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Politik in Sachsen – Die Morgenlage

AfD könnte zum Entscheider werden + Überraschungssieger plant Reformen + Experte sieht Zuspitzung auf Dauer-Duell + Freie Sachsen zweifeln Ergebnis an

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Dirk Neubauer, Bürgermeister von Augustusburg, hat überraschenderweise beste Chancen auf die Stelle des Landrats. Die Entscheidung fällt am 3. Juli.
Dirk Neubauer, Bürgermeister von Augustusburg, hat überraschenderweise beste Chancen auf die Stelle des Landrats. Die Entscheidung fällt am 3. Juli. © dpa-Zentralbild

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Guten Morgen,

jede Wahl schreibt ihre ganz eigenen Geschichten. Und wenn wir mal ehrlich sind: Am besten in Erinnerung bleiben uns diejenigen, die von ungewöhnlichen Siegern oder Verlierern erzählen – von Menschen mit Gesichtern, die uns auch noch nach Jahren zumindest irgendwie bekannt vorkommen.

So haben auch wir am Tag nach dem Wahltag nach solchen "Typen" gesucht. Zwei werden auch mir sicher noch lange in Erinnerung bleiben: Da ist Maik Wobst, der Mann, der nicht einmal auf dem Wahlzettel stand, aber Bürgermeister von Königshain geworden ist. "Maik, mach Du es doch", wünschten sich die Bürgerinnen und Bürger dort. Und so warb der Straßenmeister nur mit ein paar Flyern im Briefkasten des 1.000-Einwohner-Dorfes für sich. Mein Kollege Henry Berndt hat ihn getroffen.

Ganz anders und durchaus mit großem Signalpotenzial für ganz Sachsen ist die Geschichte von Dirk Neubauer, dem "Rebell" von Augustusburg. Er ist der einzige Parteilose mit Aussicht auf einen Landratsposten in Sachsen. Jedenfalls errang der 51-jährige Bürgermeister im ersten Wahlgang im Kreis Mittelsachsen einen Etappensieg und setzte sich vor die CDU- und AfD-Kandidaten. Nun heißt es auch für Neubauer noch einmal kämpfen – bis zum 3. Juli, dem Tag des zweiten Wahlgangs.

Die Geschichten dieser beiden sehr unterschiedlichen Männer sind sich doch in einem Punkt sehr ähnlich: Sie erzählen von Mut, Engagement und dem unbedingten Willen, sich für andere Menschen in ihrem Umfeld zu engagieren. Sie zeigen, wie in Kommunalwahlen, in der vor allem die Persönlichkeit zählt, die kandidiert, es jenseits von Partei-Frust, Protest und Hass immer auch ein paar Geschichten gibt, die einfach Mut machen, dass sich in Sachsen dauerhaft etwas ändern kann – wenn einfach jemand anpackt.

Herzlichst,

Ihre Annette Binninger, Leiterin Politikredaktion sächsische.de

Die wichtigsten News am Morgen

+++ OB-Wahl Dresden: AfD kann Ausgang entscheiden +++

Vor dem zweiten Wahlgang bei der Dresdner Oberbürgermeisterwahl könnte die AfD zum Zünglein an der Waage werden. Experten erwarten ein enges Rennen zwischen Amtsinhaber Dirk Hilbert (FDP), der unter anderem von der CDU unterstützt wird, und der Grüne-Kandidatin Eva Jähnigen, die nun zusätzlich auf die Unterstützung von SPD und Linken bauen kann. In einem ersten Statement hatte AfD-Kandidat Maximilian Krah angekündigt, auch im zweiten Wahlgang erneut zu kandidieren. Das könnte Hilbert Stimmen kosten. Mittlerweile ist in der AfD jedoch auch ein Verzicht denkbar. Krah: "Wir müssen jetzt alle Varianten durchspielen. Wir sind für den zweiten Wahlgang gerüstet, aber final wird am Donnerstag entschieden." Saechsische.de analysiert die Ausgangslage.

+++ Neubauer will Landkreis-Struktur reformieren +++

Nachdem er als parteiloser Kandidat überraschend die meisten Stimmen bei der Landratswahl in Mittelsachsen geholt hat, spricht sich der Augustusburger Bürgermeister Dirk Neubauer für Reformen aus. Der Landkreis Mittelsachsen bestehe aus Regionen, die ganz unterschiedlich unterwegs seien, sagt er gegenüber saechsische.de. Das spiegele sich im Wahlergebnis wider. Ihm sei es wichtig, dass sich die Regionen wieder selbst finden, die Menschen ihre Identität und ihr Heimatgefühl wieder erhalten. Der Landkreis sei die Klammer dazu und müsse in die zweite Reihe zurücktreten. Neubauer will auch in den kommenden Wochen bis zum zweiten Wahlgang am 3. Juli viel unterwegs sein, um mit den Leuten zu reden. Wer ist der Mann, der den überraschenden Erfolg holen konnte? Sächsische.de mit einem Porträt.

Der vorerst unterlegene CDU-Kandidat, Döbelns Oberbürgermeister Sven Liebhauser, sieht derweil den Hauptgrund für seine Wahlniederlage in der Kreisreform 2008. Dass die CDU nur in zwölf der 53 Kommunen des Landkreises die meisten Stimmen erreichen konnte, nennt Sven Liebhauser ein klares regionales Prinzip. "Ich habe in Döbeln gewonnen, Rolf Weigand (AfD) in seinem Bereich", erklärt er gegenüber sächsische.de.

+++ Vorländer: "Zuspitzung auf CDU oder AfD" +++

Der Dresdner Politikwissenschaftler Hans Vorländer sieht nach der Kommunalwahl eine Zuspitzung auf zwei politische Gegner in Sachsen, der CDU und der AfD. "Die AfD hat sich dort stabilisiert, wo sie vorher auch schon stark war", sagt er im Interview mit sächsische.de. Man könne von einer Stabilisierung auf hohem Niveau sprechen. Vorländer sieht die Schwäche der CDU als Hauptgrund. "Aufgrund ihrer Stärke und Größe wäre es vor allem an der CDU, viel stärker in die Kommunen und Regionen hineinzuwirken und nicht nur auf Landesebene zu regieren", sagt er. In vielen regionalen Wahlkämpfen sei die Frage "CDU oder AfD" fast zum einzigen mobilisierenden Thema geworden.

Im Interview mit sächsische.de erklärt der Görlitzer Politikwissenschaftler Julian Nejkow, warum die anderen Parteien kaum Chancen haben. "Ich sehe die zunehmenden Angriffe auf Lokalpolitiker als einen Grund", sagt er. "Der zweite Grund sind fehlende Strukturen und schwache Kreisverbände der Parteien. So entscheidet man sich erst gar nicht bei schlechten Chancen. Das mag plausibel klingen, schadet aber der Demokratie."

+++ Freie Sachsen zweifeln Wahlergebnis an +++

Die vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften Freien Sachsen, die unter anderem ein "Säxit" propagieren, haben bei der Kommunalwahl beachtliche Ergebnisse erzielt. Die drei Landratskandidaten erreichten 10 (Erzgebirgskreis) bis 20 Prozent (Nordsachsen), die vier Bürgermeister-Kandidaten liegen zwischen 6,3 Prozent (Grimma) und 30,1 Prozent (Dohna). Wie der Journalist Thomas Datt ausgerechnet hat, macht das in den Gebieten, wo die Freien Sachsen einen Kandidaten stellten, einen Stimmenanteil von 12,1 Prozent.

Die Dohnaer Bürgermeister-Kandidatin Ulrike Böhlke und der Landratskandidat Andreas Hofmann ziehen nun das Wahlergebnis in Zweifel. Die Auszählung der Stimmen in Dohna soll ungewöhnlich lange gedauert haben. Außerdem soll es ungewöhnlich viele ungültige Stimmen geben. Wie sächsische.de zeigt, liegen beide Werte jedoch im Rahmen der Wahlen in anderen Städten.

+++ Alle Ergebnisse der Wahl auf einen Blick +++


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