Merken

Sachsen-Solaryacht will Markt entern

Schnell soll das Boot sein und leise – und selbst bei starkem Seegang nicht schwanken. Noch gibt es nur eine Simulation.

Teilen
Folgen
© [email protected]

Von Michael Rothe

Cannes ist vor allem Cineasten ein Begriff. Doch der mondäne Urlaubsort an der Cote d’Azur bietet den Reichen und Schönen neben den Filmfestspielen noch einen wichtigen Treff: das Cannes Yachting Festival. Europas größte Messe zu Wasser lockt seit 1977 Zehntausende an die französische Riviera. Für Mitte  September sind rund 600 Boote angemeldet: von zwei bis 65 Meter Länge. Gut möglich, dass diesmal ein Boot allen die Schau stiehlt, das es noch gar nicht gibt. Und das kommt aus Sachsen.

„Wir gehen optimistisch nach Cannes“, sagen Andreas Bascha und Ulrich Käppler (v.l.). Auch wenn es die Yacht derzeit nur virtuell gibt, rechnen sie schon mit Bestellungen.
„Wir gehen optimistisch nach Cannes“, sagen Andreas Bascha und Ulrich Käppler (v.l.). Auch wenn es die Yacht derzeit nur virtuell gibt, rechnen sie schon mit Bestellungen. © Solarimpact Yacht AG
Luxus und Nachhaltigkeit auf drei Ebenen mit 340 qm Nutzfläche versprechen die Sachsen. Sollte das Wetter mal nicht mitspielen, sorgt ein dieselelektrisches Notstromaggregat für fast unbegrenzte Reichweite.
Luxus und Nachhaltigkeit auf drei Ebenen mit 340 qm Nutzfläche versprechen die Sachsen. Sollte das Wetter mal nicht mitspielen, sorgt ein dieselelektrisches Notstromaggregat für fast unbegrenzte Reichweite. © Solarimpact Yacht AG

Nur von Solarstrom versorgt, fast lautlos und selbst bei meterhohen Wellen nicht schwankend – ein Schiff, wie es noch nicht gebaut wurde. So beschreiben es die Protagonisten: ein Dutzend Unternehmer aus Dresden und der Oberlausitz, allesamt Aktionäre der Solarimpact Yacht AG mit Sitz in Zürich und meist auch Sponsoren der Kicker vom Bischofswerdaer FV 08.

Mit ihrem knapp 24 Meter langen Boot wollen die Unterstützer des Fußball-Viertligisten in die Championsleague. Und sie geizen vor dem Messeauftritt nicht mit Superlativen. „Eine neue Ära des modernen Schiffbaus ist angebrochen“, verkünden sie. Doch um nicht wie in einer kultigen Kräuterbonbon-Reklame eins hinter die Ohren zu bekommen, räumen die Sachsen ein, dass der eigentliche Erfinder ein Schweizer ist: Werner Vögeli. „Seit ich mich erinnern kann, suche ich Lösungen für Probleme“, schreibt er im sozialen Netzwerk LinkedIn. Das sei ihm in die Wiege gelegt und kein Verdienst. Doch er habe das Talent, Wissenschaftler für seine Ideen zu begeistern – „Menschen, die die Fähigkeit haben, meine Visionen umzusetzen“.

Steffen Kainer ist so einer. Der 35-Jährige kam vom Fraunhofer-Institut und ist wie ein Dutzend weiterer Ingenieure bei der Schaaf Yachtbau GmbH & Co. KG angestellt, Tochter von Solarimpact. Nach der Pleite der Schiffswerft Laubegast 2011 hält sie dort in einer Halle die Dresdner Schiffbau-Tradition am Leben. Wo die Weltneuheit in 1,5 Jahren entwickelt wurde, sollen ab September Teile der Wunderyacht entstehen. Wo sie zusammengebaut wird, ist offen. „Da es sich nicht um einen Elbkahn, sondern um eine Hochseeyacht handelt, ist Meeresnähe von Vorteil“, sagt Andreas Bascha, Verwaltungsrat von Solarimpact.

Der 49-Jährige ist an weiteren Firmen beteiligt und Vorstand der Raiffeisen Handelsgenossenschaft BHG, einem Dresdner Baustoffhändler. „Die Kernkompetenz bleibt in Sachsen“, versichert er. Es gehe um Weiterentwicklung, „im nächsten Schritt um Ablösung von Aluminium durch leichtere Verbundwerkstoffe“. Dass die AG in der Schweiz sitzt, sei eine Bedingung von Vorstandschef Vögeli gewesen, tue den Sachsen nicht weh und ihrem Schöpfergeist keinen Abbruch. „Möglich, dass das Know-how über Lizenzen mehr einbringt, als der Yachtbau“, sagt Bascha. Auch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle und Sachsens Aufbaubank sind von der Innovation, für die mehrere Patente angemeldet wurden, überzeugt und haben in Summe 2,6 Millionen Euro Fördergeld bewilligt oder zugesagt.

Dabei sind Solarboote an sich nicht neu. Der Pole Jedrzej Gawlowski hatte bereits Anfang der 90er-Jahre eine Segelyacht auf Sonnenantrieb umgerüstet. Ob er der Erste war, weiß der Chef der Sunyacht Concept UG mit Sitz im brandenburgischen Velten nicht, er sieht sich aber als Pionier. „Jetzt konzipiere ich ein Passagierschiff für 60 Leute“, sagt er. 2012 schaffte es die MS Turanor des Schweizer Herstellers Planet Solar SA, das größte je gebaute Solarschiff, mit einer Weltumrundung ins Guinness-buch der Rekorde. 2015 stellte die Firma Solarwave den ersten autarken Katamaran vor. Auch Klimaanlage, Waschmaschine, Kühlschrank, Herd wurden fast vollständig über Solarzellen und Batterien versorgt.

Dennoch sei die nun angekündigte Innovation eine „technologische Revolution“, behaupten ihre Schöpfer. Die Rumpftechnologie basiere auf dem seit 1938 bekannten Swath-Bauprinzip: Zwei torpedoförmige Auftriebskörper unter Wasser tragen das Boot. Durch die Ballasttanks wird eine Wellenentkopplung erreicht, die das Rollen und Krängen um 90 Prozent senkt. „Das Boot fährt nicht auf, sondern unter der Welle“, erklärt Ulrich Käppler, auch Verwaltungsrat der Schweizer AG. Das lästige Schwanken habe ein Ende. Da so nur die schmalen Stelzen die Wasseroberfläche durchschnitten, sei ein Spitzentempo von gut 20 Knoten, rund 37 km/h, möglich.

Käppler war einst Chef und Mitinhaber der Käppler & Pausch GmbH in Neukirch, einem Spezialisten für Metallbearbeitung. Als solcher war er 2006 mit seinem Ex- Kompagnon Gabriel Pausch Zweitplatzierter beim Wettbewerb „Sachsens Unternehmer des Jahres“. 2015 stieg er aus, verkaufte seine Firmenanteile – und könnte sich eigentlich zur Ruhe setzen. Doch der 66-Jährige ist so vom Yacht-Virus infiziert, dass er einen Teil des Verkaufserlöses investierte und fast täglich aus der Lausitz zur Werft nach Dresden pendelt. „Wer mal Unternehmer war, kann nicht einfach so loslassen und sich auf einer Insel in den Sonnenstuhl legen“, sagt er.

Käppler, der sich „Privatier“ nennt, denkt noch weiter. „Das Boot steht sinnbildlich für viele innovative Unternehmer in Ostsachsen und ist eine große Chance für die Region“, sagt er. Das Boot sei nur Mittel zum Zweck, ergänzt Mitstreiter Andreas Bascha. „Die Yacht ist für uns Multiplikator der Elektromobilität auf dem Wasser“, sagt er. Zum Kaufpreis hüllt sich das Duo in Schweigen. „Erst mal schauen, wie es auf der Messe läuft“, heißt es. Dort könnten Besucher die Yacht in einem virtuellen 3-D-Modell begehen. „Und wenn alles klappt“, so Bascha, „dann stellen wir dort in einem Jahr das erste fertige Boot vor“.

So könnte Cannes nicht nur für Cineasten, sondern auch für Enthusiasten wie die der Solarimpact eine Reise wert sein. Sonnige Aussichten für Boot, Schöpfer und vielleicht auch für das 120 Jahre alte Schiffswerftgelände in Dresden-Laubegast.