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Russland baut Einfluss in Ostukraine aus 

Die Menschen in der Ostukraine können einfacher einen russischen Pass bekommen. Der Konflikt gewinnt dadurch einmal mehr an Schärfe.

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Toilettenpapier mit Putins Gesicht gibt es in Kiew zu kaufen.
Toilettenpapier mit Putins Gesicht gibt es in Kiew zu kaufen. © imago images / ZUMA Press

Russland baut seinen Einfluss im Konfliktgebiet in der Ostukraine aus - und das wenige Tage nach der Wahl eines neuen Präsidenten in dem Land. Der russische Präsident Wladimir Putin unterzeichnete ein Dekret, wonach die Menschen in den von den Separatisten kontrollierten Gebieten einfacher russische Pässe erhalten sollen. Das teilte der Kreml am Mittwoch mit. Kiew kritisierte dies scharf und wandte sich an den UN-Sicherheitsrat.

Menschen mit ständigem Wohnsitz in "einzelnen Kreisen" der Gebiete von Donezk und Luhansk können demnach in einem "vereinfachten Verfahren" russische Staatsbürger werden. Die Region ist seit Jahrhunderten russisch geprägt. Der Kreml sprach von einer schnellen Prüfung der Unterlagen innerhalb von drei Monaten.

Putin sagte der Agentur Interfax zufolge, er sei um die Menschenrechte in der Region besorgt. "Wir haben nicht den Wunsch, der neuen ukrainischen Führung irgendwelche Probleme zu schaffen."

Der scheidende ukrainische Präsident Petro Poroschenko warf Moskau vor, den Friedensprozess damit zu torpedieren. "Es geht faktisch um die Vorbereitung des Kremls zum nächsten Punkt der Aggression gegen unseren Staat: die Annexion des ukrainischen Donbass oder die Schaffung einer russischen Enklave in der Ukraine."

Das Team des künftigen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj kritisierte ebenfalls den Kreml: "Diese Handlung ist eine weitere offensichtliche Bestätigung für die Weltgemeinschaft der wahren Rolle Russlands als Aggressorstaat, der einen Krieg gegen die Ukraine führt."

Außenminister Pawel Klimkin schrieb im Kurznachrichtendienst Twitter: "Ich rufe die ukrainischen Bürger der von Russland besetzten Gebiete auf, die russischen Pässe nicht anzunehmen." Sein Ministerium teilte mit, man werde die Bewohner der Separatistengebiete weiter als ukrainische Staatsbürger betrachten. In beiden Regionen leben nach Angaben der lokalen Behörden mehr als 3,5 Millionen Menschen.

Der prominente russische Außenpolitiker Konstantin Kossatschow sieht dagegen in dem Vorgehen seines Landes keinen Verstoß gegen die Friedensvereinbarungen. Das bedeute auch nicht, dass Russland sich weigere, sie umzusetzen.

Einem russischen Medienbericht zufolge soll die Annahme von Anträgen und die Passausgabe im Gebiet Rostow nahe der ukrainischen Grenze erfolgen. Der Vorgang solle im September abgeschlossen sein. Der Donezker Separatistenchef Denis Puschilin bedankte sich bei Russland und twitterte weiter: "Wir haben lange auf diesen Schritt gewartet und sind äußerst froh, dass dieser Tag gekommen ist. Danke!"

In Kiew befürchtet man dadurch ein Einfrieren des Konflikts ähnlich wie im moldauischen Transnistrien. In dem 1990 von Moldau abgespaltenen Gebiet hat der Großteil der Einwohner ebenfalls die russische Staatsbürgerschaft. Bei einer Eskalation des Konflikts könnte der Kreml gemäß seiner Doktrin direkt die russische Armee unter dem Vorwand des Schutzes der eigenen Staatsbürger einsetzen - ähnlich wie im georgischen Südossetien im August 2008.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow hatte noch am Vormittag an das Team um Selenskyj appelliert, das Minsker Friedensabkommen einzuhalten. Die Ausgabe russischer Pässe ist allerdings nicht Teil der Vereinbarung. In dem Abkommen geht es um eine Wiedereingliederung in die Ukraine. Selenskyj war am Sonntag in einer Stichwahl mit hoher Zustimmung zum neuen Staatsoberhaupt des in die EU strebenden Landes gewählt worden.

Zugleich stellte der oberste russische Diplomat klar, dass er im Ringen um Frieden in der Ostukraine keine weiteren Länder ins sogenannte Normandie-Format holen will. Deutschland und Frankreich könnten verhindern, dass die vom UN-Sicherheitsrat gebilligten Minsker Friedens-Vereinbarungen für den Donbass revidiert würden, sagte er. Beiden Ländern komme dabei eine wichtige Rolle zu.

An den Gesprächen sind Deutschland, Frankreich, Russland und die Ukraine beteiligt. Ein Friedensplan liegt seit langem auf Eis. Die Vierer-Runden werden nach dem französischen Ort des ersten Treffens auch Normandie-Format genannt. Seit 2014 sind infolge der Kämpfe zwischen Regierungstruppen und den von Moskau unterstützten Rebellen nach UN-Schätzungen rund 13.000 Menschen getötet worden.

In der Ukraine hatten zuletzt im Wahlkampf verschiedene Parteien gefordert, dass die USA und Großbritannien mit an den Tisch geholt werden sollten. Auch das Umfeld des künftigen Präsidenten Selenskyj hatte sich dafür ausgesprochen. Eine Begründung für einen größeren Kreis der Gespräche wurde jedoch nicht genannt. (dpa)