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Wohnungsbauminister zu Sanierungspflicht: "Beim Klimaschutz nicht überdrehen"

Die EU will eine energieeffiziente Sanierung von Wohngebäuden vorschreiben. Sachsens Wohnungsbauminister Thomas Schmidt kritisiert das Vorhaben und warnt vor zu strengen Vorgaben.

Von Karin Schlottmann
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Für die Eigentümer alter Häuser wie hier in Meißen wird die geplante Sanierungswelle eine große Herausforderung.
Für die Eigentümer alter Häuser wie hier in Meißen wird die geplante Sanierungswelle eine große Herausforderung. © Claudia Hübschmann

Herr Schmidt, Hauseigentümer in Sachsen müssen sich auf teure Sanierungen in den nächsten Jahren einstellen. Unterstützen Sie als sächsischer Wohnungsbauminister die ehrgeizigen Pläne für den Klimaschutz?

Den Grundgedanken unterstützen wir natürlich, die Umsetzung nicht. Politik muss feste Ziele vorgeben. Aber sie sollte nicht die Wege zum Ziel zu starr vorschreiben, so wie es die EU-Kommission macht. Die geplante neue Gebäudeenergieeffizienz-Richtlinie ist ein Beispiel dafür, wie man es nicht machen sollte. Sie schließt andere Wege aus, die ebenfalls zu CO2-Neutralität führen. Das halte ich für falsch. Ein Beispiel: Wenn jemand die gesamte Energie für sein Haus aus Erneuerbaren gewinnt, aber trotzdem ein geringer Teil Wärme entweicht, weil das Haus nicht komplett gedämmt ist, schadet er dem Klima nicht. Die geplanten Vorschriften für die Dämmung machen die Sanierung sehr teuer. Mit dem Geld könnte man mehr für das Klima erreichen, wenn man es anders investiert – zum Beispiel in eine CO2-neutrale Heizung.

Die EU will eine Sanierung der Wohngebäude vorschreiben, die eine schlechte Energieeffizienz vorweisen. Kritiker sagen, die Frist bis 2033 sei nicht zu schaffen, weil Handwerker und Baumaterial fehlen.

Es ist zweifellos eine riesige Herausforderung, das Ziel zu erreichen. Die Preise sind in den vergangenen zwei Jahren drastisch gestiegen. Der Bausektor ist komplett ausgelastet. Die Zahl der Baugenehmigungen geht spürbar zurück, weil sich viele Menschen Bauen und große Renovierungen nicht mehr leisten können. Auch die Finanzierung durch die Banken ist teurer geworden. Ich bin mir deshalb nicht sicher, ob das, was erreicht werden soll, nicht eher verhindert wird.

Inwiefern können Bund und Länder auf das Rechtssetzungsverfahren in der EU politisch noch Einfluss nehmen?

Die Bundesregierung will ja noch schärfere Vorschriften für die privaten Eigentümer. Ich hoffe trotzdem, dass am Ende noch ein Kompromiss gefunden wird, der die Regelungen für den Einzelnen umsetzbar macht. Ein Schlosser würde sagen, nach fest kommt kaputt. Je stärker ich an der Schraube drehe, desto größer die Gefahr, dass das Gewinde überdreht. Mit anderen Worten: Es darf uns nicht passieren, dass die dringend notwendigen Sanierungen für Klimaneutralität so extrem mit Auflagen belastet werden, dass wir das Ziel am Ende nicht erreichen. Ist es wirklich sinnvoll, die letzten drei, vier Prozent bis hin zur vollständigen Klimaneutralität so zu verteuern, dass sich die meisten Eigentümer das finanziell nicht leisten können?

Das Ziel könnte also an der Wirtschaftlichkeit scheitern?

Ja, am Ende ist es eine Frage der Belastbarkeit. Ich bin gespannt, wie es denn sanktioniert werden soll, wenn Eigentümer sagen, ich schaffe das finanziell nicht, ich mache das nicht. Läuft es auf eine Enteignung hinaus? Klar, Nullemissionshäuser sind ein schönes Ziel. Aber auch eine Reduzierung auf 80 oder 90 Prozent wäre ein Riesenerfolg. Mit etwas mehr Maß und Mitte erreichen wir mehr und sind schneller.

Was sind Ihre Forderungen an die Adresse der Bundesregierung bei diesem Thema?

Sie sollte mehr als nur einen Weg zulassen, der die Klimabilanz im Gebäudesektor verbessert. Ich halte es auch für falsch, noch ehrgeizigere Ziele aufzustellen. Wenn die EU-Kommission sagt, der Gebäudebestand soll bis 2050 klimaneutral werden, macht es keinen Sinn, wenn die Bundesregierung dieses Ziel sogar noch um fünf Jahre unterschreiten will.

Was wären Ihrer Ansicht nach andere Wege, die zum gleichen Ziel führen können?

Ich kenne ein beeindruckendes Beispiel aus Chemnitz, wo Häuser ihre Energie aus Solarkollektoren beziehen und die Wärme speichern. Bis zu 90 Prozent des Wärmebedarfs werden im Sommer gespeichert, sodass die Bewohner damit über den Winter kommen. Diese Konzepte zeigen, dass es geht und dass es viele Ideen gibt. Aber sie scheitern an den hohen Standards der sogenannten Nullemissionshäuser, weil sie keine absolute Dämmung haben.

Wie sollen Eigentümer die Kosten stemmen, wenn sie nicht über ausreichend eigene Mittel verfügen?

Ohne nennenswerte Förderung und gute Beratung wird es mit Sicherheit nicht gehen. Aber ich wiederhole es noch einmal: für mich ist entscheidend, ob Heizung und Strom in unseren Häusern nachweisbar aus Erneuerbaren Energien gewonnen werden. Wenn dies gewährleistet ist, zum Beispiel durch Erdwärme oder Biogas sowie Solarzellen für die Stromerzeugung, dann muss dies genügen. Aber auch hier sind die Dinge nicht so einfach, wie sie aussehen.

Inwiefern?

Die Pflicht, auf jedes neue Haus eine Photovoltaik-Anlage zu installieren, klingt erst einmal nachvollziehbar. Diese Anlagen machen aber nur Sinn, wenn sie nicht durch Schatten beeinflusst werden, zum Beispiel von Bäumen. Gleichzeitig wollen wir in der Stadt aber auch mehr Grün. So ist mehr Schatten einerseits ein Segen in der Stadt, andererseits verhindern die Bäume die Stromerzeugung durch Sonne. Das können auch höhere Nachbargebäude sein und das ist keine Ausnahme. Was machen wir dann, eine Pflichtinstallation einer ineffizienten PV-Anlage oder die Bäume fällen? Ich glaube nicht, dass wir die Menschen vom Nutzen der Solarenergie erst noch überzeugen müssen. Sie sind dazu bereit, sofern die Vorgaben realistisch sind.

Welche Folgen hätte die Renovierungswelle für die Mieter?

Ich glaube, es wird so oder so teuer. Wir hatten viele Jahre sehr niedrige Energiekosten. Jetzt steigen sie immens. Damit lohnt sich eine energetische Sanierung umso mehr – das ist unbestritten. Aber so, wie es die EU und auch die Bundesregierung planen, wird es kaum bezahlbar sein.

Gespräch: Karin Schlottmann