Propaganda-Sprachrohr des Kreml: Druck auf RT DE wächst

Es ist eine ungewöhnliche Mitteilung, mit der sich die Chefredaktion von RT DE an ihre Leserinnen und Leser wendet: Leider müsse die Kommentarfunktion auf der Webseite des Mediums abgeschaltet werden. Jedenfalls so lange, "bis effektive Mittel und Wege gefunden sind sicherzustellen, dass dieses Kommunikationsmittel nicht missbraucht wird". Der Grund für das Abschalten ist ein erhöhtes Aufkommen von kritischen Kommentaren bis hin zu unverstelltem Hass und Drohungen. Wie sehr Russlands Radikalisierung der Politik in Form eines Angriffskrieges gegen die Ukraine naturgemäß auch viele Meinungen radikalisiert hat bis hinauf in die höchsten politischen Ränge, ist auf allen Seiten offenkundig.
Kein Wunder also, dass auch RT DE respektive gerade RT DE diese Radikalisierung zu spüren bekommt. Nicht nur von den üblichen Kritikern des Senders; auch von einstigen Fans. Denn das in mehreren Sprachen mit verschiedenen Redaktionen international aktive Muttermedium RT (für ursprünglich Russia Today) gehört einer Stiftung des Kreml. Es verfolgt laut Aussage von Chefredakteurin Margarita Simonjan ein klares Propagandaziel, vorgegeben von der russischen Regierung: Informationskrieg "gegen die gesamte westliche Welt".

Der russische Angriff als angebliche Präventivmaßnahme
Der deutsche Ableger RT DE tut dies auf allen Themengebieten von Pegida bis Corona. Und seit Beginn des Krieges tritt seine Funktion als Propagandaplattform des Kreml immer unverstellter zutage. So übernimmt der Sender die Moskauer Interpretationen der Geschehnisse samt der Wortwahl nahezu unverändert, verbreitet gezielte Desinformationen und legitimiert den Angriffskrieg.
Redakteurinnen und Autoren rechtfertigen Stück für Stück die zentralen Vorwände von Wladimir Putin: Es gehe darum, die Ukraine von Nazis zu befreien. Selenskij habe den Wunsch nach nuklearer Bewaffnung angekündigt, auch verfüge "die ukrainische Weltraumagentur … über Träger-Raketen in ausreichender Zahl, um einen atomaren Angriff auf russisches Territorium zu starten". Ein Autor stellt den Angriff wörtlich als Präventivmaßnahme dar: "Offenkundig hat die russische Führung einer atomaren Erpressung zuvorkommen wollen und begreift den Einmarsch als Krieg gegen den Krieg."

Beliebte Interviewpartner von Links und der AfD
Auch Putins Behauptung eines Völkermords an der russischen Bevölkerung im Donbass wird aus prominentem Mund weiterverbreitet und gestützt. RT DE zitiert – natürlich ohne jede Einordnung – die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, mit den Worten: "Russland hat die Weltgemeinschaft in all den Jahren aufgefordert, sich gegen die systematische Ausrottung der Bevölkerung im Donbass zu wehren."
Lange Zeit war das Vorgehen von RT DE subtiler. Ein Teil der Berichterstattung erfolgte in wenig bis gar nicht schlagseitigen Tönen und durchaus nach journalistischen Kriterien. Den Anschein eines "normalen" Mediums verstärkten noch diverse Interviews mit Spitzenpolitikern, darunter viele eher linke wie Sigmar Gabriel, Katharina Barley und Angehörige der Linkspartei, vor allem aber Spitzenmitglieder der AfD wie Tino Chrupalla, Alice Weidel, Björn Höcke.

Zwischen Fakten werden massenhaft Fake News gestreut
Doch war die "normale" Berichterstattung immer schon vermischt mit propagandistisch gefärbten Artikeln, und zwischen tatsächliche Fakten wurden und werden weiterhin massenhaft Fake News gestreut. Aus diesem Grund hatte die Videoplattform Youtube nach vorherigen Abmahnungen die Kanäle von RT DE gesperrt. Facebook und Twitter sind dem noch nicht gefolgt, erhöhen aber den Druck kontinuierlich, etwa durch Sperrung jeglicher Werbung bei RT insgesamt.
Die offizielle Fernseh-Senderlizenz in Deutschland war dem Medium nach Angaben des Kreml verweigert worden, woraufhin Moskau zur Vergeltung den Auslandssender Deutsche Welle verboten hatte. Laut der Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK) der Landesmedienanstalten hingegen hat RT DE bislang gar keine Lizenz in Deutschland beantragt. Dass im Internet überhaupt weitergesendet wird, ist ohnehin ein Wunder an trotziger Beharrungskraft. Denn das war RT DE bereits am 1. Februar durch die ZAK untersagt worden.

"Wir werden die Medienmaschine des Kreml verbieten"
Nun hat die für den in Berlin-Adlershof ansässigen Sender zuständige Landesmedienanstalt Berlin-Brandenburg weitere Schritte ergriffen und ihm für den Fall, dass die "Veranstaltung und Verbreitung" des Fernsehprogramms nicht bis zum 4. März eingestellt werde, ein Zwangsgeld von 25.000 Euro angedroht. Ein Zwanzigstel dessen, was möglich wäre. Auch sonst weht der Gegenwind nicht nur dem deutschen Ableger von RT seit Kriegsausbruch am vergangenen Donnerstag mit Sturmstärke ins Gesicht.
Noch am selben Tag hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in mehreren Kurznachrichten verkündet: "Wir werden die Medienmaschine des Kreml in der EU verbieten ... die staatseigenen Russia Today und Sputnik und ihre Tochtergesellschaften werden nicht länger ihre Lügen zur Rechtfertigung von Putins Krieg verbreiten können ... Wir arbeiten an Werkzeugen, um ihre toxische und schädliche Desinformation in Europa zu verbieten." Erste Angestellte der "Medienmaschine" scheinen auch ohne Druck von der Fahne zu gehen.

"Konstruktive Zerstörung ist nicht aggressiv"
Die ebenfalls zur RT-Familie gehörende deutsche Nachrichtenagentur Ruptly hat der Agentur Reuters bestätigt, dass einige Mitarbeiter gekündigt hätten. Sie sollen sich unter anderem darüber beschwert haben, die Invasion Russlands nicht als solche bezeichnen zu dürfen und stattdessen nur den vom Kreml verwendeten Begriff einer "speziellen Operation" benutzen zu müssen. Derweil erhalten weitere prominente Propagandisten des Kreml breiten Raum für Gastbeiträge. So erklärt ein umfangreicher Essay von Sergei Karganow, Ehrenvorsitzender des russischen Rates für Außen- und Verteidigungspolitik, auf RT DE die neue "Putin-Doktrin": "Es scheint, als sei Russland in eine neue Ära seiner Außenpolitik eingetreten – eine ,konstruktive Zerstörung‘."
Aber: "Konstruktive Zerstörung ist nicht aggressiv. Russland behauptet, dass es niemanden angreifen oder in die Luft jagen wird. Es hat es einfach nicht nötig." Das schrieb Karganow am vergangenen Sonnabend, als der Krieg schon zwei Tage dauerte. Umso konsequenter, dass RT DE zwar kritische Kommentare als "Missbrauch" von Kommunikationsmitteln einordnet, nicht aber Beiträge wie diesen. Denn auch mit Karganows Essay erfüllt das Medium lediglich seinen Kernauftrag als antiwestliches Manipulationsorgan des Kreml in Deutschland.