AfD will endlich auf der Sachsenkarte auftauchen

Sachsens AfD – bei Landtags- oder Bundestagswahlen zuletzt mit zweistelligen Prozentergebnissen bedacht – hat ausgerechnet an der Basis ein Problem. In den Städten und Gemeinden des Freistaates lässt der politische Erfolg nämlich auf sich warten.
So muss die Partei einräumen, was Bürgermeister, Oberbürgermeister oder auch Landräte betrifft, völlig blank dazustehen. Offenbar ist es sogar für viele eigene Wähler wichtig, dass man AfD-Kandidaten zwar nach Berlin oder in die Landeshauptstadt schickt, aber eben nicht ins Chefzimmer des Rathauses direkt vor Ort.
Sollte er sich über dieses deutliche Misstrauen ärgern, lässt sich das Jörg Urban zumindest aber nicht anmerken. Der sächsische Partei- und Fraktionschef macht angesichts der bevorstehenden Kommunalwahl am 12. Juni lieber auf Optimismus.
Befragt nach dem dann wichtigsten Ziel, legt er sich schnell fest: Der erste AfD-Landrat in Deutschland soll aus Sachsen kommen. "Egal, ob einer oder zwei oder drei in Sachsen. Das würde unendlich helfen und uns Rückendeckung geben." Dafür zieht die AfD jetzt auch kräftig an ihrer Personaldecke.
Mindestens fünf der eigenen 36 Landtagsabgeordneten sind bereits als Landratskandidaten nominiert. Vor allem in Kreisen wie Bautzen, Görlitz oder auch Mittelsachsen rechnet man sich Chancen aus.
Keine Nachrücker mehr im Landtag
Es bleibt aber ein Plan mit Risiken. Denn sollte es tatsächlich einer dieser ausschließlich männlichen Bewerber schaffen, müsste er auf seinen Abgeordnetensitz verzichten. Für die AfD-Fraktion wäre das mit dem direkten Verlust eines Mandates verbunden, da ihr 2019 per Gerichtsentscheid die Bewerberliste zur Landtagswahl gekürzt wurde und keine Nachrücker mehr zur Verfügung stehen.
Den Verdacht, dass es bei diesen Kandidaturen daher mehr ums Prestige als um den Sieg geht, will Jörg Urban aber nicht gelten lassen. "Ich nehme mögliche Verluste für die Fraktion hin, wenn wir dadurch ein deutschlandweites Signal setzen können", erklärt er und verweist darauf, dass die AfD-Fraktion selbst bei mehreren Abgängen alle ihre Rechte im Landtag behalten würde – auch im parlamentarischen Untersuchungsausschuss, den die AfD wegen der einstigen Listenkürzung durchgesetzt hat.
Vergleichsweise deutlich weniger wird die AfD im Juni allerdings bei den Bürgermeister-Wahlen aufbieten. Dort tritt man landesweit nur mit etwa 30 eigenen Bewerbern sowie einigen Parteilosen an, die auf einem AfD-Ticket kandidieren. Parteichef Urban versucht, die ungünstige Ausgangslage zu erklären.
In der Kommunalpolitik sei es für die AfD halt besonders schwierig, da andere Parteien wie CDU oder Linke dort schon viel länger aktiv seien. Zudem gebe es dieses "Alleinstellungsmerkmal", dass sich nämlich die politischen Gegner vor Ort gern und oft gegen die AfD verbünden.

Auch durch die Medien, so ist er überzeugt, würde seine Partei und ihre Vertreter häufig stigmatisiert. "Wer für uns antritt, hat es schwerer als andere." Daher bleibe es für die AfD schwierig, noch mehr vor Ort anerkannte Persönlichkeiten für sich zu gewinnen, die aber gerade bei Kommunalwahlen so wichtig sind.
Was hinzukommt: Bei den Kommunalwahlen droht diesmal sogar der AfD Konkurrenz von rechts. Die vom Verfassungsschutz beobachtete Kleinstpartei "Freie Sachsen" könnte mit besonders extremen Parolen wichtige Stimmen kosten. Auch Jörg Urban spricht von einem "neuen Phänomen", winkt aber ansonsten demonstrativ ab.
Eine hohe mediale Reichweite sei längst kein Garant für Wahlerfolge, hält er gegen. Am Ende könnten gerade die Bürgermeisterwahlen auch für eine gewisse Entzauberung der Freien Sachsen sorgen. "Wir sind da selber gespannt."
Einzelkämpfer im Landratsamt?
Tatsächlich muss sich die AfD am 12. Juni aber noch auf andere Hürden einstellen. So ist vor allem die CDU gewillt, dann ihre seit der Wende anhaltende absolute Vorherrschaft in Sachsens Landratsämtern erneut zu verteidigen – und glaubt sich dafür sogar gut gewappnet. Da viele Amtsinhaber aus Altersgründen aufhören, stellt man sich der AfD-Konkurrenz in den meisten der neun Landkreise, in denen abgestimmt wird, mit neuem Personal.
In Görlitz und im Erzgebirgskreis setzt man mit Stephan Meyer und Rico Anton ebenfalls auf amtierende Landtagsabgeordnete – problemlos, da die eigene Nachrückerliste lang genug ist.
Dass Sachsens AfD zudem kürzlich bei einer Wählerumfrage Verluste hinnehmen musste, nimmt man genauso als günstiges Omen wie den Umstand, dass die Proteste gegen Impfpflicht und Corona-Auflagen im Juni weiter abgeflaut sein dürften. Zumindest im Fall der Landratswahlen ist man mittlerweile deutlich zuversichtlicher als noch vor etlichen Wochen.
Beobachter der näherrückenden Kommunalwahl schauen unterdessen noch auf einen ganz anderen Aspekt: Sollte erstmals ein AfD-Politiker in ein sächsisches Landratsamt einziehen, müsste er sich dort in einem etablierten Verwaltungsapparat durchsetzen. Möglicherweise droht ihm dabei vor Ort die schwere Rolle eines Einzelkämpfers. Auch hier widerspricht AfD-Chef Urban.
Vielleicht, so dreht er diesen Einwand um, freuen sich die meisten Mitarbeiter in der Behörde ja auch über einen solchen Wechsel und über eine künftig viel transparentere Kommunalpolitik. Und notfalls gebe es ja noch das Arbeitsrecht. Völlig machtlos, so ist er sicher, sei ein Landrat mit AfD-Parteibuch jedenfalls nicht.