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Mission erfüllt: Erzgebirgische Holzkunst setzt auf Raumfahrttechnik

Sechs Monate haben Fraunhofer-Forscher und Holzspielzeugmacher getüftelt, um Hightech-Material im Kunsthandwerk einzusetzen. Jetzt melden sie: Mission erfüllt.

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Holzspielzeugmacher Markus Füchtner (r) präsentiert die Räucherrakete mit Hightech-Material aus der Raumfahrt. Die Wärme einer Räucherkerze öffnet die Spitze der Rakete und ein Mini-Nussknacker lugt hervor.
Holzspielzeugmacher Markus Füchtner (r) präsentiert die Räucherrakete mit Hightech-Material aus der Raumfahrt. Die Wärme einer Räucherkerze öffnet die Spitze der Rakete und ein Mini-Nussknacker lugt hervor. © Hendrik Schmidt/dpa

Seiffen. Räucherfiguren gibt es im Erzgebirge in vielen Formen, doch eine neue Kreation aus Seiffen hat es in sich. 24 Zentimeter ist die Holzrakete groß und im Innern haben ihre Schöpfer Hightech-Material verbaut, das sonst in der Raumfahrt zu finden ist. Ein halbes Jahr tüftelten Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik mit dem Team um Holzspielzeugmacher Markus Füchtner. Jetzt im Advent heben sie den Vorhang für den Prototyp ihrer Räucherrakete.

Füchtner zündet eine Räucherkerze an und platziert sie in der Rakete. Nach kurzer Zeit öffnet sich deren Spitze wie von Geisterhand und ein Mini-Nussknacker lugt hervor. Das Geheimnis dahinter ist eine Feder, die sich bei Wärme ausdehnt und in dieser Form bleibt. Experten sprechen von Form-Gedächtnis-Legierungen, wie Holger Kunze vom Fraunhofer-Institut in Dresden erklärt. Im konkreten Fall handle es sich um ein Gemisch aus Nickel und Titan. "Weltraumwerkstoffe" nennt er solche Legierungen. Sie kämen etwa an Reifen von Mars-Rovern und an Sonnensegeln im All zum Einsatz. "Wir bei Fraunhofer versuchen schon länger, sie auch in Anwendungen hier auf der Erde zu bringen."

Eine Spezialfeder aus Hightech-Material, wie es in der Raumfahrt zum Einsatz kommt, findet nun auch Einzug in die Handwerkskunst.
Eine Spezialfeder aus Hightech-Material, wie es in der Raumfahrt zum Einsatz kommt, findet nun auch Einzug in die Handwerkskunst. © Hendrik Schmidt/dpa

Laut Verband Erzgebirgischer Kunsthandwerker und Spielzeughersteller gibt es einige experimentelle Versuche, solche smarten Werkstoffe im Kunsthandwerk zu nutzen. Die Räucherrakete aus Seiffen sei das erste konkrete Projekt, das nun offensichtlich Früchte trage, sagte Geschäftsführer Frederic Günther. An weiteren werde gearbeitet. Es sei gelungen, Handwerkskunst und Hochtechnologie zusammenzubringen, zeigt sich der Projektleiter der Denkstatt Erzgebirge, Wolfgang Braun, erfreut. Diese Verbindung sei der Startschuss für Neues.

Die Raumfahrt-Begeisterung hat Füchtner, dessen Ur-Ur-Ur-Großvater als Erfinder des erzgebirgischen Nussknackers gilt, und seine Mitstreiter von "Meet the Nutcracker" schon vor der Zusammenarbeit mit den Materialforschern gepackt. Im Gepäck von Astronaut Matthias Maurer reiste ihr Mini-Nussknacker Wilhelm voriges Jahr als Botschafter des Erzgebirges und der Kulturhauptstadt Europas 2025 zur Raumstation ISS. Dort schwebte der hölzerne Erzgebirger dann kurz vor Weihnachten in der Schwerelosigkeit und sendete einen Gruß zur Erde. Seither kreist Wilhelm weiter im Orbit und wird dort auch dieses Weihnachten verbringen. Erst Anfang 2023 wird er wohl zurückkehren.

Holzspielzeugmacher Markus Füchtner drechselt in seiner Werkstatt in Seiffen. Ein halbes Jahr haben Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Werkzeugmaschinen mit dem Team um Füchtner getüftelt. Jetzt im Advent heben sie den Vorhang für den Prototyp i
Holzspielzeugmacher Markus Füchtner drechselt in seiner Werkstatt in Seiffen. Ein halbes Jahr haben Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Werkzeugmaschinen mit dem Team um Füchtner getüftelt. Jetzt im Advent heben sie den Vorhang für den Prototyp i © Hendrik Schmidt/dpa

"Er hat ganz sicher Heimweh", erklärt Füchtner. "Wir warten alle auf seine Rückkehr." Dann soll es für den weit gereisten Nussknacker eine Willkommensparty geben. Die Weltraummission habe sie letztlich auf die Idee der Räucherrakete mit Wilhelms Ebenbild im Innern und der Zusammenarbeit mit den Fraunhofer-Forschern gebracht. Dieses Weihnachten wird der "Raketen-Willy" noch nicht auf den Gabentischen landen können. Erst zu Jahresbeginn soll die erste, auf 300 Stück limitierte Serie in Produktion gehen.

Die spezielle Wirkungsweise haben sich die Tüftler nach eigenen Angaben schützen lassen. Und weitere Anwendungen sollen folgen. Wenn sein Ur-Ur-Ur-Großvater Wilhelm gewusst hätte, dass sie heute Weltraumtechnik in erzgebirgischer Holzkunst verbauen, sagt Füchtner: "Dann wäre er bestimmt von der Ofenbank gekippt." (dpa)