Einst Flutopfer, nun Spender

Als Uwe Billing die ersten Aufnahmen von der Hochwasserkatastrophe an der Ahr sah, lief es ihm kalt den Rücken herunter. „Ich hatte sofort die Bilder von der Flut 2002 und 2013 bei uns in Pirna vor Augen und konnte voll nachvollziehen, was die Menschen dort fühlen. Aber schnell war mir auch klar, dass die Katastrophe im Westen noch viel schlimmere Folgen hat als damals bei uns.“
Dann bekam Uwe Billing noch Fotos von einem ehemaligen Klassenkameraden von einer überfluteten Kita irgendwo im Katastrophengebiet geschickt. Seine erste Reaktion: „Ich muss da hin und helfen. Aber als Chef eines Pirnaer Bestattungshauses kann ich jetzt hier nicht weg. Deshalb wollte ich auf andere Weise helfen und habe Lichtblick 10.000 Euro überwiesen für die tolle Aktion 'Sachsen gibt zurück'."
2002 hat er all die dramatischen Facetten der sächsischen Jahrhundertflut miterlebt. Seiner Mutter in Geising im Erzgebirge hat er geholfen, Haus und Umfeld von Wasser und Schlamm zu befreien, die ein sonst so stiller Gebirgsbach rasend schnell in ein Katastrophengebiet verwandelte. Bei dieser Aktion rutschte einer der Helfer aus und kam ums Leben. Seine Leiche wurde erst Tage später gefunden. „Und in den Büros unseres Bestattungsinstituts in der Pirnaer Innenstadt stand das Wasser so hoch“, sagt Uwe Billing und zeigt mit der Hand auf halbe Wandhöhe. „Nicht einmal, sondern zweimal stand das Wasser so hoch in den Räumen. Erst hatten die Gebirgsflüsse Pirna unter Wasser gesetzt, Tage später noch einmal die Elbe.“ Alles war futsch: die Trockenbauwände, die Fußböden, die Elektrik, die Heizung, die Möbel, die Ausstellungsräume, die Bürotechnik.

Der Schaden betrug insgesamt 120.000 Euro, zum Glück zahlte die Versicherung. Sie genehmigte es auch, dass die Räume der Firma auf mögliche künftige Hochwasser vorbereitet wurden: Trockenwände raus, Mauern rein. Die Elektrik höher verlegt. Praktischer Kunststoffbelag für den Fußboden. Allerdings musste Uwe Billings Vater, der damals noch die Firma führte, seine private Lebensversicherung auflösen, um die Gehälter seiner Mitarbeiter weiter auszahlen zu können. 2013 flutete die Elbe dann noch einmal die Pirnaer Innenstadt. Wieder war auch die Firma betroffen, Uwe Billing hatte sie gerade wenige Monate vorher von seinem Vater übernommen.
Der Schaden war nicht ganz so groß, weil die Hochwasserwarnung diesmal funktionierte und die Einrichtung vorher in die 1. Etage gebracht werden konnte. „Die Versicherung zahlte auch diesmal, verlangt aber jetzt horrende Preise. Ich kann mir vorstellen, wie sich Menschen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz fühlen, die bisher kaum Hochwassererfahrung und deshalb keine Versicherung hatten. Es ist extrem bitter, jetzt ohne Versicherungsschutz dazustehen“, erklärt Uwe Billing einen weiteren Grund für seine Spende. Aber es gibt noch einen, den der Firmenchef nicht verschweigen will. Sein Bestattungsunternehmen hatte in der Coronazeit sehr viel zu tun. Vom Herbst bis zum Frühjahr mussten sie etwa doppelt so viele Beerdigungen organisieren. „Wir fuhren Doppelschichten“, berichtet Uwe Billing. Die Firma hatte deutlich höhere Umsätze, sie hat sich in der Krise konsolidiert.
Seine gute wirtschaftliche Situation ist aber ein weiterer Grund, jetzt Menschen im Westen zu helfen, die gerade alles verloren haben. „Geben und nehmen ist meine Philosophie. Wir haben damals an der Elbe viel Unterstützung erlebt, aus allen Teilen des Landes kam Geld und kamen Helfer. Auch in meiner Firma haben viele Nachbarn und Freunde mit angepackt. Jetzt gebe ich mit Freude zurück.“
So werden die Spenden verteilt:
- Die Leser der SZ haben bereits 925.865,79 Euro für die Menschen im Katastrophengebiet an die Stiftung Lichtblick gespendet (Stand: Freitagmittag).
- Da die Stiftung nicht in der Lage ist, das Geld in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz selbst zu verteilen, hat sie sich vier Zeitungsverlage gesucht, die mitten im Katastrophengebiet liegen. Dies sind die Aachener Nachrichten, die Rhein-Zeitung in Koblenz, die Westfalenpost in Hagen und der Wochenkurier-Verlag in Monschau.
- Diese Zeitungen haben ihre Leser und Leserinnen selbst zu Spenden aufgerufen und werden von Lichtblick je nach Bedarf Spenden der SZ-Leser erhalten, um sie über ihre Organisationen sachgerecht und so schnell wie möglich Menschen zukommen zu lassen, die dringend Hilfe benötigen. Wir werden darüber berichten.
- Spenden an Lichtblick sind noch bis Ende August an folgendes Konto möglich: Ostsächsische Sparkasse Dresden
Stichwort: „Sachsen gibt zurück“
IBAN: DE88 8505 0300 3120 0017 74