Dulig: CDU muss Handbremse beim Ausbau erneuerbarer Energien lösen

Herr Dulig, wie fällt ihre persönliche Halbzeitbilanz aus?
In der Vorbereitung habe ich festgestellt, dass wir viel mehr geschafft haben als gedacht. Die Pandemie hat uns zwei Jahre geraubt, auch mir persönlich. Und nun noch der zivilisatorische Bruch mit dem russischen Krieg in der Ukraine. Wir kehren nicht zur Normalität zurück. Dennoch kann ich eine gute Bilanz ziehen.
Was wurde konkret erreicht?
Wir haben neue Strukturen etabliert - etwa für das Zentrum für Gute Arbeit und Fachkräftesicherung in Chemnitz und haben die Digitalisierungsagentur in Dresden ins Leben gerufen. Der ÖPNV wurde gestärkt, das Bildungsticket wie versprochen durchgesetzt und die Fachkräfteallianz weiter ausgebaut und finanziell ausgestattet. Das Grundproblem des Koalitionsvertrages ist, dass dort keine Priorisierung stattgefunden hat. Es ist schon ein Unterschied, ob man zu zweit oder zu dritt in der Koalition ist, weil es komplett andere Abstimmungsprozesse gibt. Ich ziehe dennoch ein positives Fazit, bedaure aber, dass wir manchmal zu viel Zeit und Energie verlieren in der Klärung von Prozessen.
Woran machen Sie das fest?
Zum Beispiel am Programm "Graue Flecken" für den Breitbandausbau. Wir waren uns in den Koalitionsverhandlungen einig, dass der Freistaat erhebliche Summen für den Breitbandausbau stemmen muss. Wir als SPD hatten gefordert, dafür zügig die rechtlichen Grundlagen zu legen, damit die Kommunen Anträge stellen können. Wäre man unserem Vorschlag gefolgt, hätten heute die ersten Kommunen schon ihre Bescheide in der Hand. Jetzt, anderthalb Jahre später, machen wir genau dies. Wir verlieren auch wertvolle Zeit beim Ausbau der erneuerbaren Energien, weil ein Koalitionspartner immer mehr Kraft dafür aufbringt, Dinge nicht zu tun als zu sagen, was getan werden muss.
Es war ein Fehler, im Koalitionsvertrag nicht zu priorisieren. Was sind ihre Prioritäten für die zweite Halbzeit?
In diesen Zeiten des Wandels darf es nicht mehr um das Kleinklein gehen, sondern um grundsätzliche Entscheidungen, wie der Umbau der Wirtschaft so erfolgreich gestaltet werden kann, dass die Menschen auch in zehn, zwanzig Jahren gute Arbeit haben. Wie kommen wir hin zu einer Wasserstoffwirtschaft. Hin zu moderner Mobiltät. Was tun wir, um die Arbeit der Zukunft zu sichern, durch Ausbau von Schlüsseltechnologien und den Ausbau erneuerbaren Energien als Standortfaktor? Wie qualifizieren wir die Menschen? Viele haben Angst vor der Transformation, weil sie sich nicht wieder auf die Schulbank setzen wollen. Da müssen wir ran.

Was wollen Sie dagegen tun? Wird es mehr Förderprogramme geben?
Politik funktioniert nicht immer nur durch Fördermittel. Ja, wir werden weiterhin Weiterbildungs- und Qualifizierungsprogramme aufsetzen, entweder individuell oder für ganze Unternehmen. Ich erwarte aber auch von den Unternehmen, dass sie nicht nur über das Fachkräfteproblem klagen, sondern sich überlegen, wie sie selbst Bindekräfte entwickeln, damit Menschen bleiben. Das Selbstbewusstsein der Arbeitnehmerschaft ist deutlich gestärkt. Im vergangenen Jahr gab in Sachsen mit 18 rein regionalen Arbeitskämpfen so viele wie in NRW. Hinzu kommen 28 überregionale Arbeitskämpfe, die auch in Sachsen geführt wurden.
Sie fordern, im nächsten Haushalt zweistellige Millionenbeträge für die Kofinanzierung von europäischen Förderprogrammen für die Mikroelektronik. Warum ist das im Sinne der breiten Bevölkerung gut angelegtes Geld?
Die Mikroelektronik ist der Treiber für den Wandel unserer Wirtschaft, weil es ohne sie keine Fahrzeuge, Energiewende, keinen Einsatz von Künstlicher Intelligenz, keine Erleichterung der Arbeit geben wird – überall werden Halbleiter verbaut. Handwerker leben davon, dass sie von kleinen und mittelständischen Firmen, aber auch von der Großindustrie Aufträge bekommen. Und die Großindustrie lebt davon, dass sie konkurrenzfähig ist und bleibt. Deshalb müssen wir unsere Kompetenzen in Sachsen in der Mikroelektronik weiter ausbauen. Wenn wir das schaffen, werden wir am Ende konkurrenzfähige Unternehmen haben, egal ob groß oder klein. Es darf keine Entscheidung zwischen europäischen IPCEI-Projekten oder regionale Wirtschaftshilfen geben. Beides muss kommen. Ich werde auf die Kofinanzierung bestehen und nicht zulassen, dass ein Haushalt kommt, in dem das nicht sichergestellt ist.
Es wird also keine Abstriche an anderen Haushaltsposten geben?
Wir stecken mitten in den Haushaltsverhandlungen. Positionen verändern sich gerade - weil doch mehr verstanden wird, dass man sich verändern muss und investieren muss. Auch erweitern sich die Spielräume angesichts höherer Steuereinnahmen.