Die Bauern sind ihre Tester. Wenn Kerstin May etwas Neues probiert, kocht sie es zuerst für "meine Bauerchen". Die kommen täglich zum Mittag in die Gersdorfer "Feldküche". Was der Bauer nicht kennt, das ist er nicht? Ganz so ist es nicht. "Doch die Bauern sagen klipp und klar, was geht und was nicht", sagt Kerstin May. Auf Puten-Curry mit Reis ließen sie sich ein. Geschmortes Gemüse oder Brokkoli-Auflauf hingegen nicht. "Wo ist da das Fleisch?", fragen sie.
Kerstin May hat die Feldküche in Gersdorf 2017 übernommen, kannte sie aber schon lange zuvor. 2009 hatte sie sich bei ihrer Vorgängerin das Gastronomie-Einmaleins angeeignet und dann in Borna eine Gaststätte geführt. Die 55-Jährige stammt aus dem Erzgebirge und lernte bei der Plauener Spitze. Dort gehörte sie 1990 zu den Ersten, die entlassen wurden. So kam sie zur Gastronomie und aufs Dorf und will von beidem nicht wieder weg. "Auch wenn es hier jeden Tag ein harter Überlebenskampf ist."
Schuleingänge für 2025 und 2026 schon ausgebucht
Mit einer Angestellten und drei Pauschalkräften bietet sie Frühstück an und beliefert damit auch das Finanzamt in Pirna. Sie kocht täglich 140 Portionen Mittagessen für drei Kindergärten und für etwa 40 Senioren, denen sie es nach Hause bringt. Dazu kommen die Bauern und Handwerker in der "Feldküche". Zwei weitere Standbeine sind das Catering und die Feiern im Haus. Zu den Schuleingängen 2025 und 2026 sind beide Möglichkeiten schon ausgebucht. Wer bei Kerstin May feiern oder ein Catering will, muss ein halbes Jahr vorher bestellen. Die Größe ist kein Problem: Büfetts für bis zu 300 Personen liefert sie vor allem nach Pirna.
Nur in der Weihnachtszeit wird es etwas ruhiger. "Ich mache die Feiern, die schon immer hier stattfinden, ansonsten gehört die Zeit der Familie, die sonst das ganze Jahr zu kurz kommt", sagt Kerstin May. Außerdem kommt in der Weihnachtszeit wieder ihre erzgebirgische Herkunft durch.
Von Bauernfrühstück bis Sushi
Als Kerstin May 2017 begann, hat die Agrargenossenschaft als Vermieter vieles modernisiert. So wird das Büfett für Feiern im Saal jetzt in einem kleinen Raum vorbereitet. Wenn es fertig ist, wird die Schiebetür geöffnet. Das ist entspannter für Gäste und Personal. Außerdem gibt es eine kleine Bar in einem separaten Raum.
Das Mittagessen in der Woche kostet sechs Euro - jeden Tag, egal ob Suppe oder Fleisch. Begonnen hatte sie vor sieben Jahren mit 3,50 Euro. "Neun Euro funktioniert nicht", sagt Kerstin May. Deshalb gibt es bei ihr zum Beispiel auch keinen Lachs. "Und bei Schnitzel für 25 Euro würden die Leute auf dem Dorf sagen: Kerstin, du spinnst wohl." Neben Roulade vom Rind "aus unserer Agrargenossenschaft" sind Puten-Thai-Curry, Hähnchen mit Mozzarella und Tomate sowie frisches Sushi die gefragtesten Speisen bei ihren Büfetts. Natürlich gibt es in der Feldküche auch Klassiker wie Bauernfrühstück.
Nie eine andere Gaststätte, nie ein anderer Name
Auf dem Dorf ist alles ein bisschen anders. Die Leute sind geradeheraus, die Wirtin ist ihre Nachbarin und wenn es den Leuten nicht passt, fahren sie in die Stadt. Und: Ein schlechter Ruf spricht sich schneller herum als ein guter, sagt Kerstin May. "Es ist ein Leben mit und auf dem Dorf, da muss man gut miteinander auskommen." Veränderungen machen keinen Bogen ums Dorf, aber man muss sie und sich anpassen. Verändert haben sich nach der Corona-Zeit auch die Feiern. Waren früher 60 bis 70 Leute zu einer Feier normal, sind heute 35 viel. Im Saal haben 70 Personen Platz. Nur beim Kaffeetrinken nach Beerdigungen reicht er gerade so.
In der Gastronomie ist kein Wochenende frei, schließlich finden Feiern in der Regel sonnabends statt. Manchmal, wenn alle Fotos von ihren Ausflügen posten, denkt Kerstin May: "Hätte ich vielleicht doch was anderes machen sollen?" Aber lange denkt sie das nicht. Wenn sie ihre zufriedenen Gäste sieht, weiß sie: Es lohnt sich. Es ist nicht leicht auf dem Dorf, trotzdem wollte Kerstin May nie eine andere Gaststätte. "Und nie einen anderen Namen als Feldküche."