Noch stehen die weißen Riesen still. Dicht an dicht geparkt, warten sie auf ihre neuen Besitzer oder Mieter. Aufgeschlossen werden dürfen sie aber nicht. Wer sich für eines der Fahrzeuge interessiert, die auf dem Firmengelände der Radeberger Reisemobile stehen, kann sich momentan nur die Nase an den Scheiben platt drücken. Oder den Händler Daniel Sperling anrufen oder online kontaktieren.
Das Leihgeschäft für 2021 laufe vielversprechend an, sagt der 47-Jährige. „Unser Buchungsstand liegt derzeit bei 75 Prozent.“ Wie sich die Verkäufe entwickeln, sei momentan noch nicht abzusehen. Hoffnung wäre aber durchaus berechtigt, wie Zahlen des Statistischen Landesamts zeigen. Demnach sind 2020 sachsenweit 2.595 neue Wohnmobile zugelassen worden. Das sind 889 mehr als im Jahr zuvor. Außerdem rollten mehr Urlauber mit einem neuen Wohnwagen in die Ferien.
Bundesweit ist das Bild ähnlich. Die Lust auf Camping scheint ungebrochen. Trotz einer Corona-Delle im März und April sei das exzellente Ergebnis von 2019 noch einmal übertroffen worden, sagt Hermann Pfaff, Präsident des Caravan Industrie Verbands (CIVD). So viele Neuzulassungen wie 2020 – 78.055 Reisemobile und 29.148 Caravans – habe es noch nie gegeben. Tendenz für 2021? „Positiv“, so Pfaff.
Von einstigen Spießer-Image des Caravanings ist nicht mehr viel übrig. Eine Umfrage der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) hat ergeben, dass sich fast ein Viertel aller erwachsenen Bundesbürger gut vorstellen können, einen Teil ihrer freien Tage als Camper zu verbringen. Wachsende Zielgruppe sind Millennials, also junge Leute zwischen Anfang 20 und Mitte 30. Das Gefühl, auf Achse zu sein und dabei „alles zu können und nichts zu müssen“, treffe den Nerv der Zeit, glaubt Pfaff.
Am liebsten im Inland reisen
Auf Platz eins der Wunschziele liegt Deutschland, gefolgt von Frankreich, den Niederlanden, Dänemark und Italien. Der ADAC rechnet damit, dass sich Camper dieses Jahr stark auf Nahziele zwischen Flensburg und Garmisch beschränken werden. Daher sei es ratsam, nicht nur nach Plätzen in Top-Lage zu suchen, sondern auch nach Alternativen im Hinterland Ausschau zu halten, sagt Uwe Frers, Geschäftsführer der ADAC Camping GmbH.
Entscheidend für die Saison ist, ob und wie stark die Reisebeschränkungen im zweiten Quartal gelockert werden. Er bestreite sein Mietgeschäft mit insgesamt 30 Mietfahrzeugen an zwei Standorten im Landkreis Bautzen, sagt Daniel Sperling. Viele Kunden seien extrem verunsichert und vorsichtig. „Fast jeder Zweite fragt nach den Stornobedingungen.“ Ein gebührenfreier Rücktritt ist bei ihm bis 50 Tage vor Antritt der Fahrt möglich.
Dass das Thema Reiserücktritt in diesem Jahr eine entscheidende Rolle spielt, wissen auch die Branchenverbände. Vor allem große Vermieter seien sehr bemüht, sich kulant zu zeigen, wenn kurzfristig weitere Lockdowns beschlossen werden sollten, sagt CIVD-Sprecher Daniel Rätz. „In der Regel können Termine dann aber kostenfrei verschoben werden. So wurde es auch schon im letzten Jahr gehandhabt.“ Unabhängig davon sei ein Blick in die Klauseln der Geschäftsbedingungen ratsam.
Bei der Wahl des fahrbaren Untersatzes zeigt sich der Wandel im Caravaning-Sektor. Am beliebtesten sind Campingbusse à la VW T6 California, ausgebaute Kastenwagen und sogenannte Teilintegrierte. Die ersten beiden Fahrzeugkategorien machen laut Hermann Pfaff fast die Hälfte aller Neuzulassungen aus. Teilintegriert heißt, dass das originale Fahrerhaus teilweise in den Wohnbereich eingegliedert ist. Dagegen konstruieren die Hersteller beim Bau einer vollintegrierten Variante die Fahrerkabine komplett neu. Diese rollenden Urlaubsdomizile sind oft sehr komfortabel und besser fürs Camping bei Eis und Schnee geeignet.

Kundschaft ist sehr zahlungskräftig
Pi mal Daumen seien in der Hauptsaison etwa 100 Euro pro Tag als Leihgebühr für ein durchschnittliches Reisemobil zu veranschlagen, sagt Daniel Sperling. „Dazu kommen noch ungefähr 40 Euro pro Nacht auf dem Campingplatz.“ Schnäppchenurlaub sei diese Art des Reisens schon lange nicht mehr. Die überwiegend zahlungskräftige Kundschaft scheint damit aber kein Problem zu haben. Zumindest könnte man das meinen, wenn man sich die Neuwagenpreise anschaut. Bei den Modellen, die Sperling und seine Kollegen zum Verkauf stellen, reicht die Spanne von 40.000 bis 240.000 Euro. Sogenannte Liner, die auf einem Lkw-Chassis stehen und teilweise über zwölf Tonnen wiegen, können sogar noch teurer sein.
Seine Skepsis, was Verkaufszahlen anbelangt, begründet Sperling mit dem weggebrochenen Geschäft auf Messen, die wegen Corona ausgefallen sind. „Dort habe ich in den Vorjahren ein knappes Drittel meines Jahresumsatzes gemacht.“ In existenzielle Not werde ihn das aber nicht bringen. Interessenten, die auf jeden Fall „etwas Eigenes“ wollen, empfiehlt Sperling, nichts zu überstürzen. „Es ist besser, erst einmal zu mieten und dann zu kaufen.“ Tatsächlich kenne er Fälle aus der vergangenen Saison, bei denen Spontankäufer feststellen mussten, dass sie sich für einen unpassenden Grundriss im Fahrzeuginneren entschieden hatten. „Die stellen jetzt Anfragen, ob sie ihr Fahrzeug gegen ein neues tauschen können.“
Geduld und Verhandlungsgeschick ist auch auf dem Gebrauchtmarkt gefragt. Denn das Angebot wird nicht größer, sondern eher knapper. „Im Vergleich zum Vorjahr hatten wir im Dezember 2020 rund ein Fünftel weniger Inserate“, sagt Pierre du Bois vom Portal mobile.de. Gleichzeitig sei der durchschnittliche Angebotspreis um neun Prozent auf knapp 44.580 Euro gestiegen. In diese Rechnung einbezogen sind laut du Bois alle auf der Plattform angebotenen Fahrzeuge bis zu einem Alter von 20 Jahren und einer Maximallaufleistung von 200.000 Kilometern. Auch die Inserats-Aufrufe bei mobile.de legten zuletzt um knapp die Hälfte zu.
Als typische Schwachstellen bei gebrauchten Wohnmobilen und -anhängern nennt du Bois die Heizung, das Dach und die Sanitäreinrichtungen. Entscheidend sei die Dichtigkeit. „Man sollte vor allem Türen, Fenster und Dachöffnungen prüfen und auf Gerüche achten. Die können auf Feuchtigkeit hinweisen.“ Ratsam ist außerdem, das Fahrzeug vor dem Kauf bei einer Sachverständigenorganisation wie Tüv oder Dekra vorzuführen und noch einmal komplett durchchecken zu lassen.