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Sachsen will Analphabeten zum Lernen ermutigen

Bedienungsanleitungen von Geräten oder Beipackzettel von Medikamenten bleiben für sie ein Buch mit sieben Siegeln. Kommt Post von Behörden, bricht Panik aus. Analphabeten haben mit besonderen Schwierigkeiten zu kämpfen. Freistaat und Volkshochschulen wollen helfen.

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Dresden. Mit einer Informationskampagne und einer Plakataktion will die Regierung Analphabeten in Sachsen Mut machen und für Lernkurse gewinnen. Schätzungen zufolge gibt es im Freistaat rund 200 000 Menschen, die das Schreiben und Lesen nicht beherrschen - rund fünf Prozent der Bevölkerung, wie das Kultusministerium mitteilte. Rund 8,3 Millionen Euro stelle die EU von 2007 bis 2013 für Projekte zur Alphabetisierung bereit. Der Freistaat gebe 2010 wie schon im Vorjahr 200 000 Euro dazu. Seit Jahresbeginn dient eine Koordinierungsstelle als Anlaufpunkt. Vor allem in Schulen kann noch viel gegen den Analphabetismus getan werden, ergab eine Umfrage der Nachrichtenagentur dpa.

Hilfe von Volkshochschulen

Vor allem die 18 Volkshochschulen in Sachsen versuchen, Betroffenen das Lesen und Schreiben beizubringen. Zur Zeit liefen etwa 40 Kurse mit rund 200 Teilnehmern, sagte der Chef des Volkshochschulverbandes, Bernd Staemmler, in Chemnitz. Tendenz gleichbleibend. „Wir könnten noch mehr machen, wenn die Sache mit einer Kampagne offensiver angegangen würde.“ Analphabeten meldeten sich nicht so einfach bei der Volkshochschule. Da brauche es einen Anschub.

Analphabeten orientieren sich Staemmler zufolge oft an Bildern, an Zeichen oder Marken etwa bestimmter Warenhausketten, die sie sich merken. Die Ursachen für Analphabetismus reichen laut Johanna Schneider von der Evangelischen Hochschule für Soziale Arbeit in Dresden meist bis in die Kindheit zurück. Betroffen seien vor allem Kinder aus sozial schwachen Familien. „Diese fühlen sich von ihren Eltern oft wenig angenommen. Da wird etwa zu Hause nicht vorgelesen und wenig mit ihnen gesprochen. Es gibt es wenig Lob, wenig Ermutigung.“ So gehe die Freude am Lernen verloren.

Lehrer für Fälle sensibilisieren

In den Schulen gelten diese Mädchen und Jungen dann als schlecht und würden so behandelt - auch von den Lehrern, sagte Schneider. „Dabei sind diese Kinder oft nicht weniger intelligent als ihre Mitschüler.“ Die Pädagogen müssten laut Schneider mehr für solche Fälle sensibilisiert werden. „An den Schulen lässt sich noch viel machen.“ Im weiteren Leben dann werde Lesen und Schreiben von den Betroffenen nicht mehr oft gebraucht und so wieder vergessen. Später fehlten für erwachsene Analphabeten oft die geeigneten Programme und Materialien.

Analphabetismus fällt bei der Arbeitssuche nicht immer sofort auf. „Bei persönlichen Gesprächen erscheinen sie in Begleitung. Sämtlicher Schriftkontakt wie Anträge wird von zu Hause aus mit Hilfe anderer erledigt“, sagte Frank Vollgold von der Regionaldirektion Sachsen der Bundesagentur für Arbeit in Chemnitz. Die Arbeitsagenturen versuchten aber, auch diesen Menschen Jobs zu vermitteln. „Auch Analphabeten können sehr gute Arbeit leisten.

Natürlich schränken sich die Einsatzbereiche auf vor allem praktische und handwerkliche Tätigkeiten ein.“ Allerdings werde in der Regel empfohlen, die fehlenden, allgemeinbildenden Kenntnisse noch zu erwerben. Zuschüsse von der Arbeitsagentur gebe es dafür aber nicht. (dpa)