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S-Bahn-Linien für den Landkreis

Der Verkehrsverbund Oberelbe feiert und sieht enormes Potenzial für die Strecken nach Königsbrück und Kamenz.

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© René Plaul

Von Jens Fritzsche

Radeberg. Zu einem Geburtstag gehört natürlich Kuchen. Das Tarifsystem des Verkehrsverbunds Oberelbe (VVO) wird 20 – „und wir werden in den nächsten Tagen Schokokuchen an unsere Fahrgäste verteilen“, verspricht VVO-Sprecher Christian Schlemper. Der Verkehrsverbund muss dabei ein paar Stückchen mehr backen lassen. Die Fahrgastzahlen haben seit dem Start 1998 stark zugelegt. Also eine Erfolgsgeschichte?

Welche Vorteile hat der seit nun 20 Jahren geltende VVO-Tarif?
Seit der Einführung reicht ein Fahrschein für alle Angebote im Verbundraum. „Das kommt an“, findet der VVO-Sprecher. Bis dahin brauchten Fahrgäste unterschiedliche Tickets, um vom Bus in den Zug oder die Straßenbahn umzusteigen. „Fahrgäste wollen klare Regeln – beim Tarif und den Taktzeiten“, ist Schlemper überzeugt.

Kommt der S-Bahn-Takt für die Züge im Landkreis Bautzen?
Der VVO sieht im S-Bahn-Takt – halbstündlichen Verbindungen – großes Potenzial. Auch im Landkreis Bautzen. So ist langfristig an eine S 6 nach Königsbrück und eine S 7 nach Kamenz gedacht. Auch eine S 8 nach Bautzen ist ins Auge gefasst, machte VVO-Chef Burkhard Ehlen am Freitag in einer Pressekonferenz deutlich. Dafür müsste aber zunächst der Knoten Bischofswerda ausgebaut werden. Dort könnten sich dann die Züge Richtung Bautzen und Zittau teilen. Einen Zeitplan für die Umsetzung all dieser S-Bahn-Pläne gibt es noch nicht.

In welche Projekte hat der VVO am meisten investiert?
Mit rund 19 Millionen Euro sind in den vergangenen Jahren vor allem Pendlerparkplätze und Übergangsstellen zwischen Bus und Bahn ausgebaut worden. „Das macht eine enge Verzahnung aller Angebote durch kurze Umstiege möglich“, so VVO-Sprecher Schlemper. Auch in höhere Geschwindigkeiten und kürzere Fahrtzeiten floss Geld: Durch die sogenannte Arnsdorfer Kurve – ein neues Gleis zwischen Radeberg und Großröhrsdorf – ist die Verbindung zwischen Dresden und Kamenz nun in knapp einer Dreiviertelstunde möglich; zwanzig Minuten schneller. Zudem gibt es in Pulsnitz-Süd einen neuen Haltepunkt, der von null auf 240 Ein- und Aussteiger täglich durchstartete.

Apropos Arnsdorfer Kurve: Hat sich die heftige Kritik gelegt?
Die Aufregung ist verstummt, sagt der VVO-Sprecher. 2009 war das rund fünf Millionen Euro teure Gleis ans Netz gegangen. Der „Umweg“ über Arnsdorf war nun nach Kamenz nicht mehr nötig. „Die Befürchtung der Arnsdorfer, die gute Anbindung an Dresden könnte sich verschlechtern, ist zerstreut!“ Der VVO lässt zusätzlich die Regionalbahnen nach und von Zittau/Görlitz in Arnsdorf halten. Damit gibt es nach wie vor drei Züge pro Stunde von und nach Dresden. Umständlicher ist die Fahrt nach Kamenz, die geht nur noch über Radeberg.

Wo besteht der größte Nachholbedarf in Sachen Investitionen?
Ganz klar in der Strecke zwischen Ottendorf und Königsbrück. „Da haben wir quasi 20 Jahre lang nichts gemacht“, räumt der VVO-Sprecher ein. Lange war unklar, ob hier überhaupt künftig weiter Züge fahren – oder doch ein Bus. Auch eine Straßenbahn nach Dresden war im Gespräch. Der Landkreis ließ alle Optionen prüfen und hat sich jetzt eindeutig für den Zug entschieden. Der VVO sieht, wie schon mit Blick auf einen möglichen S-Bahn-Takt erwähnt, viel Potenzial in der Strecke. Dresdens Umland wird bekanntlich als Wohn- und Arbeitsort immer attraktiver. Übrigens: Auch ohne Investition sind die Fahrgastzahlen in Königsbrück im Vergleich zu 1998 um gut 50 Prozent gestiegen. Von 200 auf aktuell 290 Fahrgäste pro Tag.

Wie meistert der VVO das Problem schrumpfender Orte im Kreisnorden?
Die Einwohnerzahl von Hoyerswerda ist in den vergangenen 20 Jahren von 54 000 auf 33 000 gesunken. Trotzdem konnten die Fahrgastzahlen gesteigert werden. Von rund 400 auf knapp 600 täglich. Und das bei einer nicht wirklich attraktiven Strecke nach Dresden; über Ruhland. Das Festhalten am Zwei-Stunden-Takt und zusätzliche acht Zugpaare ab Ruhland macht der VVO-Sprecher für den Erfolg verantwortlich.

Kommt die direkte Verbindung von Hoyerswerda nach Dresden?
Konkrete Vorhaben gibt es noch nicht, aber die für Wirtschaft zuständige Beigeordnete des Landkreises, Birgit Weber, hatte jüngst im SZ-Gespräch erklärt, Hoyerswerda beim Thema Schienenverkehr stärker ins Blickfeld zu rücken. Über gänzlich neue, kürzere Verbindungen müsse nachgedacht werden, so Weber. „Der Bund hat bereits angedeutet, künftig für solche Projekte mehr Geld in die Hand nehmen zu wollen.“

Wie finanziert sich der Verkehrsverbund eigentlich?
Obwohl der Verbund aus den Mitglieds-Kommunen besteht – wie dem Landkreis Bautzen – zahlen die kein Geld. Der VVO finanziert sich komplett aus Mitteln des Bundes, die an den Freistaat gehen. 2017 waren das für den VVO rund 120 Millionen Euro. Davon flossen 100 Millionen in die Zugstrecken, der „Rest“ wurde für Busverbindungen und Investitionen ausgegeben.

Warum teilen sich zwei Verkehrs- Verbünde den Landkreis Bautzen?
Das hängt mit der Neustrukturierung der Landkreise nach der Wende zusammen. 1996 wurde der Kreis Kamenz geschaffen, der dem VVO beitrat. Das blieb auch nach der erneuten Kreisreform 2008 mit der Bildung des Großkreises Bautzen so. Deshalb verläuft die Grenze zwischen den Verbünden Zvon und VVO mitten durch den Kreis.

Gibt es demnächst einen einheitlichen Verkehrsverbund für den Kreis?
Bautzens Landrat Michael Harig (CDU) macht sich für die Fusion stark. Er will einen Tarif für den gesamten ehemaligen Regierungsbezirk Dresden. Im Raum Görlitz ist man jedoch skeptisch, fürchtet eine zu große Dresden-Dominanz und ein Abhängen der Region. Eine politische Debatte; Ergebnis offen. Bei Ausschreibungen arbeiten die Verbünde aber längst zusammen.