Wirtschaft
Merken

Die Lausitz kann Energie

In der Kohleregion ist alles Know-how vorhanden, was für eine Energiewende nötig ist, damit aus der alten eine neue Energieregion werden kann.

 3 Min.
Teilen
Folgen
Carsten Bether, Mitgründer des Dresdner Energiedienstleisters Kiwigrid .
Carsten Bether, Mitgründer des Dresdner Energiedienstleisters Kiwigrid . © PR

Von Carsten Bether

Die Lausitz ist vom Strukturwandel geprägt. Der Eindruck von beginnender Perspektivlosigkeit, der weitreichend vermittelt wird, entspricht aber nicht meiner Wahrheit. Der Lausitzer Strukturwandel wird nicht ins Wasser fallen, er wird aber auch nicht das große und schnelle Projekt, das sich viele wünschen.

Genau wie in der Lausitz geschehen in der Energiewirtschaft derzeit große Veränderungen. Veränderungen und Wandel stellen zwar immer eine Herausforderung, aber auch große Chancen dar. Diese Chancen in der Energie, beispielsweise in den Bereichen Solartechnik, Batteriespeicher, elektrische Mobilität und elektrische Wärme sowie Software, aber auch im Gesundheitswesen und in der Landwirtschaft sollten und können wir nutzen. Der Gedanke „Lausitz als Energieregion“ passt zu uns und ist in den Köpfen der Menschen bereits vorhanden. Um die Lausitz dabei als Vorreiter zu positionieren, müssen wir überdenken, wie wir Fachkräfte ausbilden. Die Energiewende ist nämlich zu einem großen Teil eine Frage des Handwerks.

Zur zügigen Umsetzung der Energiewende bedarf es einer sehr hohen Anzahl qualifizierter Fachkräfte mit einer Breitenausbildung. Denn die Geschwindigkeit der Veränderung verringert in Zukunft die Halbwertszeit von Tiefenausbildungen. Die Energiezukunft benötigt mechanisches Wissen, Elektrotechnik, Thermodynamik, Informatik und Kommunikationstechnik. Neue Energiewirtschaftler und Installateure müssen Mobilität, Wärme und Photovoltaik (PV) kombinieren können, um dezentrale, lokale Energie sinnvoll nutzbar zu machen.

Die Lausitz besitzt seit jeher Handwerkerreichtum und -geschick. Sie sind Teil der Mentalität. Das passt also perfekt. Auch in unserem Testzentrum „autocell“ für dezentrale Energien in Neuwiese sehe ich es immer wieder: Solarenergie, elektrische Mobilität und elektrisches Wärmen kommen zusammen und Handwerker sowie potenzielle Kunden kommen häufig vorbei, stellen Fragen, haben Ideen, versuchen die Dinge auszuprobieren, bauen selbst derartige Energiesysteme auf. Dass Interesse an diesem Wissen besteht, beweisen auch BASF, Daimler, Hoval und Viessmann, die alle bereits Standorte in der Lausitz haben sowie das nicht so weit entfernte Tesla-Werk.

Wer nur auf einen Master-Plan mit X Milliarden Euro wartet, wird enttäuscht werden. Zwar wären ein oder zwei Highlights mit Sogkraft in den nächsten fünf bis zehn Jahren wünschenswert, doch ein Master-Plan ist nur ein mögliches Mittel. Großprojekte konsultieren leider kaum die Bevölkerung, dauern lange und sind komplex. Sie anzukündigen und dann wieder wegzunehmen, ist sehr demotivierend. Es war beispielsweise enttäuschend, dass die Pläne für eine Universität, die für die Region super gewesen wäre, zurückgenommen wurden. Eine Universität schafft Verbundenheit mit der Region, zieht junge Menschen an, fördert die Entstehung neuer Infrastrukturen, bildet aus. Das hätte uns gutgetan.

Mikrostrukturen zu unterstützen und somit den Mittelstand als Motor für eine wirtschaftliche Entwicklung zu nutzen, ist ein weiteres Mittel und erste Ansätze funktionieren hier bereits sehr gut. Dazu bedarf es keiner hohen Investitionen.

Die Lausitz steht für Energie, Handwerkerreichtum, Leistungsbereitschaft und Einfallskraft. Statt Untergangsmentalität und Polarisierung zu schüren, sollten wir unser Selbstbewusstsein und Zugehörigkeitsgefühl pflegen. Wir können unsere Geschichte nutzen, auf ihr aufbauen, und die Entwicklung zu einer dezentralen Energieregion als nächsten Schritt vollziehen.

  • Zur Person: Carsten Bether zählt zu den Gründern von Kiwigrid und ist derzeit Mitglied des Beirats. Er lebt mit seiner Familie in der Lausitz und verantwortet von dort aus die Produkt- und Plattformentwicklung im Unternehmen und leitet das Testzentrum „autocell“ in Neuwiese. Bether hat einen Abschluss in Wirtschaftsingenieurwesen an der TU Dresden und einen Doktortitel in Informatik an der TU Berlin.