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Sachsen bekommt doch kein Institut für gesellschaftlichen Zusammenhalt

37 Millionen Euro gibt der Bund für das Forschungsprojekt. Doch die Pläne entwickeln sich anders, als ursprünglich gedacht.

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© ZB

Von Karin Schlottmann

Aus der Idee, in Sachsen ein neues wissenschaftliches Institut für gesellschaftlichen Zusammenhalt zu gründen, wird nichts. Stattdessen plant die Bundesregierung, die bereits bewilligten Mittel in Höhe von 37 Millionen Euro in einen Forschungsverbund zu investieren, in dem wissenschaftliche Einrichtungen aus möglichst unterschiedlichen Regionen in Deutschland mitarbeiten sollen. Ihre Aufgabe besteht darin, Umbrüche in der Gesellschaft, soziale Spaltungen und die Folgen der Globalisierung zu analysieren und Rezepte für die Praxis zu entwickeln. Das geht aus einer Ausschreibung des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung hervor, die jetzt im Bundesanzeiger veröffentlicht worden ist.

Union und SPD hatten im Bundestag im Zuge der Haushaltsberatungen überraschend durchgesetzt, dass die Bundesregierung rund 37 Millionen Euro für ein Institut für gesellschaftlichen Zusammenhalt zur Verfügung stellt. Der damalige CDU-Bundestagsabgeordnete Michael Kretschmer, der den Anstoß für das millionenschwere Forschungsvorhaben gegeben hatte, hoffte damals, dass eine Universität in Sachsen zum Zuge kommen würde und mit der Arbeit weit über die Grenzen des Freistaats hinaus Wirkung erzielen könnte.

Die Begeisterung hielt sich in Sachsen zunächst in Grenzen. Die SPD kritisierte, dass das Wissenschaftsministerium in Dresden nicht in die Pläne eingeweiht worden sei. Die Grünen äußerten die Befürchtung, das Geld sei für eine CDU-nahe Denkfabrik gedacht, die sich im Winter im Umfeld der Konrad-Adenauer-Stiftung gegründet hatte. Der Verein in Dresden trägt den ähnlich klingenden Namen „Zentrum für gesellschaftlichen Zusammenhalt und Integration“. Das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung ließ bereits im Februar durchblicken, dass das Geld entgegen anderer Vorstellungen nicht allein Sachsen zugutekommen würde.

In der vor einigen Tagen veröffentlichten Ausschreibung verwendet das Ministerium zwar den Begriff „Institut für gesellschaftlichen Zusammenhalt“, spricht jedoch von einer dezentralen Einrichtung. Vorgesehen ist, so heißt es darin, die Förderung von bis zu zehn Institutionen, die sich in einer Verbundstruktur, bestehend aus Partnern auch an verschiedenen Standorten, zusammenschließen, um gemeinsam die Forschung zum gesellschaftlichen Zusammenhalt auf eine neue Grundlage zu stellen und praxisrelevante Vorschläge zu erarbeiten. Die gemeinsame Ausarbeitung des Konzepts ist auf ein Jahr begrenzt. Daran schließt sich eine vierjährige Forschungsphase an, die mit jährlich zehn Millionen Euro vom Bund finanziert wird.

Vorwürfe gegen die Politik

Die wissenschaftspolitische Sprecherin der Grünen-Landtagsfraktion, Claudia Maicher, begrüßte die Ausschreibung als Beleg für die Unabhängigkeit und Transparenz des Projekts. „Gerade in Sachsen ist die gesellschaftliche Spaltung seit Jahren sichtbar“, sagte sie am Dienstag. Wissenschaftliche Erkenntnisse über die Ursachen, Ausprägungen und den Zustand der Demokratie seien unerlässlich. Maicher warf Kretschmer, der sich im Dezember im Landtag als Ministerpräsident zur Wahl stellt, vor, mitverantwortlich dafür zu sein, dass das Projekt in Misskredit gefallen sei.