Moskau. Der wegen eines Giftanschlags in Deutschland behandelte russische Kremlgegner Alexej Nawalny muss nach seiner Rückkehr an diesem Sonntag in Moskau mit einer Festnahme rechnen. Russlands Strafvollzugsbehörde habe ihn zur Fahndung ausgeschrieben und bereite sich vor, den 44-Jährigen in Gewahrsam zu nehmen, berichteten Medien in Moskau am Donnerstag.
Nawalny hält sich nach dem Mordanschlag mit dem Nervengift Nowitschok seit August zur Heilung in Deutschland auf. Die Frage einer Rückkehr habe sich für ihn nie gestellt, weil er Russland nie selbst verlassen habe, schrieb der 44-Jährige. „Ich bin in einer Wiederbelebungskiste in Deutschland angekommen“, meinte er mit Blick auf sein mehrwöchiges Koma nach dem Anschlag in Russland.
Russland bestreitet eine Verwicklung in die Vergiftung
Nawalny hatte seine Abreise aus Deutschland am Mittwoch in einer Videobotschaft bekannt gegeben. Die Strafvollzugsbehörde will den Politiker festnehmen, weil er Bewährungsauflagen in einem früheren Strafverfahren nicht nachgekommen sein soll.
Nach Angaben der Behörde wurde der Politiker am 29. Dezember zur Fahndung ausgeschrieben, nachdem zuvor versucht worden sei, seinen Aufenthaltsort ausfindig zu machen. Nawalny hatte mehrfach erklärt, dass er sich nach dem Anschlag vom 20. August mit dem Nervengift Nowitschok in Deutschland zur Behandlung aufhält. Präsident Wladimir Putin hatte nach eigener Darstellung selbst den Rettungsflug von Sibirien nach Deutschland genehmigt. Nawalny wunderte sich deshalb, dass ihn die russische Justiz trotzdem suche.
Er macht für den Giftanschlag mit einem chemischen Kampfstoff der Nowitschok-Gruppe im vergangenen August ein unter dem Befehl von Kremlchef Wladimir Putin agierendes „Killerkommando“ des Inlandsgeheimdienstes FSB verantwortlich. Russland bestreitet eine Verwicklung in den Fall und verlangt etwa von Deutschland Beweise für eine Vergiftung. Erst dann wolle man Ermittlungen einleiten.
Oppositionelle: Nawalnys Schritt ist mutig
Die Justizbehörden hatten zuvor beantragt, Nawalnys Bewährungsstrafe in eine echte Haftstrafe umzuwandeln, weil er die Auflage, sich regelmäßig persönlich bei den Behörden zu melden, missachtet habe. Ein Gerichtsprozess dazu ist am 29. Januar geplant. Nun riskiert er, direkt nach seiner Landung am Flughafen Wnukowo in Moskau in Gewahrsam zu kommen. Mehrere Politologen meinten, dass der Kreml Nawalny mit einer Festnahme zu einem „Märtyrer“ aufwerten würde.
Zahlreiche Oppositionelle und Kommentatoren in Moskau bezeichneten Nawalnys Schritt als mutig. Sie meinten, dass der Kreml auf dem Weg sei, Nawalny zu einem neuen Nelson Mandela (1918-2013) zu machen. Der südafrikanische Friedensnobelpreisträger wurde nach mehr als einem Vierteljahrhundert in politischer Gefangenschaft Symbolfigur für Freiheit und Gerechtigkeit und letztlich auch Präsident.n. (dpa)