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Wenn aus dem heimtückischen Mord eine Scheidung wird

Das Ensemble der Landesbühnen hat sichtlich Spaß daran, die Heldenparodie "Die lustigen Nibelungen" durchzuspielen.

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"Die lustigen Nibelungen" hatten in der Regie von Simon Eichenberger an den Landesbühnen Sachsen Premiere.
"Die lustigen Nibelungen" hatten in der Regie von Simon Eichenberger an den Landesbühnen Sachsen Premiere. © Pawel Sosnowski

Von Jens Daniel Schubert

Es ist die Begleitsaga der Reichsgründung, Mythos deutscher Helden schlechthin: Das Nibelungenlied. Im 19. Jahrhundert eroberte es die deutschen Bühnen. Herauszuheben sind Hebbels dreiteiliges Schauspiel oder Wagners opus summum "Der Ring des Nibelungen". Oscar Straus, österreichischer Operettenkomponist, aber weder mit den Walzerkönigen noch mit Richard Strauss verwandt, schuf bereits 1904 eine Parodie der Geschichte: "Die lustigen Nibelungen". Die tummeln sich seit dem Wochenende auf den Landesbühnen Sachsen.

Straus’ Operette wurde und wird nur selten gespielt. So harmlos sie Ritterkult und Heldenmythos verspottet, fühlten sich doch nationale Kreise oft provoziert. Dass Straus Jude war, nach Amerika emigrierte, aber auch danach nie aus dem Dreivierteltakt herausfand, tat ein Übriges. Die Inszenierung der Radebeuler dürfte, so amüsant und unterhaltsam sie ist, kaum zum großen Durchbruch beitragen.

Jede Menge schräge Szenen: "Die lustigen Nibelungen’" an den Landesbühnen.
Jede Menge schräge Szenen: "Die lustigen Nibelungen’" an den Landesbühnen. © Pawel Sosnowski

Die Geschichte lebt davon, dass man die Helden der archaischen Welt, in der Mann mit Faust und Schwert seine Kräfte zeigt, aus dem Blickwinkel bürgerlicher Normalität betrachtet. Da ist die Lösung des Dilemmas, dass zwei den jeweils Falschen geheiratet haben, statt heimtückischen Mordes schlicht eine Scheidung.

Wenn der sagenhafte Gold-Schatz nicht auf einer Sandbank im Rhein, sondern auf der Rheinischen Staatsbank liegt, sein Wert mit der Börse steigt und sinkt und Drachentöter ein Job ist wie Zirkusdirektor, untergräbt man das aufgeblähte Pathos, wird bedeutungsschwere Fallhöhe zur Stolperkante eines Löwenfells vor dem Kamin. Auch die theatralen Bühnenmehrteiler bekommen ihre Seitenhiebe.

Jede Menge Lacher sind garantiert

Das reizt bis heute zum Lachen und an den Landesbühnen passiert genau das. Der Bezug zur Gegenwart ist, anders als zur Entstehungszeit, nur sehr vermittelt. Die Präsenz und aufgeladene Bedeutung von Siegfried, Hagen und Co. war Anfang des 20. Jahrhunderts größer. Allerdings gibt es auch heute lautstarke Strömungen, die sich nach Helden sehnen. Helden, die mit freiem Oberkörper durch die Wildnis reiten, gegen übermächtige Feinde in den Kampf ziehen und alte, durch "schmachvollen Betrug" verlorene Größe, notfalls im blutigen Kampf, wieder aufrichten. Die Gefahr, die davon ausgeht, ist gerade mit Händen greifbar.

"Die lustigen Nibelungen" in Radebeul: Großes Ensemble, üppige Kostüme.
"Die lustigen Nibelungen" in Radebeul: Großes Ensemble, üppige Kostüme. © Pawel Sosnowski

"Die lustigen Nibelungen" zeigen solche Parallelen nicht. Die Inszenierung wartete fast zwei ermüdende Corona-Jahre auf ihre Premiere. Und das Publikum nimmt es dankbar an, auf dem Theater einfach mal amüsiert zu werden.

Drachenfeuer als Zigarrenanzünder

Man muss die geschickt verbauten Wagner-Anspielungen nicht hören, den Heute-Bezug der Heldensaga nicht erkennen. Wenn Gunther vor Brunhilde zittert, weil das Frauenzimmer Haare auf den Zähnen hat, wenn der grimmige Onkel Hagen mit dem Totschläger wedelt, sich Siegfried die Zigarre am Drachenfeuer entzündet und schließlich die ganze Wormser Königsfamilie beim Gartenfrühstück im Walzertakt Siegfrieds Tod beschließt, dann sind das die versprochenen "lustigen" Nibelungen.

An der Kaffeetafel des Königs wird Siegfrieds Tod beschlossen.
An der Kaffeetafel des Königs wird Siegfrieds Tod beschlossen. © Pawel Sosnowski

Karl Bernewitz musiziert mit der Elblandphilharmonie schwungvoll, hält Bühne und Graben gut beieinander. Die Balance der Lautstärke und die Tempi schränken Präsenz und Verständlichkeit der Sänger des Öfteren ein. Warum sie mit Microports agieren, bleibt dabei völlig unverständlich.

Kay Frenzel gibt den sagenhaften Siegfried, dessen strahlende Heldenkraft ein Mythos ist. Anna Erxleben als Kriemhild erliegt ihr, ist aber von der Aussicht, den Hunnenkönig heiraten zu können, ebenso schnell begeistert. Stephanie Krone ist die handfeste Brunhilde, die mit Gunther, dargestellt von Benedikt Eder, einfach nur den Falschen erwischt hat. Das gesamte Ensemble spielt und singt zur Premiere mit sichtlichem Spaß und zunehmend stimmlicher Präsenz. Simon Eichenberger hat der Inszenierung genau die heutigen Bezüge gegeben, die große gesellschaftliche Fragen, die das Stück wohl überfordern dürften, aussparen. Und die Ausstattung von Stephan Prattes und Marrit van der Burgt geben allem einen heiteren Rahmen.

Wieder am 8.4. in Bad Elster, am 21.4. in Radebeul, am 27.4. in Hoyerswerda, Kartentel. 0351 8954214