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Chemnitzer Ausländerbehörde: Pham Phi Son wird vorerst nicht abgeschoben

Die Chemnitzer Ausländerbehörde prüft erneut ein Bleiberecht für Familie Pham Phi Son und stellt klar: Die Familie wird vorerst nicht abgeschoben. Sachsens Innenminister Armin Schuster sichert dem Amt Unterstützung zu.

Von Maximilian Helm & Karin Schlottmann
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Pham Phi Son, seine Lebensgefährtin Nguyen Thi Quynh Hoa und die gemeinsame Tochter Emilia.
Pham Phi Son, seine Lebensgefährtin Nguyen Thi Quynh Hoa und die gemeinsame Tochter Emilia. © dpa

Dresden/Chemnitz. Update 17. Februar: Der von der Abschiebung bedrohte Vietnamese Pham Phi Son wird vorerst nicht abgeschoben. Das teilte die Chemnitzer Ausländerbehörde am Freitag mit. Nach der Entscheidung der Härtefallkommission, Familie Pham nicht als solchen einzustufen, liegt die Entscheidung nun wieder bei der Behörde. Die Kommission hatte ihren Entscheid unter Berufung auf den Datenschutz nicht öffentlich begründet. Eine Mehrheit des Gremiums hatte offenbar Zweifel am Integrationswillen des 65-Jährigen.

Die Behörde teilte mit, sie werde nun Kontakt zur Familie und zur Anwältin aufnehmen und einen Plan entwickeln, wie die fehlenden Nachweise der nachhaltig wirtschaftlichen und sprachlichen Integration erbracht werden können. Pham, seine Lebensgefährtin und die Tochter leben derzeit mit Duldungsstatus in Chemnitz.

Nach dem Zustandekommen einer Zielvereinbarung mit den beiden Eltern über die Sprachkenntnisse und eine kontinuierliche Erwerbstätigkeit müssten die beiden vermutlich erneut einen Antrag bei der Härtefallkommission stellen. Im Sommer soll die Tochter eingeschult werden. Diese neuen Tatsachen würden unter Umständen den inzwischen dritten Antrag bei der Kommission rechtfertigten. Innenminister Armin Schuster (CDU) kann im Falle eines positiven Votums der Kommission aus humanitären oder persönlichen Gründen ausnahmsweise eine Aufenthaltserlaubnis erteilen.

Schuster begrüßte die Entscheidung der Ausländerbehörde, die Familie vorerst nicht abzuschieben. Der Fall zeige, wie komplex Einzelfallentscheidungen sein könnten, wenn sich die Behörde an Recht und Gesetz halte. Es liege jetzt in der Verantwortung der Familie, ihre Deutschkenntnisse zu verbessern und "spätestens jetzt dafür Sorge zu tragen, ihren Lebensunterhalt selbstständig bestreiten zu können." Auf diesem Weg wäre es möglich, "gerade noch so eine rechtmäßige Lösung zu finden."

Solidaritäts-Demo in Chemnitz

Der sächsische Flüchtlingsrat wertete die Ankündigung als "leichtes Durchatmen". "Wir sind aber noch lange nicht am Ziel", sagte Vereinssprecher Dave Schmidtke der Deutschen Presse-Agentur. Schon mehrmals seien die Hoffnungen der vietnamesischen Familie enttäuscht worden. Deshalb bleibe man skeptisch und werde so lange weiterkämpfen, bis die Familie ein gesichertes Bleiberecht habe.

Nach Angaben des Flüchtlingsrates kamen am Freitagabend in Chemnitz bei einer Demonstration zwischen 250 und 300 Menschen zusammen, um ihre Solidarität im Beisein der Familie auszudrücken. "Mit einer solchen Resonanz hatten wir gar nicht gerechnet", sagte Schmidtke. Auch Pham Phi Son habe ein paar Worte an die Bürger gerichtet und sich bedankt.

Frank Richter (SPD, l), Landtagsabgeordneter, begrüßt und Pham Phi Son bei einer Kundgebung.
Frank Richter (SPD, l), Landtagsabgeordneter, begrüßt und Pham Phi Son bei einer Kundgebung. © dpa

Zuletzt hatte Pham prominente Unterstützung bekommen: Die Prosieben-Moderatoren Joko und Klaas warben auf ihren Instagram-Accounts für eine Petition zum Verbleib der Familie in Deutschland. Am Freitagabend sollte zudem eine Solidaritätsdemonstration in Chemnitz für die Familie stattfinden.

Pham war 1987 als Vertragsarbeiter in die DDR gekommen und lebt seit dieser Zeit mit einer Unterbrechung von mehr als einem halben Jahr in Deutschland. Er war länger als rechtlich zulässig nach Vietnam gereist und tauchte, nachdem ihm die Ausländerbehörde daraufhin die Aufenthaltserlaubnis entzogen hatte, mit seiner Lebensgefährtin und der Tochter zwei Jahre lang unter. Die Ankündigung, die Familie abzuschieben, hatte bundesweit für Kritik gesorgt.

Minister Schuster: Kommission leistet hervorragende Arbeit

Am Dienstag hatte Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) die Entscheidung der Härtefallkommission noch verteidigt. Die Kommission leiste generell hervorragende Arbeit, sagte Schuster am Dienstag der SZ.

Die Zusammensetzung des Gremiums und die Fachexpertise der Mitglieder garantierten fachlich fundierte Entscheidungen. Im konkreten Fall lasse das Ergebnis aber erkennen, dass nicht die Härtefallkommission das Problem sei, sondern die Kompliziertheit des Falles. Der Datenschutz spreche allerdings dagegen, darüber öffentlich zu sprechen.

Die Härtefallkommission hatte es vorige Woche abgelehnt, im Fall des Vietnamesen Pham Phi Son und seiner Familie das Innenministerium um ein Aufenthaltsrecht zu bitten.

Die Behörde in Chemnitz hatte dem Mann das Aufenthaltsrecht entzogen, weil er sich länger als ein halbes Jahr in Vietnam aufgehalten hatte. Dem 64-Jährigen, seiner Frau sowie der gemeinsamen Tochter droht die Abschiebung nach Vietnam. Über die Folgen des langen Aufenthalts in seiner Heimat war er rechtzeitig informiert worden. Daraufhin tauchte er mit Frau und Kind zwei Jahre lang unter. Pham Phi Son war 1987 als Vertragsarbeiter in die DDR gekommen.

Mitglieder der Kommission per E-Mail beleidigt

Die Ausländerbehörde der Stadt Chemnitz werde die Voraussetzungen für ein mögliches Bleiberecht der Familie nun erneut prüfen, sagte Schuster. Er halte dies für richtig, betonte er. Sein Ministerium werde die Behörde dabei im Rahmen der Fachaufsicht unterstützen. Schuster: "Man darf hierbei nicht vergessen, dass Herr Pham trotz mehrfacher Belehrungen durch sein Verhalten letztlich die Ursachen gesetzt hat, dass sich der Fall jetzt so darstellt."

Die Familie sei „vollziehbar ausreisepflichtig“, teilte die Landesdirektion auf SZ-Anfrage mit. Sie sei nur für die Zeit des Härtefallverfahrens geduldet worden. Nach der Entscheidung der Kommission sei zu prüfen, ob die Familie nun abgeschoben werden könne.

Die Härtefallkommission kann mit der Mehrheit von zwei Dritteln ihrer Mitglieder den Innenminister bitten, in besonderen Fällen eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Der ablehnende Beschluss im Fall der vietnamesischen Familie ist am Montag auf heftige Kritik gestoßen. Einzelne Mitglieder der Kommission sind per Email heftig beleidigt und beschimpft worden. Vertreter der SPD und der Linken verwiesen auf den Arbeitskräftemangel in Deutschland und forderten ein Bleiberecht für die Familie.

Gut integrierte Menschen müssten eine Perspektive bekommen, das Aufenthaltssystem müsse sich grundsätzlich ändern, forderte der innenpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Albrecht Pallas. Der Flüchtlingsrat sprach sich dafür aus, der dreiköpfigen Familie ein Aufenthaltsrecht aus humanitären Gründen zu geben.

Pham Phi Son kam 1987 als Vertragsarbeiter in die DDR. Nach dem Fall der Mauer arbeitete der heute 64-Jährige als Koch sowie für eine vietnamesische Handelsfirma. Zeitweilig lebte er von Hartz IV. Er heiratete, holte seine Frau aus Vietnam nach Deutschland und wurde Vater. Im Sommer soll die Tochter in die Schule kommen.

"Rechtsstaatlicher" Weg zu einem Aufenthalt ist noch möglich

Inzwischen arbeiten Pham Phi Son und seine Frau in der Region Chemnitz in der Gastronomie. Seine Deutschkenntnisse seien nicht gut, aber ausreichend, sagte Dave Schmidtke, Sprecher des Flüchtlingsrates. Der Freien Presse sagte Pham Phi Son, er habe Angst und sei panisch.

In einer Online-Petition haben sich im vorigen Jahr Zehntausende für den Verbleib der Familie ausgesprochen. Geert Mackenroth, Sachsens Ausländerbeauftragter und Vorsitzender der Härtefallkommission, sagte, der rechtsstaatliche Weg zu einem ordnungsgemäßen Aufenthalt in Deutschland stehe der Familie immer noch offen.

Denkbar wäre beispielsweise eine Zielvereinbarung mit der Ausländerbehörde. Die Mitglieder der Härtefallkommission werden von den Kirchen, den Wohlfahrtsverbänden, den Kommunalen Spitzenverbänden, dem Innen- und dem Sozialministerium sowie dem Flüchtlingsrat entsandt.

Der SPD-Abgeordnete Albrecht Pallas sagte, mithilfe des neuen Chancen-Aufenthaltsrechts könnte die Ausländerbehörde eine Abschiebung womöglich vermeiden. Es soll gut integrierten Ausländern, die seit fünf Jahren ununterbrochen hier leben, die Möglichkeit geben, dauerhaft hier zu arbeiten und zu leben. Die Frage, ob Pham Phi Son sich in den vergangenen fünf Jahren gut integriert habe, hat aber offenbar schon die Härtefallkommission in der Mehrheit anders beurteilt.