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Nawalny: Putin steht hinter der Vergiftung

In einem Interview äußert sich der russische Oppositionsführer zu dem Anschlag auf ihn und gibt sich kämpferisch.

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Dieses Foto veröffentlichte Alexej Nawalny am Freitag, dem 25. September 2020, auf seinem Instagram-Account, es zeigt ihn und seine Frau Julia an einem unbekannten Ort in Deutschland.
Dieses Foto veröffentlichte Alexej Nawalny am Freitag, dem 25. September 2020, auf seinem Instagram-Account, es zeigt ihn und seine Frau Julia an einem unbekannten Ort in Deutschland. © Navalny/Instagram/AP/dpa

Moskau. Nach seiner Vergiftung hat der Kremlgegner Alexej Nawalny in einem "Spiegel"-Interview den russischen Präsidenten Wladimir Putin für die Tat verantwortlich gemacht. "Ich behaupte, dass hinter der Tat Putin steht, und andere Versionen des Tathergangs habe ich nicht", sagte er dem Nachrichtenmagazin. Nur die unter Putins direktem Befehl stehenden Chefs der Geheimdienste - Inlandsgemeindienst FSB, Militärgeheimdienst GRU und Auslandsgeheimdienst SWR - hätten Zugriff auf das tödliche Nervengift Nowitschok.

Wie der "Spiegel" am Donnerstag berichtete, kündigte der 44-Jährige bei einem zweistündigen Redaktionsbesuch in Berlin am Vortag auch an, nach Russland zurückzukehren. "Meine Aufgabe ist jetzt, der Typ zu bleiben, der keine Angst hat. Und ich habe keine Angst!" Er werde Putin nicht das Geschenk machen, sich aus dem Kampf in Russland zu verabschieden. Nawalny sagte, dass er die Parlamentswahl im kommenden Jahr fest im Blick habe und dort das Machtmonopol der Kremlpartei Geeintes Russland brechen wolle.

Russlands Führung bestreitet, dass es eine Vergiftung gegeben habe und spricht von einer Provokation. Der prominenteste Gegner von Kremlchef Putin soll mit dem Nervengift der Gruppe Nowitschok vergiftet worden sein. Der Kampfstoff ist nach dem internationalen Verbot von Chemiewaffen geächtet. Russische Geheimdienstler und Regierungsmitglieder betonten mehrfach, dass alle Vorräte des zu Sowjetzeiten entwickelten Gifts vernichtet worden seien.

Begleitet von Personenschützern rund um die Uhr

Zu dem Attentat am 20. August sagte Nawalny: "Du fühlst keinen Schmerz, aber Du weißt, Du stirbst." Er habe gemerkt, das sei das Ende. "Organophosphate greifen dein Nervensystem an wie eine DDos-Attacke den Computer - das ist eine Überlastung, die dich kaputtmacht."

Zu Forderungen Russlands, endlich Beweise oder Biomaterial Nawalnys für eigene Untersuchungen vorzulegen, sagte der Kremlgegner, dass in der Klinik in Omsk ausreichend Blut von ihm sein müsse, um die Vergiftung nachzuweisen. In dem Krankenhaus war er nach einer Zwischenlandung notärztlich versorgt worden.

Der Politiker durchläuft nach seiner Entlassung aus der Berliner Klinik Charité inzwischen eine Reha-Maßnahme, um wieder zu Kräften zu kommen. Nawalny, der nach "Spiegel"-Darstellung "rund um die Uhr" von Personenschützern begleitet wird, hatte sich in den vergangenen Tagen auch immer wieder in den sozialen Netzwerken zu Wort gemeldet. Er sagte, dass es ihm schon viel besser gehe - und sein Überleben auch für die Wissenschaft interessant sein könne.

Der Fall hat die Spannungen in den deutsch-russischen Beziehungen noch einmal deutlich verschärft. Kanzlerin Angela Merkel, die Nawalny in der Klinik besucht hatte, forderte Russland zur Aufklärung des Verbrechens auf. Moskau aber verlangt Beweise für eine Vergiftung und lehnt bis dahin Ermittlungen in dem Kriminalfall ab. Zu Nawalnys Vorwürfen äußerte sich schon kurz nach Veröffentlichung des Interviews Parlamentschef Wjatscheslaw Wolodin, einer der engsten Vertrauen Putins.

"Putin hat ihm das Leben gerettet"

"Putin hat ihm das Leben gerettet", sagte Wolodin in einer auf der Internetseite der Duma veröffentlichten Stellungnahme. Von den Piloten über die russischen Ärzte bis hin zum russischen Präsidenten hätten alle Nawalnys Leben gerettet. Wenn mit ihm wirklich etwas passiert sei, dann handelte es sich um eine Inszenierung der westlichen Geheimdienste. Nawalny arbeite im Auftrag ausländischer Mächte, behauptete Wolodin.

Nawalny betonte in dem Interview, dass er bisher keine Verbindung zu Deutschland gehabt habe, aber dem Land, den Menschen, den Ärzten und Merkel dankbar sei. Die Experten der Charité hätten es geschafft, seine Persönlichkeit wieder herzustellen.

Zur Frage von Sanktionen wegen des Verbrechens sagte er, jede Russland-Strategie müsse "das Stadium des Wahnsinns in den Blick nehmen, das Putin erreicht hat". In der Debatte um einen Baustopp für die Ostseepipeline Nord Stream 2 überlasse er die Entscheidung aber der deutschen Politik.

Nawalny war am 20. August während eines Inlandsflugs in Russland zusammengebrochen und später zur Behandlung nach Deutschland gebracht worden. Wochenlang lag er dort im künstlichen Koma. Nach dem Befund eines Bundeswehr-Speziallabors wurde er mit dem Kampfstoff der Nowitschok-Gruppe vergiftet. Das sollen auch Labors in Frankreich und Schweden bestätigt haben. Mit Spannung werden aktuell die Untersuchungsergebnisse der Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OPCW) erwartet. Danach drohen Russland neue Sanktionen. (dpa)