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Die Provinz als Serien-Hotspot

Das Görlitzer Jugendstilkaufhaus ist die Kulisse für die 20er-Jahre-Serie "Torstraße 1". Sie ist längst nicht das einzige Filmprojekt in der Lausitz.

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Im Mittelpunkt der "Torstraße 1" steht jenes Kaufhaus "Jonass" in Berlin, das sein Pendant in dem Jugendstilbau in Görlitz gefunden hat.
Im Mittelpunkt der "Torstraße 1" steht jenes Kaufhaus "Jonass" in Berlin, das sein Pendant in dem Jugendstilbau in Görlitz gefunden hat. © Stephan Zwickirsch/TVNOW/dpa

Görlitz/Lauchhammer/Bautzen. Es weht ein Hauch 20er Jahre durch das Kaufhaus in Görlitz. "Jonass" steht in großen Lettern auf der braunen Wandvertäfelung. In den Glasvitrinen liegen stilecht Schirme und Schuhe von anno dazumal. Die Szenerie ist eingerichtet für das Serien-Großprojekt "Torstraße 1". Seit Ende August wird hier die Geschichte von außergewöhnlichen Frauen, eines legendären Kaufhauses und einer großen Liebe gedreht. Doch nicht nur in "Görliwood" heißt es derzeit: "Klappe, die Erste, Kamera läuft".

Im Mittelpunkt der "Torstraße 1" (Streamingdienst TVnow) steht jenes Kaufhaus "Jonass" in Berlin, das sein Pendant in dem Jugendstilbau in Görlitz gefunden hat. Das imposante Gebäude ist kameraerprobt. Unter anderem diente es Hollywood-Regisseur Wes Andersons für seinen oscarprämierten Film "The Grand Budapest Hotel" als Kulisse. Für die X Filme-Produktion entsteht nun ein zwölfteiliges Familien-Epos. Als Vorlage dient der Bestseller "Torstraße 1" von Sybil Volks. Er lässt das Berlin ab den späten 1920er Jahren aus der Perspektive einer jungen Frau und einer jüdischen Kaufhaus-Familie wieder aufleben.

Neben Görlitz sind Berlin und Brandenburg weitere Drehorte. Die Produktion der Serie wird von der Mitteldeutsche Medienförderung (MDM) mit 1,4 Millionen Euro unterstützt. "Wir sind stolz darauf, dass mit "Torstraße 1" eine ambitionierte High-End-Serie in Sachsen realisiert wird", sagt MDM-Geschäftsführer Claas Danielsen. X Filme drehte auch die Erfolgsserie "Babylon Berlin".

Blick von der Görlitzer Peterskirche auf die Innenstadt mit dem Rathaus: In der Region entstehen derzeit mehrere Filmprojekte.
Blick von der Görlitzer Peterskirche auf die Innenstadt mit dem Rathaus: In der Region entstehen derzeit mehrere Filmprojekte. © dpa/Sebastian Kahnert

Dessen Produzent Stefan Arndt ist gern mit seinem Team an die Neiße gekommen: "Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sind schon seit langem Drehorte unserer Produktionen gewesen. Anders als in der Vergangenheit ist dieses Projekt aber ein langfristiges Investment, denn es gibt eine Vielzahl von Geschichten, die wir in der "Torstraße 1" erzählen wollen." Das könne dazu beitragen, den strukturellen Wandel in der Region zu gestalten.

Vor der Kamera stehen bis Oktober etwa Nina Kunzendorf, Alexander Scheer und Samuel Finzi. Allein 1.500 Komparsen werden für 1.200 Einsatztage benötigt. "Filmproduzenten schätzen unsere Stadt", sagt der Görlitzer Oberbürgermeister Octavian Ursu (CDU). Sie sei ein besonderer und vielfältiger Drehort, an dem sie sich sehr willkommen fühlten. "Das sind beste Voraussetzungen dafür, Görlitz als Filmstandort weiter zu etablieren." Durch die Gründung des Filmbüros und einer Filmakademie mit Unterstützung der Hochschule soll eine verlässliche Infrastruktur geschaffen werden, um dauerhaft Filmproduktionen in Görlitz zu haben und halten.

Für den Dreh wurde das "Kaufhaus Jonass" auf rund zweitausend Quadratmetern in Görlitz nachempfunden. Den Haupt-Schauplatz der Serie gibt es bis heute: Das Soho House in der Torstraße 1 in Berlin. Dort gründete 1929 die jüdische Familie Gollhuber das erste Kreditkaufhaus der Stadt. Nach Hitlers Machtergreifung emigrierte Hermann Gollhuber in die USA, wo er wenig später starb. Ab 1942 bis Kriegsende nutzte die Hitlerjugend das Gebäude, in der DDR wurde es unter anderem als SED-Institut genutzt. 1996 erhielten die Erben des ursprünglichen Besitzers die Immobilie zurück und verkauften sie an eine Investorengruppe, die im Mai 2010 das Soho House Berlin, einen Edelclub mit Hotel, eröffnete.

Und noch mehr Filmprojekte gibt es in Görlitz: Gemeinsam vor der Kamera stehen ab Mitte September David Hasselhoff und Henry Hübchen. Die Schauspieler spielen sich in der Comedy-Thriller-Serie "Ze Network" (TVnow) selbst. Acht Folgen sind geplant. Neben Görlitz wird in Berlin, Polen, Kroatien und Marokko gedreht. Die Ausstrahlung ist für Herbst 2022 per Streamingdienst geplant.

Doch nicht nur in Görlitz kann man derzeit Schauspieler auf der Straße treffen. An Originalschauplätzen im sächsisch-brandenburgischen Braunkohlerevier entsteht derzeit in Koproduktion zwischen ARD und Arte der Mehrteiler mit dem Arbeitstitel "Lauchhammer". In der Krimiserie spielt Mišel Matičević ("Babylon Berlin") einen ermittelnden Lausitz-Rückkehrer.

Für "Lauchhammer" wurde neben der namensgebenden Stadt im Landkreis Bautzen in Kamenz, Bautzen, Hoyerswerda, Seitschen sowie im brandenburgischen Welzow gedreht. Ausstrahlungstermin des Sechsteilers ist nach MDR-Angaben voraussichtlich Ende 2022.

Die Foto-Montage der ARD zeigt LKA-Ermittler Maik Briegand (Misel Maticevic) und Kommissarin Annalena Gottknecht (Odine Johne) als Hauptdarsteller des Mehrteilers "Lauchhammer".
Die Foto-Montage der ARD zeigt LKA-Ermittler Maik Briegand (Misel Maticevic) und Kommissarin Annalena Gottknecht (Odine Johne) als Hauptdarsteller des Mehrteilers "Lauchhammer". © Steffen Junghans/ARD/dpa

Auch der kleine sorbische Ort Crostwitz im Landkreis Bautzen wurde diesen Sommer zum Drehort. Für die MDR-Streaming-Serie "Straight Outta Crostwitz" standen dort Ende August Jasna Fritzi Bauer und Volker Zack vor der Kamera. Regie führte das Duo Daniel Lwowski und Andreas Nowak (bekannt als der Schlagzeuger der Bautzener Band Silbermond). Die Freunde haben auch die Idee für den Mini-Vierteiler aufs Papier gebracht - und zwar für eine MDR-Ausschreibung unter dem Titel "Mein Schwein pfeift". Gesucht wurden Formate, die das Lebensgefühl auf dem Land fiktional und humorvoll erzählen.

Volker Zack (l-r), Andreas Nowak, Janina Brankatschk, Jasna Fritzi Bauer, Daniel Lwowski und Steven Preisner stehen beim Drehstart für die MDR-Serie «Straight Outta Crostwitz» zusammen.
Volker Zack (l-r), Andreas Nowak, Janina Brankatschk, Jasna Fritzi Bauer, Daniel Lwowski und Steven Preisner stehen beim Drehstart für die MDR-Serie «Straight Outta Crostwitz» zusammen. © Archivfoto: dpa/Diane Betties

Aus 150 Einreichungen wurden drei Vorschläge für Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen ausgesucht. "Das sorbische Thema bot sich an. Wir glauben, dass die Mehrheit in Deutschland dieses kleine slawische Volk nicht kennt. Wir wollten einen Teil der sorbischen Lebenswelt bundesweit sichtbar machen und zeigen: Dort in der Lausitz gibt es eine interessante Kultur", sagt Daniel Lwowski.

In der Mini-Serie tingelt die junge Sorbin (Jasna Fritzi Bauer) mit ihrem Vater (Volker Zack) als Schlager-Duo durch die Lausitzer Säle. Statt über Liebe und Herzschmerz zu singen, möchte sie aber viel lieber auf Sorbisch rappen. Da hat sie die Rechnung ohne den konservativen Altvorderen gemacht. "Es war eine schöne Aufgabe, in die Kultur des sorbischen Volkes einzutauchen", sagt Volker Zack.

Die Regisseure kümmern sich bereits um die Nachbereitung des gedrehten Materials. "Wir haben jetzt Zeit für den Schneideraum, für Ton, Farbkorrektur und Musik. Der Streaming-Start ist für 2022 geplant", sagt Lwowski. Für die beiden anderen Serienideen aus Thüringen und Sachsen-Anhalt beginnen erst die Dreharbeiten. (dpa)