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Corona-Warner im Autoschlüssel-Format

Sächsische.de stellt Erfindungen von hier vor, die unser Leben verbessern. Teil 11: Der Corona-Buzzer aus Sachsen ist die Alternative zur Warn-App.

Von Nora Miethke
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Der Corona-Buzzer kann über Bluetooth Kontakte mit anderen Menschen erkennen und speichern, die die Corona-Warn-App über ihr Smartphone oder ebenfalls einen Corona-Warn-Buzzer nutzen.
Der Corona-Buzzer kann über Bluetooth Kontakte mit anderen Menschen erkennen und speichern, die die Corona-Warn-App über ihr Smartphone oder ebenfalls einen Corona-Warn-Buzzer nutzen. © Arvid Müller

Kontakte erfassen, um Infektionsketten zurückzuverfolgen. Das ist die Grundidee der Corona-Warn-App, die im Auftrag der Bundesregierung entwickelt wurde. Doch was ist mit all jenen Menschen, die kein Smartphone besitzen oder nicht gut damit umgehen können? Wie können sie in diese automatisierte Kontaktverfolgung integriert werden?

Genau diese Fragen von Journalisten brachten Tim Hentschel, Direktor des Dresdner Barkhausen-Instituts, auf die Idee, etwas als Ergänzung zur App zu entwickeln, nicht als Alternative. Er rief Matthias Stege, den Chef von Exelonix an, da dessen Firma Tracker für Gütertransporte entwickelt. In extrem kurzer Zeit fand sich ein rein sächsisches Konsortium zusammen. Mit beteiligt sind auch der Elektronikspezialist Digades aus Zittau und die Fahrzeugelektrik Pirna GmbH (FEP). „Als ein Unternehmen mit einer Exportquote von über 70 Prozent haben wir schon per se ein Interesse daran, dass alles getan wird, was einer besseren Kontaktnachverfolgung dient, um diese Pandemie zu beenden“, beschreibt Robert Malorny, Leiter Projektmanagement bei FEP, die Motivation mitzumachen.

Herausgekommen ist der Corona-Warn-Buzzer, so groß wie ein Schlüsselanhänger. Die Nutzer müssen das kleine Gerät nur einschalten und bei sich tragen. Nichts mehr. Es ist auch keine Anmeldung notwendig. Das Gerät registriert via Bluetooth, wer in der Umgebung mit Warn-App oder Warn-Buzzer unterwegs ist.

Die Projektbeteiligten vom Corona-Warn-Buzzer: Dr. Tim Hentschel (Barkhausen Institut), Robert Malorny (FEP Fahrzeugelektrik Pirna), Jens Krauße (Digades GmbH) und Dr. Matthias Stege (exelonix GmbH)
Die Projektbeteiligten vom Corona-Warn-Buzzer: Dr. Tim Hentschel (Barkhausen Institut), Robert Malorny (FEP Fahrzeugelektrik Pirna), Jens Krauße (Digades GmbH) und Dr. Matthias Stege (exelonix GmbH) © Arvid Müller

Alle diese Kontakte werden automatisch in eine Art Kontakttagebuch geschrieben, das jede Nacht mit der Liste von verschlüsselten Codes verglichen wird, die von infizierten App-Nutzern geteilt wurden. Bei Kontakt mit Infizierten leuchtet der Buzzer rot und vibriert. Dann sollen sich die Nutzer selbst testen lassen.

Nur im Fall eines positiven Befunds rufen die Nutzer die manuelle Verifikations-Hotline an, die nach der Kennung des Geräts fragt. Wenn die Kennung in das Webportal eingetragen ist, leuchtet der Warnbuzzer blau auf, dass er bereit ist zum Teilen der Kennung. „Das muss der Nutzer bestätigen, mehr nicht. Das Nadelöhr des Gesundheitsamtes bei der Kontaktnachverfolgung kann so umgangen werden“, betont Matthias Stege.

Ein Feldversuch in der Stadt Augustusburg hat gezeigt, die Technik funktioniert und die Akzeptanz ist hoch. Von den 300 Testpersonen haben über 80 Prozent angegeben, dass sie das Gerät weiternutzen und auch weiterempfehlen würden. Ergebnisse zur Benutzbarkeit liegen noch nicht vor. Die Datenschutzfolgeabschätzung allerdings schon. Fazit des 70 Seiten langen Dokuments: unbedenklich. Theoretisch hätten in Augustusburg dreitausend Geräte verteilt werden können. Doch dem Test ab Mitte Dezember kam der Lockdown in die Quere. Er startete am letzten Tag, als Schulen und Kitas noch geöffnet waren. Die 300 Testpersonen hätten ausgereicht, heißt es.

Der Corona-Buzzer ist nur so groß wie ein Schlüsselanhänger.
Der Corona-Buzzer ist nur so groß wie ein Schlüsselanhänger. © Arvid Müller

Der Grund dafür, warum der Feldversuch so spät anfing, liegt in der Zähigkeit politischer Entscheidungsprozesse. Ursprünglich sollte der Buzzer nach den Sommerferien fertig sein, wenn die Schulen wieder öffnen. Dann hätte er jetzt in der schwierigen Phase schon im Einsatz sein können.

Aber die Verhandlungen mit der Landesregierung um eine Förderung des Projekts in Höhe von zwei Millionen Euro zogen sich hin, nicht zuletzt auch wegen der öffentlichen Kritik an der Corona-Warn-App, die die anfängliche Euphorie in der sächsischen Staatskanzlei verfliegen ließ. „Am Ende haben wir die Förderung bekommen, aber zwei Monate Zeit verloren“, sagt Stege. Die Entwicklung wird vom Sozialministerium in Höhe von zwei Millionen Euro unterstützt.

Das Gleiche spiele sich jetzt in den Verhandlungen mit dem Bundesgesundheitsministerium ab. Anfangs war dort das Interesse groß, jetzt hat die Impfung Priorität. Der Buzzer soll Teil der Corona-Warn-Infrastruktur werden, die die Bundesregierung aufgebaut hat. Deshalb haben sich die sächsischen Entwickler auch an die Spezifikation und Messmethode der Warn-App gehalten. Die Kontakte werden alle fünf Minuten gemessen.

Darüber wird verhandelt und auch über Fragen wie eine mögliche Subventionierung des Preises für die Nutzer. Geplant ist, den sächsischen Corona-Warn-Buzzer mit grünem Licht aus dem Bundesgesundheitsministerium in ganz Deutschland zum Verkauf anzubieten.

Ziel ist ein Preis von 50 Euro, in dem die Betriebskosten für ein Jahr enthalten sind. Nach einer Marktforschungsuntersuchung von Digades gibt es rund zehn Millionen potenzielle Nutzer für den Buzzer in Deutschland. Allein in Sachsen leben 650. 000 Menschen älter als 70 Jahre. „Wir können nicht in Vorleistung gehen und das Produkt auf eigene Kosten produzieren, wenn wir nicht wissen, ob es am Ende des Tages auch von den staatlichen Behörden wie den Gesundheitsämtern akzeptiert wird und in die Corona-Warn-Infrastruktur eingegliedert wird“, betont Stege. Deshalb sei auch die initiale Förderung durch den Freistaat sehr wichtig gewesen und auch mutig, lobt Stege. Denn die Staatsregierung wusste nicht, „ob wir das schaffen und ob der Buzzer auch angenommen wird“.

Auch wenn das Produkt jetzt später fertig wird als gedacht, sei es nicht zu spät, um es bundesweit auszurollen, geben sich die Vertreter des Firmenkonsortiums optimistisch. Die automatisierte Kontaktnachverfolgung könnte in diesem Jahr noch eine „richtig große Hilfe“ werden. Auch sollte so eine Technologie bereitstehen, wenn es in der Zukunft noch einmal zu einer solchen Situation kommt. Noch ist unklar, wie lange der Lockdown anhalten wird, wann die Geschäfte wieder öffnen, die Schüler in die Klassenräume zurückkehren dürfen und man wieder mit Freunden Kaffee trinken gehen kann. Wenn es so weit ist, besteht die Hoffnung, dass dann auch bald der Buzzer für Kinder und Senioren verfügbar ist. „Sobald wir die Zustimmung der Bundesregierung haben, könnten wir nach sechs bis acht Wochen lieferfähig sein“, so Stege.

Das Erfinder-Projekt „Genial Sächsisch“ findet gemeinsam mit den drei Gründerschmieden Dresden Exists, Saxeed (Chemnitz) und Smile (Leipzig) statt.

Acatech, die Deutsche Akademie der Technikwissenschaften, hat die Serie von 2019 mit dem wichtigsten Preis für Technikjournalismus ausgezeichnet.

Hier noch einmal alle Erfindungen im Überblick: