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Sachsens Finanzminister: "Alle Wünsche bezahlen? Das kann ich doch gar nicht"

Finanzminister Hartmut Vorjohann wehrt sich mithilfe der Verfassung gegen zu große Haushaltswünsche der sächsischen Regierungskoalition. Ein Interview.

Von Gunnar Saft
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Hartmut Vorjohann (CDU) ist seit Dezember 2019 Finanzminister in der schwarz-grün-roten Landesregierung.
Hartmut Vorjohann (CDU) ist seit Dezember 2019 Finanzminister in der schwarz-grün-roten Landesregierung. © Matthias Rietschel

Eine Rechenaufgabe für den Finanzminister. Sie haben für die nächsten zwei Jahre 44 Milliarden Euro in der Staatskasse, Ihre Ministerkollegen planen jetzt aber Ausgaben von fast 52 Milliarden Euro. Wie lautet die Lösung?

Die Lösung lautet: Die künftigen Ausgaben des Freistaates für die Haushaltsjahre 2023 und 2024 müssen runter auf das Niveau der tatsächlichen Einnahmen. Das ist doch eigentlich ganz einfach, das ist der Standard und zudem auch Verfassungsauftrag.

Das heißt, die Minister der sächsischen Regierungskoalition aus CDU, Grünen und SPD müssen demnächst Projekte über acht Milliarden Euro wieder aus ihren Haushaltsplänen streichen?

Um Projekte aus den Haushaltsplänen zu streichen, müssten sie ja erst einmal drin sein. Derzeit handelt es sich eher um Wünsche. Die Verfassung schreibt vor, dass der Landeshaushalt ohne Kredite aufzustellen ist. Die Rücklagen, von denen der Freistaat in den vergangenen Jahren gelebt hat, neigen sich dem Ende zu. Und für die neue Steuerschätzung im Mai rechne ich eher mit Rückgängen bei den Staatseinnahmen als mit Zuwächsen. Es bleibt also bei 44 Milliarden Euro, das geht gar nicht anders.

Wenn die Verfassung neue Schulden verbietet, bleibt nur ein Ausweg, sollten sich Ihre Kollegen nicht einsichtig zeigen: Der Finanzminister gibt jedem Ministerium einen konkreten Pauschalbetrag vor, mit dem es dann auszukommen hat – Punkt und Aus.

Die Schwierigkeit in solchen Dreier-Regierungskonstellationen ist ja immer, dass man nicht weiß, sind die anderen auch so vernünftig wie ich. Und weil ich das nicht weiß, habe ich alle Wünsche erst mal auf den Tisch gepackt. Am Anfang dachte ich tatsächlich kurz, das ist ja ganz schön unverschämt, was da allen eingefallen ist.

Die Kunst ist nun, dass nicht alles auf dem Tisch liegen bleibt. Dafür brauchen wir ein Verfahren. Auf keinen Fall werde ich dabei aber vorgeben, ihr müsst dort kürzen und noch dort. Ich neige tatsächlich dazu, mich mit jedem Ressort auf einen genauen Betrag zu einigen, über dessen Verwendung es dann selbstständig entscheiden muss. Zuerst muss aber natürlich das Pflichtenheft abgearbeitet werden.

Auf dem Tisch liegt auch die Forderung, künftig fast 6.800 zusätzliche Stellen im Staatsdienst zu schaffen, womit der Freistaat erstmals seit 20 Jahren wieder mehr als 100.000 Beschäftigte hätte. Sie wären der Superheld am Kabinettstisch, wenn Sie dieses Stellenplus stemmen würden. Werden Sie es versuchen?

Ich soll das also irgendwie bezahlen? Aber das kann ich doch gar nicht. Die vorhandenen 44 Milliarden Euro werden dafür nicht reichen. Mit einem derartigen Stellenplus würden vielmehr solche zusätzlichen Kosten anfallen, dass wir uns auch hier einer Verfassungsverletzung nähern, weil wir sie nur über Kredite finanzieren könnten.

Welche Personalaufstockungen wären denn sinnvoll und bezahlbar?

Wenn es künftig mehr Schüler gibt, werden wir wohl auch mehr Lehrer brauchen. Hier könnte man ansetzen, obwohl damit das Problem bestehen bleibt, ob wir für zusätzliche Lehrerstellen überhaupt genügend Bewerber finden. Ansonsten sehe ich nicht, wo man etwas draufpacken könnte. So gibt es ja auch den Anspruch, über die bereits beschlossenen 1.000 neuen Stellen hinaus bei der Polizei weiter aufzustocken. Zurückhaltend formuliert, bin ich da sehr skeptisch, ob das machbar ist. Und für den Verwaltungsapparat in Ministerien und Behörden sehe ich beim Stichwort künftige Personalstärke nur den Saldo null – also keine weiteren zusätzlichen Stellen.

Der Koalitionspartner SPD sieht nach wie vor einen Ausweg aus Ihren Geldnöten. Was ist am Vorschlag falsch, bei den Zahlungen in den Beamtenpensionsfonds zu sparen, um mehr Geld für dringende Investitionen zu erhalten? Der Fonds lässt sich auch später füllen.

Wenn ich einmal damit aufhöre, in den Pensionsfonds einzuzahlen, und mit dem Geld lieber neue Beschäftigte, neue Staatsprogramme bezahle, werde ich nie wieder zum Ansparen kommen. Der Fonds ist eine der größten Errungenschaften sächsischer Politik beim wichtigen Thema Generationengerechtigkeit. Das war auch immer ein großes Pfund bei Investitionsansiedlungen, wenn wir sagen konnten, die Sachsen sind die mit der soliden Haushaltspolitik. Und auch hier ist die Verfassungslage eindeutig. Wir müssen eine angemessene Ansparung machen und keine Ansparung mit dem, was die SPD übriglässt, nachdem sie ihre Haushaltswünsche durchgebracht hat. Außerdem: Kann man das überhaupt noch als Investitionen deklarieren, wenn man den Haushalt zuvor konsumtiv plündert?

Das sächsische Regierungsbündnis besteht aus drei Parteien, die am Ende über den Haushalt und alles andere entscheiden. Trauen Sie sich zu, das aus Ihrer Sicht finanzpolitisch Richtige auch koalitionspolitisch durchzusetzen?

Ja, auf jeden Fall. Allein deswegen, weil ich an einer Stelle einen starken Verbündeten habe. Das ist die sächsische Verfassung.

Aber auch die sorgt für Koalitionsstreit. Zumindest, was die Rückzahlungsfrist für die milliardenschweren Corona-Kredite betrifft. Nachdem Sie und die CDU bereits Ende 2021 einer verlängerten Rückzahlung von acht auf 15 Jahre zugestimmt haben, kritisieren SPD und Grüne, dass in puncto Verfassungsänderung seitdem nichts mehr passiert?

Das Thema wird jetzt im Landtag und nicht auf der Regierungsseite verhandelt. Meine Wahrnehmung ist, dass sich die CDU dort mit den 15 Jahren stark bewegt hat. Dann gibt es andere, die sich null bewegt haben und weiterhin sagen, wir wollen aber eine Verlängerung um 20 oder 30 Jahre. Kompromisse zu machen ist immer ein Geben und Nehmen, ein Aufeinanderzugehen. Das gilt für alle.

Bei all dem Ärger ums Geld und dem Koalitions-Zwist erneut die Frage: Sie sind immer noch gern Finanzminister?

Ja, klar!

Im Streit um den künftigen Haushalt 2023/2024 gibt es für Sie also keine rote Linie, bei der Sie sagen, bis hierher, ansonsten mit mir nicht weiter?

Die rote Linie setzt die Verfassung. Da steht drin, wie man es machen muss: ohne Kredite und mit dem Ansparen für den Pensionsfonds. Auch bei der Debatte über die angeblichen Einschnitte von acht Milliarden Euro beim neuen Haushalt ist mir nicht bange. Wenn man Dinge plant, die man dann aber nicht machen kann, ist das kein Einschnitt. Es wäre nur einer, wenn bisher was gemacht wurde, auf das man künftig verzichten muss.