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Endlich wieder Eiswein aus Sachsen

Die Süßweinspezialität kommt leider viel zu selten auf den Tisch. Dabei macht sie eines unvergleichlich.

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Endlich wieder Eiswein aus Sachsen.
Endlich wieder Eiswein aus Sachsen. © Arvid Müller/Schloss Wackerbarth/dpa

Von Silvio Nitzsche*

Es ist genau der Moment, in dem jeder Weingenießer, der heimlich vom Winzersein träumt, das Vorhaben in den gedanklichen Mülleimer wirft. Genau zu Weihnachten mussten hiesige Winzer nachts in die Weinberge, um die höchste Kategorie der Qualitätsweinpyramide zu ernten: Eiswein.

Obwohl überall in der Welt Eisweine auf mehr oder weniger natürlichem Wege erzeugt werden, schreibt man diese Besonderheit den deutschen und österreichischen Produzenten zu. Manchmal finde ich es bedauerlich, dass so selten eine Beerenauslese, eine Trockenbeerenauslese oder eben ein Eiswein geöffnet werden. Denn mit kaum einem anderen Wein lernt man so intensiv, Weine zu degustieren – nicht zu trinken, sondern zu verproben. Hier redet man nicht von Schlucken, sondern von Tropfen. Nicht ohne Grund nennen viele Weintrinker diese Weine „Engelspipi“.

Ob man diesen Geschmack mag oder nicht: Der Aufwand, der dahintersteht, ist enorm. Die Herstellung ist risikoreich, weil nicht planbar. Zudem beträgt die Erntemenge nur den Bruchteil eines herkömmlichen Weines, was die relativ hohen Preise erklärt. Das Mostgewicht muss, in Deutschland und Österreich zumindest, einer Beerenauslese entsprechen. Eiswein kann aber nur aus vollreifen Trauben bereitet werden. Frieren die Trauben in unreifem Zustand, dann ist der gesamte Traubensaft gefroren und es lässt sich kein höheres Zuckerkonzentrat abpressen. Die möglichst gesunden Trauben müssen bis zum Frosteintritt am Rebstock belassen werden. Sie dürfen erst geerntet werden, wenn die Außentemperatur mindestens fünf Stunden auf unter minus sieben Grad Celsius abfällt. Der zuckerreiche Most hat einen wesentlich tieferen Gefrierpunkt als Wasser.

Die meisten Eisweinlesen finden zwischen ein bis vier Uhr statt. Und wenn es dann noch, wie 2021, Weihnachten ist, wird der Wein emotional unbezahlbar.

Die Trauben müssen danach möglichst schnell und noch vollständig gepresst werden. Dabei wird der konzentrierte Traubensaft mit allen extrakt- und zuckerreichen Inhaltsstoffen von den Eiskristallen getrennt. Dies wird von einem amtlichen Prüforgan an Ort und Stelle geprüft. Damit das Mostgewicht nicht absinkt, darf – aus gesetzlichen und qualitativen Gründen – der Presskuchen nur wenig antauen.

Der erste nachweislich dokumentierte Eiswein Deutschlands wurde am 11. Februar 1830 in Dromersheim bei Bingen gelesen, im heutigen Anbaugebiet Rheinhessen. Für das 19. Jahrhundert sind aber in Deutschland nur sechs Eisweinjahre schriftlich dokumentiert.

Heute versucht man, ein funktionierendes Modell gleich zu kommerzialisieren. So gibt es Versuche, in riesigen Gefrierschränken Eisweine künstlich herzustellen oder durch Gefrierkonzentration ähnliche Produkte zu erzeugen. 2001 hat die EU die geschützte Bezeichnung Icewine für den europäischen Markt gebilligt und damit den österreichischen und deutschen Eisweinen den kanadischen Markt geöffnet.

Viele Winzer beklagen, dass in den letzten Jahren zumindest im Inland so wenig Eiswein gekauft wird und die Nachfragen eher aus dem asiatischen Raum kommen. Natürlich ist es durchaus dem hohen zwei-, nicht selten dreistelligen Preis für die halbe Flasche zuzusprechen. Doch was gibt es Großartigeres, als sich gemeinsam in der Familie ein Fläschchen Süßwein vom Vorjahr zu schenken. Wenn eines diese Weine unvergleichlich macht, dann ist es ihre ewige Haltbarkeit. Sie sind, als trügen sie das ewige Leben in sich.