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Warum die Marder aus Marienberg so wichtig sind

In der Erzgebirgskaserne lässt sich die umstrittene Verteidigungsministerin Christine Lambrecht Schützenpanzer vorführen. Sie gehören zur Nato-Speerspitze.

Von Heinrich Löbbers
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Christine Lambrecht (SPD, M), Bundesministerin der Verteidigung, und Oberstleutnant Thomas Spranger (l) laufen beim Besuch des Panzergrenadierbataillons 371 in der Erzgebirgskaserne an einem Schützenpanzern Marder vorbei.
Christine Lambrecht (SPD, M), Bundesministerin der Verteidigung, und Oberstleutnant Thomas Spranger (l) laufen beim Besuch des Panzergrenadierbataillons 371 in der Erzgebirgskaserne an einem Schützenpanzern Marder vorbei. © dpa

Marienberg. „Achtung“, sagt der Hauptmann, „es kann bei der Vorführung zu Belästigung mit Emissionen kommen.“ Allerdings. Da brummt auch schon der 600 PS-Motor los, eine dunkle Abgaswolke steigt auf. Die Waffenschau kann beginnen. 38,5 Tonnen Stahl setzen sich in Bewegung. Die Verteidigungsministerin gibt Obacht. Der mit grünen Zweigen getarnte Marder gibt Gas, rollt auf sie zu, macht eine Vollbremsung, dreht sich um die eigene Achse, bleibt stehen. Nach und nach steigt die Besatzung aus den Luken, drei Mann vorn, sechs hinten, präsentieren ihre Bewaffnung. Einzeln werden sie der hohen Besucherin vorgestellt.

Christine Lambrecht hat sich an diesem windigen Donnerstagmorgen per Hubschrauber in die Erzgebirgskaserne in Marienberg fliegen lassen, um sich, wie es offiziell heißt, von der „Leistungsfähigkeit der Panzergrenadiere mit ihren Schützenpanzern Marder“ zu überzeugen. Das wäre in normalen Zeiten ein ziemlich unspektakulärer Termin.

Aber die Zeiten sind nun mal alles andere als normal, die Bundeswehr mehr gefordert denn je, die Ministerin durch eine Pannenserie angeschlagen und unbeliebt wie wenige andere. Erst am Vormittag hat wieder ein Online-Portal vermeldet, die Ablösung der SPD-Politikerin sei beschlossene Sache, es sei nur noch nicht klar, wann sie gehen müsse.

Essen fassen mit Ministerin. Christine Lambrecht beim Mittagessen in Marienberg.
Essen fassen mit Ministerin. Christine Lambrecht beim Mittagessen in Marienberg. © Foto: Robert Michael/dpa

Somit ist diese Visite bei den Mardern in Sachsen auch ein Statement der Ministerin. Ein militärisches und ein politisches ebenso wie ein persönliches. Der Medienandrang ist enorm. Nachdem sie mit dem Kommandeur zusammengesessen, sich die Panzer angeschaut, mit ausgewählten Soldaten gespeist und eine Gesprächsrunde mit einer Gruppe von 25 Männern und Frauen absolviert hat, versichert Lambrecht in Marienberg, Deutschland werde seine Verpflichtungen gegenüber der Nato einhalten. Ebenso wie seine Zusage, der Ukraine bis Ende März 40 Marder-Schützenpanzer zu liefern. „Die Zusage, so wie sie gemacht ist, so wird sie auch erfolgen.“ Nach langem Zögern hat die Bundesregierung unlängst die Bitten der Ukrainer erhört und will nun Schützenpanzer liefern, bevor die erwartete Frühjahrsoffensive der Russen beginnt.

Beratungen, was mit den kaputten Pumas wird

Man muss in diesen Tagen allerdings aufpassen, dass man die unterschiedlichen militärischen Raubkatzen der Bundeswehr nicht durcheinanderbringt. Leopard heißen die Kampfpanzer, über die in diesen Tagen so eifrig diskutiert wird. Sie könnten kriegsentscheidend sein, heißt es. Gerade hat Polen erklärt, sie der Ukraine liefern zu wollen. Aber Deutschland zögert noch. Lambrecht will auch auf mehrfache Nachfrage nichts dazu sagen.

Puma, das ist der moderne Schützenpanzer, der momentan nicht verwendbar ist. Die Ministerin hat deren Einsatzverpflichtung gestoppt, weil zuletzt leider fast alle kaputt waren. An diesem Freitag will sie in Berlin mit der Rüstungsindustrie beraten, was nun mit den Pumas wird, deren Defekte offenbar doch nicht so schlimm waren wie zunächst berichtet. Vermutlich wurden sie einfach schlecht gewartet oder falsch bedient.

Panzergrenadiere erklären der Ministerin die Panzerabwehrwaffe ·MELLS·.
Panzergrenadiere erklären der Ministerin die Panzerabwehrwaffe ·MELLS·. © Foto: Robert Michael/dpa

Bleibt zunächst der gute alte Marder, so wie er bei den Panzergrenadieren in Marienberg im Einsatz ist. Kriegsgerät aus Zeiten des Kalten Krieges. Der Schützenpanzer des Rüstungsunternehmens Rheinmetall ist bei der Bundeswehr seit Jahrzehnten im Einsatz. Er kann mit seinen Abwehrwaffen feindliche Infanterie, Kampfpanzer und gepanzerte Fahrzeuge bekämpfen. Sein Wärmebildgerät erlaubt einen Einsatz des Fahrzeugs bei Tag und Nacht sowie unter allen Witterungsbedingungen.

Woher nun aber die 40 dieser Schützenpanzer einschließlich daran ausgebildeter Soldaten kommen sollen, die der Ukraine versprochen sind, ist unklar. Für die Bundeswehr selbst solle die Abgabe „so geringe Einschränkungen wie nur irgend möglich“ haben, betont Lambrecht. Sie führe dazu Gespräche mit der Industrie und mit Verbündeten, denen Lieferungen bereits zugesagt worden seien. „Auf keinen Fall kommen sie aus der aktiven Truppe“, verspricht die Ministerin. Und erst recht nicht aus Marienberg, wo es 28 davon gibt. Denn hier werden sie inzwischen besonders dringend gebraucht. Die beiden Kompanien des Panzergrenadierbataillons 371 sind nämlich jetzt Teil der Nato-Speerspitze VJTF.

Ein Schützenpanzer Marder wurde der Bundesministerin der Verteidigung beim Panzergrenadierbataillon 371 in der Erzgebirgskaserne vorgeführt.
Ein Schützenpanzer Marder wurde der Bundesministerin der Verteidigung beim Panzergrenadierbataillon 371 in der Erzgebirgskaserne vorgeführt. © Robert Michael/dpa

Weil die Pumas nicht mehr zur Verfügung stehen, übernehmen die Marienberger mit ihren Mardern den deutschen Beitrag zur schnellen Eingreiftruppe der Nato. 400 Soldaten sowie Unterstützungskräfte sind ständig in Bereitschaft und müssen innerhalb von zwei bis sieben Tagen abmarschbereit sein. Die VJTF (Very High Readiness Joint Task Force) wurde im Zuge der ersten Ukrainekrise nach 2014 aufgestellt und ist seitdem ein zentrales Element der Nato-Abschreckungsstrategie. In diesem Jahr wird sie von Deutschland geführt.

Lambrecht sieht ihre Visite deshalb als „ganz wichtiges Signal an unsere Verbündeten in der Nato“. Die Grenadiere in Marienberg seien mit dem Marder in der Lage, „diese Aufgabe aus dem Stand heraus zu erfüllen“, verkündet sie, selbst vor einem solchen Schützenpanzer stehend. „Wir stehen zu unseren Zusagen, auch unter solchen besonderen Bedingungen wie jetzt.“

Panzervorführung zwischen Garagen

Mit dem Ukrainekrieg hat der Besuch der Verteidigungsministerin in Sachsen also nicht unmittelbar zu tun. Aber natürlich greift hier eins ins andere. Und die Bundeswehr ist angesichts der Debattenlage wohl schon froh, überhaupt funktionierende Panzer präsentieren zu können. In Marienberg findet die „dynamische Vorführung“ allerdings nicht etwa in offenem Gelände oder gar auf einem Truppenübungsplatz statt, sondern auf einem Betonplattenhof zwischen zwei Garagenkomplexen.

So richtig dynamisch sieht das nicht aus, und dann fängt es auch noch an zu schneerieseln, als sich Lambrecht fröstelnd erklären lässt, was so ein Marder alles hat und kann. „Äußert mobil und wendig“ seien die Schützenpanzer, erklärt der Hauptmann, der von „panzerbrechender Munition“, „Nebelmittelwurfanlagen“ und „Nutzungsdauerverlängerungsmaßnahmen“ spricht.

Die Panzergrenadiere selbst zeigen sich zufrieden mit dem Gerät und mit ihrer Ausrüstung generell. Ja gewiss, die Marder seien nicht gerade die neusten und modernsten Waffensysteme. Aber sie seien zuverlässig. „Natürlich geht immer mal was kaputt, aber das lässt sich meist schnell reparieren“, sagt ein Hauptgefreiter. „Man muss halt damit umgehen können. Und wir sind hier wirklich gut ausgebildet“, erklärt ein Oberstabsgefreiter. Und ein dritter Kamerad meint: „Es spielt für uns keine große Rolle, wie wir eingesetzt werden. Wir sind einfach einsatzbereit.“

Christine Lambrecht vor einem Schützenpanzer-Marder.
Christine Lambrecht vor einem Schützenpanzer-Marder. © dpa

Im Detail erklärt man der Ministerin die Waffen, vor allem das Lenkflugkörpersystem Mells, das zur Abwehr feindlicher Panzer eingesetzt wird. Dass das alles hier kein Spaß ist, wird deutlich, wenn davon die Rede ist, „gepanzerte Feinde zu vernichten“. Die Trefferwahrscheinlichkeit liege bei 95 Prozent. „Die Schützen sind so ausgebildet, dass praktisch jeder Schuss einen Kampfpanzer zerstören soll.“

In einem kurzen Pressestatement zeigt sich Lambrecht schließlich beeindruckt. Sie habe hier die Fähigkeiten gesehen, die Deutschland gegenüber der Nato zugesichert habe. „Die Motivation ist riesig, die Soldaten sind hervorragend ausgebildet.“

Instagram-Video aus der Silvesternacht ist auch Thema

Wer gehofft hatte, die Ministerin würde bei so einem Truppenbesuch nun mal aus der Deckung kommen, zu all den Vorwürfen der letzten Wochen was sagen, sah sich getäuscht. Kein Wort. Auf alle Fragen, die die Marder-Lieferung an die Ukraine oder gar die Leopard-Diskussion betreffen, antwortet sie nüchtern. Es sei nichts auszuschließen, jeder Schritt müsse der aktuellen Situation angemessen sein, man müsse sich eng und sorgfältig mit den Partnern abstimmen – und ähnliche Allgemeinplätze vom Kaliber: „In den Zeiten, in denen wir leben, sind wir gut beraten, uns immer auf die jeweilige Situation einzustellen.“

Natürlich wird sie dann auch noch nach dem Instagram-Video aus der Silvesternacht befragt, in dem sie sich ungeschickt vor Berliner Böllerkulisse zum Ukrainekrieg geäußert hatte. Danach hatte es viele Rücktrittsforderungen gegeben. Wie sie das denn nun heute mit dem Abstand von zwei Wochen beurteile? Lambrecht versucht, die Frage mit Höflichkeit demonstrativ zu ignorieren: „Ich wünsche auch ihnen noch ein gutes neues Jahr.“ (mit dpa)