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Sachsen will weitere Wälder der Natur überlassen

Sachsens Umweltministerium plant, weitere Flächen im Staatswald stillzulegen und diese der Natur zu überlassen. Das führt zu Kritik von Förstern und Waldbesitzern.

Von Lucy Krille
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In den Wald am Reitsteig bei Schmilka wird schon über zehn Jahre nicht mehr eingegriffen. Derzeit werden weitere Waldflächen zur Stilllegung geprüft.
In den Wald am Reitsteig bei Schmilka wird schon über zehn Jahre nicht mehr eingegriffen. Derzeit werden weitere Waldflächen zur Stilllegung geprüft. © Jürgen Lösel

Dresden. Umgestürzte Fichten und kahle Baumkronen - dieses Bild ist in Sachsens Wäldern mittlerweile normal. Es fällt schwer, zu glauben, dass Zuschauen da eine Lösung sein soll. Doch für das sächsische Umweltministerium ist die Stilllegung von Waldflächen neben dem Waldumbau durchaus ein Weg, um die Artenvielfalt zu fördern und den Wald zu stärken.

Im Nationalpark Sächsische Schweiz, im Naturschutzgebiet Königsbrücker Heide oder im Biosphärenreservat Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft sind bereits zusammenhängende Wälder sich selbst überlassen. Derzeit werden weitere Flächen geprüft, die stillgelegt werden sollen. In diesen sogenannten Prozessschutzflächen, die laut Koalitionsvertrag fünf Prozent des sächsischen Waldes ausmachen sollen, wird weder gepflanzt, noch gefällt. Ausnahmen gibt es bei bereits bestehenden Flächen an Rettungs- oder Wanderwegen. "Die gefällten Bäume bleiben aber im Wald und im natürlichen Kreislauf", erklärt der Pressesprecher des Umweltministeriums Robert Schimke.

Die Stilllegung wurde bereits 2007 durch die damalige Bundesregierung beschlossen und ist Teil einer nationalen Biodiversitätsstrategie. Das Umweltministerium prüft verstärkt den vom Staatsbetrieb Sachsenforst verwalteten Wald, von dem zehn Prozent künftig Prozessschutzfläche sein sollen. Um das zu erreichen, müssen bis Ende des Jahres noch mindestens 4.700 Hektar Staatswald aus der wirtschaftlichen Nutzung genommen werden, rechnet Schimke vor.

Kritik gegen großflächige Stilllegungen

Interessenvertreter wie Henrik Lindner von der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald wollen das stoppen. "Nirgendwo wird so nachhaltig Holz produziert wie in Sachsen", begründet er. Der Sachsenforst holze weniger ab, als nachwächst, um den Baumbestand hochzuhalten. Lindner und weitere Förster und Waldbesitzer setzen auf diese "nachhaltige und aktive Bewirtschaftung von Wäldern."

Verfechter von Prozessschutzflächen wollen durch die stillgelegten Wälder herausfinden, welche Baumarten sich auf natürliche Art durchsetzen. Sie rechnen beispielsweise mit Weißtannen oder Rotbuchen.
Verfechter von Prozessschutzflächen wollen durch die stillgelegten Wälder herausfinden, welche Baumarten sich auf natürliche Art durchsetzen. Sie rechnen beispielsweise mit Weißtannen oder Rotbuchen. © Jürgen Lösel

Statt die ländlichen Räume durch eine großflächige Stilllegung wirtschaftlich zu schwächen, würde Lindner eher viele kleine Waldstücke aus der Nutzung nehmen. Wälder die sowieso nicht bewirtschaftet werden können, weil sie an Steilhängen liegen, sich im Moor befinden oder von Felsen bedeckt sind. "Auch private Kleinwaldbesitzer, die ihren Wald nicht bewirtschaften, könnte man mit finanziellen Anreizen überzeugen, Teil des Programms zu werden", sagt Lindner.

Hans Kraske vom Sächsischen Waldbesitzerverband gibt dabei zu bedenken, dass das "zwingend die Entscheidung des jeweiligen Eigentümers bleiben muss". Er schlägt einen Biotopverbund vor, "in dem die Flächen sorgsam gepflegt werden, so dass sich die Arten ansiedeln, halten und weiterverbreiten können".

Zwischen wirtschaftlichen und ökologischen Interessen

Doch welche Arten werden in Zukunft überlebensfähig sein? Genau diese Frage sollen die sich selbst überlassene Wälder beantworten. "Ihr Wert besteht darin, dass man von der Natur lernen kann", so das Umweltministerium. Um alle Vegetationszonen abzubilden und Rückschlüsse für eine zukünftige Bewirtschaftung ziehen zu können, müssten dabei neben Waldmooren und Steillagen auch Flächen betrachtet werden, die theoretisch bewirtschaftbar sind.

Die Angst der Kritiker vor wirtschaftlichen Verlusten und Holzimporten aus dem Ausland durch die weiteren Stilllegungen sieht das Umweltministerium aber als unbegründet. Es handele sich nur noch um einen vergleichsweise geringen Anteil des insgesamt 205.000 Hektar großen Staatswaldes. Außerdem könne die regionale Wertschöpfung des Waldes nicht nur auf wirtschaftliche Aspekte reduziert werden. Schließlich leiste der Wald viel für den Klimaschutz und die Biodiversität.

Dabei bekam der Wald die Folgen des Klimawandels in den letzten Jahren immer häufiger zu spüren. 2018 begannen drei heiße und regenarme Jahre, so dass die Bäume schwächer und der Boden trockener wurden. Fast jeder dritte Baum weist nach Angaben des Waldzustandsberichts vom letzten Jahr mittlerweile eine deutliche Schädigung auf.

Der Borkenkäfer ist derweil kaum mehr aufzuhalten

Besonders deutlich wird das bei der Gemeinen Fichte, dem am häufigsten vorkommenden Baum in Sachsen. Auch wenn es im letzten Jahr relativ durchschnittlich viel regnete, reichte dies nicht, um die Folgen von Trockenheit und Stürmen auszugleichen. "Die massenhafte Ausbreitung des Borkenkäfers geht mittlerweile ins fünfte Jahr", erklärte der Umweltminister letzte Woche.

Deswegen, argumentieren Waldbesitzer, sei es gerade wichtig, dass Eigentümer die Wälder verkehrssicher halten und die Ausbreitung von Schadinsekten stoppen. Dazu erklärt das Umweltministerium, dass im Wesentlichen ohnehin gerade eher weniger betroffene Buchen- und Eichenbestände zur Stilllegung geprüft werden. Die Flächen werden erst noch mit Naturschutzvereinigungen abgestimmt, bevor Ende des Jahres endgültig entschieden wird, wo die Natur sich selbst überlassen wird.