Sachsen
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Endspurt um Sachsens Wege und Straßen

Sachsens Städte und Gemeinden haben noch vier Wochen Zeit, um sich die Rechte auf wichtige Straßen und Wege zu sichern – sonst droht Ärger.

Von Gunnar Saft & Bettina Spiekert
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Straßen und Wege, die bis zum Jahresende nicht für eine öffentlichen Nutzung im Straßenverzeichnis eingetragen sind, könnten ab 2023 mancher sächsischen Kommune Probleme bereiten.
Straßen und Wege, die bis zum Jahresende nicht für eine öffentlichen Nutzung im Straßenverzeichnis eingetragen sind, könnten ab 2023 mancher sächsischen Kommune Probleme bereiten. © Matthias Weber

Der Countdown läuft und setzt einige Kommunen im Freistaat unter Druck. Noch bis zum Jahresende haben sie Zeit, örtliche Straßen und Wege in ein offizielles Bestandsverzeichnis eintragen zu lassen, um für diese, wie es das Amtsdeutsch beschreibt, eine dauerhafte „öffentliche Widmung“ festzuschreiben. Damit sichern sie sich öffentliche Nutzungsrechte, unabhängig davon, wer im konkreten Fall der Eigentümer der Straßen und Wege ist. Wird der Termin verpasst, ist eine öffentliche Widmung zwar immer noch möglich, allein, die Kommunen sind dann von einer Zustimmung der Eigentümer abhängig.

Ein kompliziertes, aber in der Praxis äußerst wichtiges Verfahren, da es mitunter darüber entscheidet, ob die jeweiligen Wege und Straßen weiterhin für alle zur Verfügung stehen. Oder, wie es beispielsweise die eigens aus diesem Anlass gegründete Initiative „Sachsens Wege“ befürchtet, im schlimmsten Fall ab 2023 zu Privatwegen werden – mit allen möglichen Einschränkungen inklusive.

„Viele Städte und Gemeinden in Sachsen haben diese Gesetzesnovelle bislang ignoriert. Sei es aus Personalknappheit, oder auch durch fehlende Unterstützung durch den Freistaat bei den Wegen unterhalb der Gemeindestraßen“, warnt mit Ivo Partschefeld ein Gründungsmitglied der Initiative und selbst lange Sachgebietsleiter im Bauamt einer Erzgebirgsgemeinde. Er befürchtet, bis zu 5.000 Kilometer an öffentlich Wegen, die zurzeit von der Land- und Forstwirtschaft, von Radfahrern, Wanderern, Reitern oder Spaziergängern genutzt werden, könnten ab kommenden Jahr Privatwege werden – wenn die Kommunen nicht rechtzeitig auf die bereits 2019 beschlossene Neuregelung im sächsischen Straßengesetz reagieren.

Bei manchen Wegen fehlen die Eintragungen

Eine Gefahr, die auch die Linksfraktion im Landtag sieht und deshalb bereits vor mehr als zwei Jahren einen Gesetzentwurf „Zum Schutz des Bestands öffentlicher Straßen, Wege und Plätze im Freistaat Sachsen“ ins Parlament einbrachte. Damit wollte man sicherstellen, dass alle derzeit öffentlich genutzten Wege auch über 2023 hinaus erhalten bleiben. Die Abgeordnete Antje Feiks und Fraktionssprecherin für den ländlichen Raum warnte damals eindringlich: „Ich sehe vor mir schon den weggepflügten Wanderweg, den umzäunten Badesee oder das ,Privatweg‘-Schild auf einem Reit- und Radweg.“ Doch die Gesetzesänderung, die den öffentlichen Status betroffener Straßen und Wege gesichert und den Kommunen Zeit bis 2029 für das Eintragen ins Bestandsverzeichnis eingeräumt hätte, wurde im Vorjahr abgelehnt.

Feiks ist enttäuscht: „Seitdem war im Landtag keinerlei Bewegung aufseiten der Koalition erkennbar. Uns ist nicht bekannt, dass die Frist verlängert worden wäre. Wir hören aus einzelnen Kommunen, dass dort die öffentliche Widmung von Wegen beantragt und teils durch die Verwaltung abgelehnt wird. Da die Landtagsmehrheit das Problem nicht angehen wollte, bleibt nur zu hoffen, dass möglichst viele derzeit öffentlich genutzt Straßen, Wege und Plätze der Öffentlichkeit erhalten bleiben.“ Im nächsten Jahr will sie das mithilfe einer parlamentarischen Anfrage überprüfen.

Beim Sächsischen Städte- und Gemeindetag, der fast alle der über 400 Kommunen im Freistaat vertritt, sieht man die Situation etwas entspannter. Geschäftsführer Mischa Woitscheck: „Zur fachlichen Unterstützung haben wir für unsere Mitglieder 2021 und 2022 zahlreiche Informationsveranstaltungen angeboten. Die ganz überwiegende Zahl der Kommunen haben die offenen Fragen und Fälle rechtzeitig geklärt.“ Ein Problem stellen seiner Meinung nach nur noch Straßen und Wege dar, bei denen das Grundeigentum nicht in öffentlicher Hand ist und jegliche Eintragungen fehlen.

Mit der Widmung sind auch Kosten verbunden

Es sei dagegen aber nicht erforderlich, bei allen vorhandenen Eintragungen vermeintliche und tatsächliche Fehler bis zum 31. Dezember dieses Jahres zu bereinigen. „Sollten jetzt oder später Verfahrensfehler oder inhaltliche Fehler festgestellt werden, kann eine Fehlerbehebung jederzeit nachgeholt werden.“

Der kommunale Spitzenverband moniert außerdem die Zahlen, die von „Sachsens Wege“ in Umlauf gebracht werden. Diese würden von der Annahme ausgehen, dass praktisch der gesamte Wegebestand in Wald und freier Flur für eine Eintragung in das Bestandsverzeichnis in Betracht zu ziehen ist. „Wir halten diese Interpretation der Gesetze für nicht zutreffend.“

Ein Problem gibt es für viele Kommunen dennoch. So ist die konkrete Entscheidung, ob man Wege oder Straßen „öffentlich widmet“ stets ein schwieriger Spagat. Denn dem Vorteil der gesicherten Nutzungsrechte steht die sogenannte Baulast und damit die Unterhaltungskosten entgegen, für die man im Fall der Fälle dauerhaft aufkommen muss. Logisch, dass jetzt nicht jede sächsische Gemeinde unbedingt Anspruch auf alle in ihrem Verantwortungsbereich verfügbaren Wege erheben will.