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Feuerwehr und Sachsens Sportbund fordern fünf freie Tage von Firmenchefs

Ein Volksantrag wird vorbereitet: In Sachsen will ein Bündnis aus Vereinen, Parteien und Gewerkschaften fünf Tage Bildungszeit pro Jahr durchsetzen. Anderswo gibt es das schon.

Von Georg Moeritz
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Sie fordern ein Recht auf Bildungszeit in Sachsen: von rechts Petra Riemann, Geschäftsführerin Landesfeuerwehrverband, Daniela Kolbe, stellvertretende Vorsitzende DGB Sachsen, Christian Dahms, Generalsekretär Landessportbund.
Sie fordern ein Recht auf Bildungszeit in Sachsen: von rechts Petra Riemann, Geschäftsführerin Landesfeuerwehrverband, Daniela Kolbe, stellvertretende Vorsitzende DGB Sachsen, Christian Dahms, Generalsekretär Landessportbund. © SZ/Georg Moeritz

Dresden. Wer sich bei der Feuerwehr oder im Sportverein engagiert, soll fünf Tage Freizeit pro Jahr für ehrenamtliche Weiterbildung bekommen. Sachsen gehöre zu den wenigen Ländern, die diese Bildungszeit bisher nicht ermöglichen, sagte am Donnerstag Daniela Kolbe, stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) Sachsen. Im Bündnis mit Landessportbund, Landesfeuerwehrverband und Vereinen bereitet sie einen Volksantrag vor, um ein Gesetz durchzusetzen. Der Bildungsurlaub soll auch Sprachkurse oder berufliche Weiterbildung erleichtern.

Mehrere Anläufe für ein Bildungsfreistellungsgesetz waren in Sachsen zuvor gescheitert. 2018 lehnte der Sächsische Landtag einen Gesetzentwurf der Grünen ab, 2019 stellte der DGB schon einmal einen Entwurf vor. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will in einem Weiterbildungsgesetz nach österreichischem Vorbild eine bezahlte Bildungszeit ermöglichen - doch das sei etwas anderes als das sächsische Vorhaben, sagte Gewerkschafterin Kolbe. Bei dem Bundesgesetz geht es um bis zu ein Jahr berufliche Auszeit zum Zweck der Weiterbildung mit Zuschüssen der Bundesagentur für Arbeit.

Das Bündnis "5 Tage Bildungszeit für Sachsen" fordert ein jährliches Recht auf freie Tage, die zur freien, persönlichen, beruflichen und ehrenamtlichen Weiterbildung genutzt werden können. Alle deutschen Länder außer Bayern und Sachsen haben laut DGB Bildungsurlaubs- und Freistellungsregelungen. Kolbe sprach von einer "Benachteiligung der Beschäftigten in Sachsen". Linke, Grüne und SPD hatten in ihren Wahlprogrammen solche Regeln gefordert, die CDU lehnte sie ab. Im sächsischen Koalitionsvertrag vereinbarten die sächsischen Regierungsparteien CDU, SPD und Grüne lediglich, die Einführung eines Bildungsfreistellungsgesetzes zu prüfen.

Feuerwehr hofft auf Anerkennung für Ehrenamt

Das sind die Partner, die sich im Bündnis für ein sächsisches Bildungsfreistellungsgesetz stark machen und 40.000 Unterschriften für einen Volksantrag sammeln wollen.
Das sind die Partner, die sich im Bündnis für ein sächsisches Bildungsfreistellungsgesetz stark machen und 40.000 Unterschriften für einen Volksantrag sammeln wollen. © SZ/Georg Moeritz

Im sächsischen Koalitionsvertrag heißt es, die Förderung der beruflichen Weiterbildung sei ein zentrales arbeitsmarktpolitisches Instrument für den digitalen Wandel der Arbeitswelt und den Strukturwandel. Der Freistaat helfe mit Landesförderung für Weiterbildung und Qualifizierung. Sachsens Arbeitgeberverband VSW hatte ein Weiterbildungsfreistellungsgesetz als unnötig bezeichnet - es gebe genügend freie Tage. Die Regelungen in den anderen Bundesländern sind unterschiedlich, zum Teil ist die Freistellung auf bestimmte Bildungsgebiete beschränkt.

Petra Riemann, Geschäftsführerin des Landesfeuerwehrverbands, sieht in einer bezahlten Freistellung eine "gesellschaftliche Anerkennung der Leistung" von Ehrenamtlichen. Fast 45.000 Menschen in Sachsen engagieren sich nach ihren Angaben bei der Feuerwehr für Gefahrenabwehr und Katastrophenschutz. Zwar gebe es für die wichtigsten Lehrgänge und beim Notfalleinsatz während der Arbeitszeit schon Freistellungen, sodass der Arbeitgeber die Zeit bezahle. Doch viele zusätzliche Schulungen oder die Arbeit mit Jugendfeuerwehr und Kindern seien bisher Teil der Freizeit auf Kosten der Familie.

Christian Dahms, Geschäftsführer des Landessportbunds Sachsen, stellte einen möglichen Nutzen für die Arbeitgeber heraus: Weiterbildung für Trainer und Übungsleiter schule auch Führungsfähigkeit. Bei der Bildungszeit gehe es "nicht um Wettkampfhäkeln auf Mallorca", sondern um sinnvolle Fähigkeiten.

Landessportbund: Keine Überlastung der Wirtschaft

Der Landessportbund als "größte Bürgerorganisation in Sachsen" mit 670.000 Mitgliedern benötige weit über 80.000 Ehrenamtliche. Wegen der Corona-Einschränkungen habe es einen "Aderlass" gegeben. Sachsen brauche Übungsleiter für Kinder, Senioren und in der Reha, geschult würden auch Inklusion im Sport und ökologische Bildung. Viele Lizenzen müssten alle zwei bis drei Jahre verlängert werden. Eine Bildungszeit mit zehn freien Tagen alle zwei Jahre würde dabei helfen.

Dahms sagte, gerade auf dem Lande wäre die Bildungszeit eine große Hilfe: Dort seien Sportverein und Feuerwehr wichtige Einrichtungen zur Stärkung der demokratischen Grundstruktur. Sport sei auch ein Auffangbecken für Menschen mit anderen Sprachen. Der Wirtschaft werde das Gesetz nicht schaden - die geplanten Regeln würden verhindern, dass beispielsweise in einem Kleinbetrieb die halbe Belegschaft gleichzeitig fehle. Überlastung sei nicht zu erwarten: Seine Kollegen in Thüringen und Sachsen-Anhalt hätten ihm von gut 1.000 Anträgen pro Jahr berichtet.

Volksantrag würde das Gesetz in den Landtag bringen

Laut Kolbe will das Bündnis ab September die nötigen 40.000 Unterschriften für einen Volksantrag sammeln. Dann müsse sich der Landtag mit dem Gesetzentwurf beschäftigen, an dem gerade gefeilt werde. Kolbe kündigte an, für die Unterschriftensammlung auch Großveranstaltungen wie den Tag der Sachsen und den Tag des Sports zu nutzen. Ein Volksantrag muss in Sachsen von mindestens 40.000 Stimmberechtigten durch ihre Unterschrift unterstützt werden, ein Gesetzentwurf mit Begründung gehört dazu. Erklärt der Landtagspräsident den Volksantrag für zulässig, wird er im Parlament im üblichen Verfahren behandelt.

Am Bündnis für das Bildungsfreistellungsgesetz beteiligen sich außer Gewerkschaften, den Parteien Linke, SPD und Grüne auch der Sächsische Chorverband, Landesfrauenrat, Caritas und Sozialverband VdK. Diese Mischung könne "auch für die CDU interessant sein", sagte Kolbe. Sie sei optimistisch, dass unter dem neuen Druck der nächste Landtag dem Gesetz zustimmen werde. Es sei "ein Drama", dass Sachsen noch kein solches Gesetz habe. Es werde auch Arbeitsplätze attraktiver machen und Menschen für Weiterbildung öffnen. Das sei angesichts der dramatischen Veränderungen in der Arbeitswelt wichtig. Gerade im "Demografie-Katastrophenland Sachsen" müsse gesichert werden, dass Menschen sich an die Veränderungen anpassen können.