Bilder von Staus an der deutsch-tschechischen Grenze gehören seit 2004 eigentlich der Vergangenheit an. Damals traten Sachsens Nachbarländer Tschechien und Polen der EU bei. Ein Virus hat es nun geschafft, dass die Uhren zurückgedreht werden. Seit Sonntag gelten verschärfte Kontrollen bei der Einreise aus Tschechien. Die ist nur noch in Ausnahmefällen möglich. Das sorgte am Montagmorgen an der deutsch-tschechischen Grenze für kilometerlange Staus – unter anderem an der Autobahn D 8/A 17 von Prag nach Dresden .
Am Vormittag reichte er für Lastkraftwagen schon bis in das etwa 25 Kilometer entfernte Ústí nad Labem (Aussig an der Elbe). Die Bundespolizeidirektion Pirna rechnete im Tagesverlauf mit mehreren Stunden Wartezeit. Bundespolizeisprecher Christian Meinhold bezeichnete die Situation als angespannt. Man habe aber sofort reagiert und Hilfsorganisationen gebeten, sich um die Betroffenen in ihren Fahrzeugen zu kümmern.
Das war bei klirrendem Frost auch dringend nötig. An der Grenze in Klingenthal (Vogtland) bibberten die Bundespolizisten am Montagmorgen bei -18,5 Grad Celsius, in Breitenau an der Autobahn war es nicht viel besser. Nach Angaben der Bundespolizei waren in Breitenau das Deutsche Rote Kreuz und die Johanniter im Einsatz, um etwa heißen Tee und bei Bedarf auch Decken bereitstellen.
Für den Güterverkehr hatte man an der A 17 eine vorgelagerte Kontrollstelle eingerichtet, um die Abfertigung zu beschleunigen. Denn was für das Prozedere notwendig ist, hat sich offenkundig noch nicht bei allen herumgesprochen. Die Bundespolizei zeigte sich auch am Montag überrascht davon, dass viele Reisende weder die digitale Einreiseanmeldung noch einen aktuellen Corona-Test vorweisen konnten. Beides kann bei der Einreise zwar ausgefüllt beziehungsweise nachgeholt werden, aber das kostet Zeit.
Test-Infrastruktur völlig umsonst?
Ein Problem sind die Grenzkontrollen vor allem für Firmen. Der Zittauer Geschäftstellenleiter der Industrie- und Handelskammer (IHK) Dresden, Matthias Schwarzbach, kritisiert daher die Kurzfristigkeit der Entscheidung. „Innerhalb von 48 Stunden können die Unternehmen keinen Ersatz finden oder ihre Mitarbeiter aus Tschechien überreden, Quartier in Deutschland zu beziehen“, sagte er am Montag.
Zudem hätten viele sächsische Unternehmer vor vier Wochen eine Test-Infrastruktur aufgebaut, die jetzt schon wieder obsolet sei. Schwarzbach sieht zudem die Gefahr, dass mittelfristig tschechische Arbeitnehmer dem deutschen Arbeitsmarkt verloren gehen könnten und sie sich wieder in ihrer Heimat eine Arbeit suchen.

Rund 8.900 tschechische Grenzgänger sind in Sachsen beschäftigt. Diese Zahl der Arbeitsagentur ist allerdings von Mitte vorigen Jahres und enthält auch 1.200 Tschechen in Gastronomie- und Hotelbetrieben, die wegen Corona zum großen Teil geschlossen sind. Im sächsischen Gesundheitswesen sind rund 300 tschechische Pendler beschäftigt, in Metallbetrieben 800. Anders als im vorigen Frühjahr zahlt die Arbeitsagentur jetzt auch Kurzarbeitergeld für die Pendler, die wegen Grenzschließung nicht mehr zur Arbeit kommen können. Unternehmer hatten befürchtet, dass sie sich sonst krank melden. Allerdings müssen die Betriebe den Arbeitsausfall bei der Agentur anzeigen, sie sollten sich an deren Hotline beraten lassen: für Dresden und Ostsachsen 0351 2885-2031.
Der Landesverband des sächsischen Verkehrsgewerbes (LSV) schlägt vor, dass Selbstschnelltests von Fahrern auch ohne ärztliches Attest akzeptiert werden, bis ausreichende Testkapazitäten an den Grenzen zur Verfügung stehen. Die Forderung hatte schon der Bundesverband BGL aufgestellt. Dessen Vorstandssprecher Dirk Engelhardt hatte „schnellstens eine praktikable Teststrategie“ verlangt. „Wer ohne Ausnahme für den Güterverkehr negative Corona-Tests vor der Einreise fordert, muss auch dazu sagen, wo man diese Tests machen kann“, so Engelhardt. Nur so könnten ein Abreißen der Lieferketten und Versorgungsengpässe verhindert werden.
"Undifferenzierte Blockade"
An Spekulationen zur weiteren Entwicklung will sich LSV Geschäftsführer Dietmar von der Linde nicht beteiligen. Aus seiner Sicht wäre es „ein riesiges Problem, wenn hierzulande beschäftigte ausländische Fahrer nicht mehr nach Sachsen einreisen dürften“. Sie kämen mit ihrem Pkw ins Land, würden ihr Auto abstellen und sich dann ans Lkw-Steuer setzen. „Wenn diese Leute nicht mehr reinkommen, ist alles zu spät“, warnt der Chef dieses Berufs- und Arbeitgeberverbands.
Der sächsische DGB-Vorsitzende Markus Schlimbach und Arbeitgeberpräsident Dr. Jörg Brückner appellierten in einer gemeinsamen Erklärung an die Landesregierung, dass der politische und wirtschaftliche Schaden der Pandemie-Bekämpfung nicht noch größer werden dürfe. "Alle Betriebe stehen im Wettbewerb. Alle Betriebe haben ein fundamentales Interesse daran, dass ihre Beschäftigten, ganz gleich, ob es deutsche, tschechische oder polnische sind, gesund bleiben", sagen Schlimbach und Brückner.
Man brauche alle Arbeitnehmer hier in Sachsen, nicht nur jene in Gesundheitsberufen. "Und Sachsen? Lässt unsere Nachbarn nicht zur Arbeit kommen, nur jene, die man gerade besonders braucht." Diese "undifferenzierte Blockade der Politik" werde Sachsen teuer zu stehen kommen: "Die Beschäftigten aus den Nachbarländern werden nicht vergessen, wer dafür verantwortlich ist.“
Autobauer ohne Probleme
Die Werke von VW, Porsche und BMW sind dagegen nach eigenen Angaben nicht von Lieferproblemen durch die verstärkten Grenzkontrollen betroffen. Man sei im engen Austausch mit den Spediteuren, hieß es etwa bei Porsche in Leipzig. „In den Volkswagen-Werken gibt es bislang noch keine Engpässe wegen fehlender Teile aus dem Lkw-Grenzverkehr, auch nicht in den sächsischen VW-Werken Zwickau, Chemnitz und Dresden. Für den heutigen Montag werden keine Einschränkungen erwartet“, sagte der Sprecher von VW Sachsen.
Das BMW-Werk in Leipzig befindet sich mit Ausnahme des BMW i3 in einer standardmäßigen Produktionsunterbrechung, die seit Monaten geplant ist. „ Daher betreffen uns die verschärften Einreiseregeln nur am Rande“, so der Sprecher. (mit dpa)