies mit Hilfe eines geeigneten Förderprogramms tun zu können, entwickelte man die Idee, sich in der Berufsorientierung für Menschen mit und ohne Beeinträchtigung zu engagieren. „Wir erkannten bei unseren Recherchen recht schnell, dass es im Landkreis in diesem Bereich eine Lücke gibt“, erläutert Thomas Kucharek. Jeder Mensch besitze bestimmte Gaben und Neigungen, die – mit ein wenig Fantasie und dem nötigen pädagogischen Geschick – herausgekitzelt werden könnten. „Es geht uns um die vermeintlich Schwachen, Ziellosen. Um Leute, denen man auf die Sprünge helfen kann, wenn man vor ihnen einen Katalog an Ideen ausbreitet“, erzählt der Leiter des Mehrgenerationenhauses.

Schnell wurde deutlich, dass man dieses umfangreiche Projekt in den bestehenden Räumlichkeiten nur bedingt würde verwirklichen können. „Wir waren ständig mit der ENO, der kreiseigenen Entwicklungsgesellschaft Niederschlesische Oberlausitz, in Kontakt, um einerseits die baulichen Voraussetzungen zu besprechen und andererseits einen Partner zu finden, mit dem wir das Projekt grenzüberschreitend aufziehen können“, sagt Diakon Andreas Drese. Beides ist inzwischen klar. Für knapp 400 000 Euro wird vor dem Mehrgenerationenhaus ein früher an dieser Stelle befindliches Stall- und Wohngebäude neu errichtet. Nicht etwa der historischen Gestalt nachempfunden, sondern in moderner Architektur – abgesegnet durch den Denkmalschutz. „Es wird ein eingeschossiger Funktionsbau sein, mit fünf Schulungsräumen, einem Büro- und Konferenzraum, einer Lehrküche, einem Computerkabinett und einem großzügig gestalteten Werkstattraum“, zählt Thomas Kucharek die Vorzüge des Neubaus auf. Da noch Behördengänge zu erledigen und Genehmigungen einzuholen sind, rechnet man mit dem Baubeginn frühestens im März 2018. Ende August soll das Haus bereits fertig sein.

Schon viel früher soll mit der inhaltlichen Arbeit des Projektes begonnen werden, das offiziell den Namen „Bildung aktiv! Inklusive Berufsfindung in der Euroregion“ trägt. Schon Ende Januar gibt es eine Auftaktveranstaltung, Mitte des Jahres sollen die ersten Berufsfindungsmodule starten – wahrscheinlich im alten Mehrgenerationenhaus oder im Brüderhaus des Martinshofes. Im Rahmen des vom Freistaat Sachsen und der Tschechischen Republik mit EU-Geldern von insgesamt 1,9 Millionen Euro geförderten Projektes (Gesamtkosten inklusive Eigenanteile 2,3 Millionen Euro) soll es innerhalb von drei Jahren 150 Orientierungsprogramme und Module zur Berufsfindung mit insgesamt 700 Personen geben. „Wir werden die individuelle Situation der Teilnehmer berücksichtigen“, verspricht Thomas Kucharek. „Ziel ist es, Begabungen zu erkennen und daraus zusammen das richtige Berufsbild zu entwickeln. Die Leute müssen gern zu uns kommen, weil sie vom Nutzen des Projektes überzeugt sind.“ Alles geschehe auf freiwilliger Basis – das sei die eigentliche Herausforderung, ergänzt Andreas Drese. Denn wer aus Zittau, Löbau oder dem Oberland anreise, müsse für sich einen Mehrwert erkennen.

Neben der inhaltlichen Arbeit wird das den Betroffenen aber auch durch verschiedene Begleitumstände leicht gemacht: Für die Kurse fallen keine Kosten an, bei der Anfahrt und möglichen Übernachtungen werden sie unterstützt. Die Nachfrage nach dem Angebot schätzt Diakon Drese als gegeben ein: „Ich vermute, dass die anvisierte Personenzahl noch nicht das Ende der Fahnenstange ist.“

Was der Martinshof auf deutscher Seite, ist im Tschechischen ein landwirtschaftlich geprägter Betrieb in Brniste, etwa 40 Kilometer von Liberec entfernt. Dort soll mit der anderen Hälfte der Fördersumme und dem nötigen Eigenkapital eine „Schule des Landlebens“ entstehen – ebenfalls für Menschen mit und ohne Einschränkung, die dort ihre Neigungen erkennen und daraus berufliche Einstiegsmöglichkeiten entwickeln sollen.

Andreas Drese ist froh, dass mit dem Projekt das Mehrgenerationenhaus als sozialer Anlaufpunkt gefestigt wird. Und er verspricht, dass sich der Martinshof nach der Eröffnung des Erweiterungsbaus auch um die Sanierung des Altbaus kümmern wird.

Die Auftaktveranstaltung des Projektes findet am Montag, 29. Januar, 14 Uhr, im Brüderhaus des Martinshofes Rothenburg statt