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Das Minikraftwerk im eigenen Haus

Sächsische.de stellt Erfindungen von hier vor, die unser Leben verbessern. Teil 8: Die Energiekoppler finden Stromfresser in Haushalten und managen Stromverkauf.

Von Ines Mallek-Klein
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Tobias Heß, Jens Werner und Irina Weiß (v. l. n .r.) haben mit der Swarmbox eine Technologie entwickelt, die kleine Stromerzeugereinheiten miteinander verkoppelt, Stromfresser entlarvt und Entnahmezeiten optimiert.
Tobias Heß, Jens Werner und Irina Weiß (v. l. n .r.) haben mit der Swarmbox eine Technologie entwickelt, die kleine Stromerzeugereinheiten miteinander verkoppelt, Stromfresser entlarvt und Entnahmezeiten optimiert. © Ronald Bonß

Die Energieversorgung wird dezentral. Und das ist gut so. Kleine, lokale Minikraftwerke im Eigenheim entlasten die Leitungsnetze und die Blackout-Gefahr sinkt. Solche lokalen Einheiten können aus einem Dutzend Einfamilienhäusern bestehen, die eine Wärmepumpe im Garten oder eine Solaranlage auf dem Dach haben. Der Großteil des Stroms, der hier vor Ort erzeugt wird, kann gleich wieder verbraucht werden. Er lässt Wasch- und Spülmaschine laufen, sorgt an kalten Februartagen für hell erleuchtete Zimmer, macht warmes Wasser und einen kalten Kühlschrank. Immer öfter werden mit dem selbst erzeugten Strom zudem E-Bikes und E-Autos geladen.

Doch auch solche Minikraftwerke brauchen Steuermöglichkeiten. Es geht darum, die Spitzen beim Verbrauch abzudecken. Und es muss genügend Flexibilität in der Anlage vorhanden sein, um überschüssige Energie letztlich gewinnbringend vermarkten zu können. Für Anlagen, die es gemeinsam auf eine Leistung von über 100 Kilowatt bringen, gibt es bereits technische Lösungen. Doch die Energiekoppler aus Dresden haben es sich zur Aufgabe gemacht, auch deutlich kleinere Stromerzeuger standardisiert und automatisiert zusammenzubringen.

Dass es funktioniert, hat das Dresdner Unternehmen Energiekoppler bereits bewiesen. Gemeinsam mit dem Energie- und Kommunikationsdienstleister EWE hat man 17 Einfamilienhäuser zu einer Energiecommunity zusammengeschlossen und den Stromverbrauch der jeweiligen Abnehmer harmonisiert. Möglich machen das kleine weiße Boxen, nicht viel größer als ein WLAN-Router für die Steuerung von erzeugter und verbrauchter Elektroenergie. Die ersten dieser Boxen entstanden zunächst als Prototypen im 3-D-Druckverfahren. Mittlerweile ist das Start-up, zum Vakuumdruck übergegangen. „Bald werden wir aufgrund der Masse im Spritzgussverfahren fertigen müssen“, sagt Irina Weis.

Die Gründer Jens Werner und Tobias Heß (v.li.n.re.) bei der Arbeit.
Die Gründer Jens Werner und Tobias Heß (v.li.n.re.) bei der Arbeit. © Ronald Bonß

Sie ist CEO, Co-Founder und mit Jens Werner, ebenfalls CEO und Co-Founder, für die Vermarktung des Flexibilitätswerks zuständig. Sie ist 2018 in das Team gekommen, nachdem sie die Energiekoppler als Ausgründung auf der Seite des Start-up-Service Dresden Exists gefunden hatte. Die Energiekoppler bestanden damals aus Jens Werner und Tobias Heß. Die beiden Elektrotechniker haben sich in mehreren Forschungsprojekten rund um das Thema „Virtuelle Kraftwerke“ und den Möglichkeiten zur intelligenten Kopplung der Sektoren Strom, Wärme und Mobilität beschäftigt.

Erste Modellrechnungen gehen bis ins Jahr 2011 zurück, 2014 gab es dann den Praxistest mit EWE, bei dem ein Prototyp der Swarmbox zum Einsatz kam. „Normalerweise verschwinden solche Forschungsergebnisse wieder in der Schublade, aber der Mut von Jens und Tobias zur Ausgründung eines eigenen Unternehmens haben mich beeindruckt“, sagt Irina Weis. Mit einer Box können drei unterschiedliche Anwendungen realisiert werden. Die reinen Anschaffungskosten beginnen bei 500 Euro pro Box. In der Basisversion sammelt die Swarmbox Daten und verarbeitet diese, sodass automatisiert Energieberichte zur Erkennung energieintensiver Verbraucher im Gebäude erstellt werden, zur Anlagenüberwachung und für die optimierte Wartungsplanung.

Gemeinsam mit dem Energie- und Kommunikationsdienstleister EWE haben die Energiekopller 17 Einfamilienhäuser zu einer Energiecommunity zusammengeschlossen und den Stromverbrauch der jeweiligen Abnehmer harmonisiert. Möglich machen das diese kleine weiße B
Gemeinsam mit dem Energie- und Kommunikationsdienstleister EWE haben die Energiekopller 17 Einfamilienhäuser zu einer Energiecommunity zusammengeschlossen und den Stromverbrauch der jeweiligen Abnehmer harmonisiert. Möglich machen das diese kleine weiße B © Ronald Bonß

Für dieses Supervisor-Kit fallen 70 Euro Servicepauschale pro Jahr an. Die zweite Version ist das sogenannte Community-Kit, bei dem ein intelligenter Algorithmus die Erzeugung und den Verbrauch von Energie innerhalb der Gemeinschaft ausgleicht – für eine sichere und unabhängige Versorgung. „Wir bieten den Kunden auf der Versorgerseite auch die Möglichkeit, mit Strom aus Kleinstanlagen zu handeln, was die Kalkulation optimiert“, sagt Irina Weis.

Das System ist selbstlernend und erkennt, wann Waschmaschinen in Betrieb sind und Elektroautos geladen werden. Im Ergebnis wird die Energieanlage so optimiert, dass möglichst wenig Energie zugekauft werden muss. Dieser Service ist für 120 Euro pro Jahr zu haben. Die gleiche Gebühr wird für das Trader-Kit fällig, eine Ausstattung, die für Energieversorger interessant ist, auch für die, die bereits Energiehandel betreiben. „Damit richten wir uns nicht vordergründig an den Endkunden, sondern vor allem an die mittleren und größeren Versorger“, sagt Irina Weis. Sie haben längst erkannt, welche Vorteile eine dezentrale Energiegewinnung bietet. Durch Vernetzung der Kleinstanlagen in Ein- und Mehrfamilienhäusern, in Gewerbegebäuden und Gewerbegebieten profitieren sie durch zusätzliche Erlöse im Energiehandel. Und der Endkunde freut sich über geringere Stromkosten.

Das Interesse an der Geschäftsidee ist groß. „Wir kommen kaum hinterher, die Nachfrage an Swarmboxen zu decken“, sagt Irina Weis. Da wiegt es auch weniger schwer, dass durch die Corona-Pandemie ein interessanter Auftrag geplatzt ist. Der Betreiber eines Ferienparks wollte seine Häuser miteinander zu einem Minikraftwerk vernetzen. Doch die Energiekoppler entdeckten andererseits auch die wenigen Vorzüge der Pandemie. Messen und Kongresse wurden zu virtuellen Veranstaltungen. „Das hat riesige Vorteile, ich kann um 10 Uhr eine Schalte nach Hannover haben und um 13 Uhr schon wieder bei einem Expertentreffen in München dabei sein“, erklärt Irina Weis.

Die Umtriebigkeit der drei Unternehmer überzeugt offenbar auch die Investoren. Eine erste Finanzierungsrunde ging im Dezember 2020 zu Ende. Ein höherer sechsstelliger Betrag kam zusammen, um die Produktion der Swarmboxen zu automatisieren. Und was unterscheidet die Dresdner Gründer von der Konkurrenz? Die kümmere sich um die Vernetzung größerer Anlagen jenseits der 100 Kilowatt. Um es kurz zu machen, das Flexibilitätswerk der Energiekoppler sei automatisiert und standardisiert, sagt Irina Weiß. Damit sei man schneller, kostengünstiger und biete den Kunden die Chance, aus ihrem Strom, Geld zu machen.

Das Erfinder-Projekt „Genial Sächsisch“ findet gemeinsam mit den drei Gründerschmieden Dresden Exists, Saxeed (Chemnitz) und Smile (Leipzig) statt.

Acatech, die Deutsche Akademie der Technikwissenschaften, hat die Serie von 2019 mit dem wichtigsten Preis für Technikjournalismus ausgezeichnet.

Hier noch einmal alle Erfindungen im Überblick:

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