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Fridays for Future: Tausende demonstrieren in Sachsen

Kurz vor der Bundestagswahl hat Sachsens Jugend für das Klima gestreikt. In Dresden war es die größte Klimademo seit Pandemiebeginn.

Von Tim Ruben Weimer
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In Dresden mobilisierte Fridays for Future zu einer Großdemo auf dem Theaterplatz.
In Dresden mobilisierte Fridays for Future zu einer Großdemo auf dem Theaterplatz. © Matthias Rietschel

Dresden. Zwei Tage vor der Bundestagswahl fanden heute an deutschlandweit mehr als 470 Orten Klimastreiks der Jugendbewegung "Fridays for Future" statt.

In Dresden nahmen laut Veranstaltern rund 10.000 Demonstranten an der laut Veranstaltern größten Klimademo seit Beginn der Coronapandemie teil. In den frühen Abendstunden war der Umzug noch nicht beendet. Die vorwiegend jungen Demonstranten hatten sich zuerst zu einem Konzert der HipHop-Gruppe Culcha Candela getroffen. "Die einzige Hoffnung ist, dass die da oben uns zuhören", riefen die Rapper von der Bühne. "Wer von euch hat bisschen Bock auf mehr Solarenergie in der Welt?"

Anfangs ohne viel Lärm zog die Gruppe anschließend durch die Neustadt. Am Terrassenufer kam es zeitweise zu Verkehrsbehinderungen, die Straßenbahnen 6 und 13 wurden weiträumig umgeleitet. Auf der Brühlschen Terrasse sammelten sich Schaulustige. Am Theaterplatz fand eine Kundgebung statt, auf der die Teilnehmer laut "Climate Justice" skandierten.

Deutschlandweit nahmen nach Angaben der Veranstalter mehr als 620.000 Menschen an den Protesten teil. Wie in Dresden lagen die Zahlen der Polizei in vielen Städten deutlich darunter. Auch in Leipzig nahmen Tausende an den Demos teil, kleinere Aktionen mit bis zu 100 Teilnehmern fanden in Bautzen, Pirna, Zittau, Meißen, Görlitz und anderen sächsischen Städten statt.

Demozug entlang des Dresdner Terrassenufers
Demozug entlang des Dresdner Terrassenufers © Matthias Rietschel

"Politiker und Politikerinnen verstehen die Klimakrise immer noch nicht als das, was sie wirklich ist", sagte die Dresdner Fridays For Future-Sprecherin Clara Hanitzsch im Vorfeld. "Laut ihrem Wahlprogramm wird keine einzige Partei es schaffen, das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. Wir sehen aber auch, dass der Druck von der Straße etwas bringt. Klimaschutz ist mittlerweile weit in den Konsens der Gesellschaft gerückt, darum sind wir bei der anstehenden Bundestagswahl zuversichtlich."

Mit dabei waren auch Umweltorganisationen wie BUND, Greenpeace oder die Naturschutzjugend. Auch Unterverbände von Fridays For Future zeigten sich präsent. "Die Klimakrise ist auch eine Gesundheitskrise", erklärt Sina Lehmann von Health for Future Dresden. "Viele Folgen der Klimakrise haben auch negative Auswirkungen auf die Gesundheit. Die Luftverschmutzung fordert zum Beispiel jedes Jahr viele tausend Tote."

An der Freien Alternativschule Dresden sei der Oberstufen-Unterricht am Freitagnachmittag auf Wunsch der Schüler ausgefallen, um zur Demo gehen zu können, berichtet Thomas Markert, der mit Schülern seiner Umwelt-AG die Demo besuchte. "Die Ereignisse werden die Politik eines Tages einholen", meint er.

Greta Thunberg in Berlin dabei

Auch in Berlin haben viele zehntausend Menschen zusammen mit der Initiative Fridays for Future für mehr Klimaschutz demonstriert. Sie liefen am Freitag in einem langen Zug vom Reichstagsgebäude, in dem der Bundestag seinen Sitz hat, durch das Regierungsviertel. Unter den Demonstranten war auch die 18-jährige schwedische Initiatorin von Fridays for Future, Greta Thunberg. Die Polizei sprach von einer Teilnehmerzahl im "mittleren fünfstelligen Bereich". In ganz Deutschland gingen vor allem jungen Menschen auf die Straßen. Die Demonstrationen waren Teil des internationalen Aktionstags für mehr Klimaschutz.

Bei einer Kundgebung vor dem Reichstagsgebäude kritisierte Thunberg die Bundesrepublik scharf. "Deutschland ist der viertgrößte Kohlendioxid-Ausstoßer in der Geschichte und das bei einer Bevölkerung von 80 Millionen Menschen", sagte Thunberg auf Englisch vor dem Reichstagsgebäude. "Deutschland ist objektiv gesehen einer der größten Klima-Bösewichte." In ihrer Rede, die von Applaus begleitet wurde, forderte sie eine Veränderung des "Systems". Man könne sich aus der Krise nicht "herausinvestieren, bauen oder kaufen" Umso länger man so tue, "desto mehr Zeit verlieren wir".

Für Thunberg gab es neben Beifall auch Gekreische und von Teenagern Rufe wie: "Ich liebe dich Greta" und "Oh mein Gott, ich habe Greta gesehen". Viele filmten ihren Auftritt mit Handys. Nach der Kundgebung verließ sie gemeinsam mit der Klimaaktivistin Luisa Neubauer und begleitet von Polizisten den Platz. Zuvor hatten drei ältere Männer sie bedrängt und mit Gesten beleidigt.

Luisa Neubauer, die wohl bekannteste deutsche Stimme der Bewegung, kritisierte die Kanzlerkandidaten Olaf Scholz (SPD) und Armin Laschet (CDU) für ihre Klimapolitik. "Einen Sommer lang musste sich Olaf Scholz anhören, dass sein durchgeknallter Plan, Kohle bis 2038 laufen zu lassen, zum Scheitern verurteilt ist", sagte Neubauer. "Wir haben die Parteien dazu gezwungen einen Sommer lang über Klimapolitik zu reden, obwohl ihre Programme dafür nicht ausreichen, und das wissen sie auch selbst. Kein Wunder, dass Sie dann lügen müssen, Herr Laschet."

Globaler Klimastreik mit Greta Thunberg in Berlin
Globaler Klimastreik mit Greta Thunberg in Berlin © www.snapshot-photography.de

Die Berliner Demonstranten riefen in Sprechchören: "Wir alle für 1,5 Grad". Auf Plakaten standen Slogans wie "Fight für Climate Justice", "Oma was ist ein Schneemann" oder "Die Natur verhandelt nicht". Unter den größtenteils jungen Demonstranten waren viele Schüler, die an dem Tag einen Schulstreik ausriefen. Eine Gruppe von Kindern aus der 3. bis 6. Klasse rief im Chor: "Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr unsere Zukunft klaut". Der zehnjährige Sasha sagte: "Wir wollen nicht, dass die Welt kaputt geht und mit Plastik voll ist."

Andere Teilnehmer skandierten Parolen aus der linksradikalen Szene wie "Anti-Capitalista". Auf dem Vordach eines Hotels an der Friedrichstraße standen zwei Frauen, die an dem Hungerstreik für mehr Klimaschutz nahe dem Reichstagsgebäude teilgenommen hatten. Sie zündeten sogenannte Rauchtöpfe, aus denen schwarzer Rauch über die Demonstration zog. (mit dpa)