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Handwerk klagt über horrende Preise

Akuter Materialmangel und hohe Einkaufspreise machen nicht nur dem Bau zu schaffen. Jetzt soll es die Politik richten.

Von Michael Rothe
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Der Holzbaubetrieb von Ralf Lepski hat noch für zwei Monate Material, dann wird’s eng. Der Handwerksmeister fordert vom Freistaat als hierzulande größtem Waldbesitzer eine Strategie.
Der Holzbaubetrieb von Ralf Lepski hat noch für zwei Monate Material, dann wird’s eng. Der Handwerksmeister fordert vom Freistaat als hierzulande größtem Waldbesitzer eine Strategie. © Arvid Müller

Dem Dresdner Holzbauer Ralf Lepski tut es in der Seele weh, wenn er große Balken zerschneiden muss – nur um an dünnes Brettschichtholz zu kommen, das es derzeit nicht zu kaufen gibt. „Das ist doch krank“, schimpft der Firmenchef, auch wegen des unnötigen Abfalls, der im Feuer landet. Sein Betrieb mit 32 Mitarbeitenden fertigt auch Wände für Häuser und Aufbauten auf Mehrgeschosser. Obwohl es genug Holz in Sachsen gibt, sind die Lager der Händler leer – auch weil Waldbesitzer und Sägewerke lieber nach Übersee verkaufen, wo sie noch höhere Preise erzielen als daheim (SZ berichtete am Wochenende).

„Wir müssen die Wertschöpfung in Sachsen behalten“, fordert der 52-Jährige, der sich als Landesinnungsobermeister der Zimmerer und Holzbauer vor allem um „kleine Schäfchen der Branche“ sorgt. Betriebe mit zwei, drei Leuten seien Mangel und Teuerung kaum gewachsen, könnten Aufträge nicht vollenden, hätten Liquiditätsprobleme und gerieten in Existenznot.

Viele Jahre hatten Bau- und Ausbaugewerbe keine Sorgen, lief das Geschäft prächtig. Gut ein Jahr nach Beginn der Pandemie wird auch die so zuverlässige Konjunkturstütze von Corona eingeholt. „Wir hinken immer ein halbes Jahr hinterher, das war schon nach der Finanzkrise 2009 so“, sagt Lepski, dessen Firma rund 2,3 Millionen Euro Jahresumsatz erwirtschaftet.

84 Prozent der Unternehmen kämpfen mit Krisenfolgen

Doch nicht nur der Bau klagt. Betriebsschließungen, Auftrags- und Umsatzrückgänge sowie Materialengpässe haben branchenübergreifend das Geschäftsklima eingetrübt. Das Mittel aus Geschäftslage und Erwartungen der Betriebe liege unter dem Niveau der Vorjahre – so das Fazit der jüngsten Konjunkturumfrage der Dresdner Handwerkskammer. „Der sonst zur Jahreszeit übliche konjunkturelle Aufschwung bleibt im zweiten Corona-Frühjahr in Folge aus“, sagt Hauptgeschäftsführer Andreas Brzezinski. Kfz-Gewerbe, Friseure, Kosmetiker, Kunsthandwerker litten besonders.

Über alle Branchen beklagt ein Drittel der Unternehmer rückläufige Aufträge. Die Zahl der Beschäftigten ist aber nur leicht rückläufig entwickelt, da viele Inhaber ihr Personal halten wollen. Bau- und Ausbau sind zwar noch auf relativ hohem Niveau, doch auch dort zieht nach Boomjahren mit Sektlaune Katzenjammer ein. „93 Prozent der Inhaber berichten von gestiegenen Einkaufspreisen für benötigtes Baumaterial, wie etwa Hölzer, Metalle oder vorgefertigte Bauteile“, sagt Kammerchef Brzezinski.

Mittlerweile kämpfen 84 Prozent der Unternehmen mit den Krisenfolgen. Gut die Hälfte berichtet von Umsatzausfällen durch die Pandemie – mehr als doppelt so viele wie Anfang Januar. Erstmals melden auch zahlreiche Betriebe aus den Bereichen Elektro und Metall, Holz, Bau und Ausbau rückläufige Geschäfte.

Noch nicht alle Finanzhilfen ausgezahlt

Die Dresdner Kammerführung nennt die Lage „besorgniserregend“. Anhaltende Umsatzrückgänge wirkten sich bedrohlich auf die Liquidität der Betriebe aus, sagt Präsident Jörg Dittrich. Daher sei es umso wichtiger, „dass die vollständige Auszahlung der versprochenen Finanzhilfen durch die Sächsische Aufbaubank an Fahrt aufnimmt“. Noch seien 210 Millionen Euro offen, beruft sich Dittrich auf die Aufbaubank. Zudem gebe es meist nur Abschlagszahlungen, „und die helfen langfristig nicht weiter“, moniert der Dresdner Dachdeckermeister. Mehrkosten für Hygienemaßnahmen, fehlendes Personal und Material, stornierte Aufträge und Betriebsschließungen spitzten die Lage weiter zu.

„Die Betriebe brauchen Planungs- und Rechtssicherheit“, fordert der Präsident eine langfristige Krisenstrategie der Politik. „Ein ständiger Wechsel zwischen Öffnung und Schließung und extrem kurzfristig angekündigte neue Auflagen sind eine unnötige Belastungsprobe für alle Beteiligten“, sagt er. Auch dürfe Corona nicht zum Wahlkampf-Spielball werden, so der 51-Jährige mit Blick auf die Bundestagswahl. Das Handwerk ist insgesamt unzufrieden mit dem Krisenmanagement der Politik. Landkreise und Städte, die die Beschlüsse von Bund und Freistaat umsetzen, kommen bei der Kritik noch am besten weg.

Derweil ändert sich der Blick der gut 22.000 Kammermitglieder auf das Impfen: Im Vergleich zum Januar hat sich ihre Impfbereitschaft mit nun 57 Prozent versechsfacht – vorausgesetzt, sie können den Impfstoff wählen. Nach Aufhebung der Impfpriorisierung sei es „an der Zeit, die Bevölkerungsgruppen zu impfen, die das Wirtschaftsleben aufrechterhalten“, fordert der Kammerpräsident.

Der Staat in der Pflicht?

Bleiben Materialnot und galoppierende Preise, unter denen 80 Prozent der Betriebe leiden. Viele können ihre Kalkulation nicht mehr halten. Land, Bund und Kommunen müssten den Betrieben ermöglichen, die Mehrkosten auf öffentliche Aufträge umzulegen, so die Forderung der Kammer – „ein Fall von höherer Gewalt“. Beim öffentlichen Nahverkehr und anderswo habe es auch Lösungen gegeben, sagt Dittrich. Nicht nur in der Autobranche und bei Corona-Masken gebe es verletzliche Lieferketten, auch bei Baumaterial, argumentiert er.

Wirtschaftsmacht in Sorge:

Sachsens Handwerk steht mit rund 56.000 Betrieben für fast 20 Prozent der Wirtschaftsleistung im Freistaat sowie für jede dritte Lehrstelle.

Mit je 30 Prozent Anteil sind die Gewerbe Bau und Metall/Elektro mit großem Abstand am stärksten vertreten.

Die Handwerksdichte liegt in Sachsen mit 14 Betrieben pro 1.000 Einwohner über dem Bundesmittel von zwölf.

Zum Kammerbezirk gehören Dresden und die Kreise Görlitz, Meißen, Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, Bautzen.

Für ihre Umfrage zur Corona-Betroffenheit befragte die Kammer Anfang Januar 1.971 ihrer 22.300 Mitgliedsbetriebe mit 125.000 Beschäftigten. Die Rücklaufquote betrug 17 Prozent und ist repräsentativ. (SZ/mr)

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Der Präsident sieht den Staat in der Pflicht, habe der sich doch dem Abbau von CO2-Emissionen, energetischer Sanierung und bezahlbarem Wohnen verschrieben. Es gehe nicht um Marktschwankungen von ein paar Prozent, sondern um eine Verdopplung der Preise, die kleine Handwerksbetriebe nicht stemmen könnten. „Die Lage ist so dramatisch, dass sie auf die politische Agenda gehört“, sagt Dittrich. Wenn der Freistaat den meisten Wald in Sachsen verwalte, so habe er auch Einfluss, was exportiert wird oder im Land bleibt.

Angesichts der wenig erfreulichen Aussichten für das Handwerk würde nicht nur Zimmerermeister Ralf Lepski gern auf Holz klopfen. Wenn es denn welches gäbe.