Morgenlage in Sachsen: Facebook-Streit, Stadtratssitzung gestürmt, Milbradt

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Guten Morgen,
innerhalb weniger Minute wurde es gestern Abend plötzlich hektisch in der Redaktion: Demonstranten stürmen das Zittauer Rathaus und dringen in eine Stadtratssitzung ein. Es ist nach Beobachtungen von Sächsische.de-Reportern der souveränen Reaktion von Zittaus Oberbürgermeister Thomas Zenker zu verdanken, dass sich die Situation beruhigen ließ. Am Ende sprachen die Räte mit den Demonstranten über das geplante Flüchtlingsheim in Hirschfelde, obwohl dafür nicht die Stadt, sondern der Landkreis Görlitz zuständig ist. Dabei hätte Zenker auch den Saal von der Polizei räumen lassen können.
Was geschehen ist, ist mehr als ein Tabu-Bruch. Es ist ein Akt der Gewalt, die gewaltsame Störung einer demokratischen Versammlung, angeführt von einer sich immer mehr radikalisierende Gruppe, den rechtsextremen sogenannten "Freien Sachsen".
Es ist an mehr und mehr Orten zu beobachten, wie sich angesichts der steigenden Flüchtlingszahlen wieder einmal politisch und gesellschaftlich etwas "zusammenbraut", das schwer zu lösen ist.
Was dringend notwendig ist: sachliche Information, ruhige Debatten, vor allem aber besonnene Lösungen. Das klingt einfach, ist aber ungeheuer anstrengend und ein Langzeit-Projekt, das von möglichst vielen Bürgerinnen und Bürgern sicht- und hörbar mitgetragen werden muss.
Heute Abend wird in Dresden eine Bürgerversammlung zu dem Thema stattfinden. Wird man es dort besser machen? Noch gestern war unklar, ob der Dresdner Oberbürgermeister Dirk Hilbert überhaupt erscheinen wird. Kommt er, kommt er nicht, kommt er, kommt er nicht? Wo sollte ein Oberbürgermeister sein, wenn es darum geht, besonders strittige Fragen seiner Bürgerinnen und Bürger zu beantworten? Wo, wenn nicht dort?
Ich wünsche Ihnen ein erholsames Wochenende,
herzlichst,
Ihre Annette Binninger, Leiterin Politikredaktion Sächsische.de
Die wichtigsten News am Morgen
Facebook-Streit könnte Fall für Gericht werden
Der "Facebook-Streit" zwischen der Landesregierung und der Landesdatenschutzbeauftragten Juliane Hundert könnte ein Fall für die Gerichte werden. Denn bisher gibt es keine Einigung über einen rechtskonformen Betrieb der Präsenz sachsen.de in dem sozialen Netzwerk. Hinzu kommt: Nach Informationen von saechsische.de sieht die Regierung eine Abschaltung der eigenen Seite als nicht gerechtfertigt an. Hundert will nun eine entsprechende Erklärung der Regierung prüfen und dann eine Entscheidung treffen. Sollte die Erklärung aus ihrer Sicht keine neuen triftigen Argumente enthalten, wird damit gerechnet, dass sie die angedrohte Anordnung zur Abschaltung der Seite erlässt. In diesem Fall kann die Regierung ein endgültiges Verbot ihrer Facebook-Seite allerdings durch eine Klage aufschieben.
Demonstranten stürmen Stadtrats-Sitzung
Eine von den rechtsextremen Freien Sachsen organisierte, parallel zur Zittauer Stadtratssitzung laufende Demonstration gegen das im Zittauer Ortsteil Hirschfelde geplante Asylbewerberheim ist am Donnerstagabend eskaliert. Mit "Nein zum Heim"- und "Beantworten Sie Fragen zum Heim"-Rufen stürmte ein Teil der Demonstranten das Rathaus und unterbrach die Sitzung. Nachdem die Polizei aus Sicherheitsgründen erschienen war und die Demonstranten ihre Fragen losgeworden waren, verließen sie den Saal.
Der Görlitzer Oberbürgermeister Octavian Ursu (CDU) warnt derweil vor einer Überlastung der Kommunen bei der Aufnahme von Flüchtlingen. Generell ist die Zahl der nach Deutschland geflohenen Menschen innerhalb eines Jahres zuletzt 2007 so stark angewachsen. "Wenn die Anzahl der Flüchtlinge weiter steigt, bekommen wir ein Problem und stoßen an unsere Grenzen", sagt er gegenüber dem Focus. Wenn der Migrationsanteil an Schulen über 40 oder 50 Prozent steige, sei die Grenze erreicht. Der Landkreis geht davon aus, in absehbarer Zeit eine zentrale Flüchtlingsunterkunft in Görlitz in Betrieb zu nehmen. Der Dresdner Politikwissenschaftler Hans Vorländer kritisiert unterdessen die Bundes-CDU, die am Donnerstag zu einem eigenen Flüchtlingsgipfel eingeladen hat. Der MDR berichtet.
Milbradt schlichtet im Tarifstreit
Sachsens ehemaliger Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) soll versuchen, eine Einigung im Tarifstreit für den öffentlichen Dienst herbeizuführen. Die Gewerkschaften haben die Gespräche für gescheitert erklärt. Die Arbeitgeber kündigten am Donnerstag an, eine Schlichtungskommission einzuberufen. Wann mit den nächsten Streiks zu rechnen ist, ist hier zusammengefasst. Milbradt sitzt bereits seit 2009 bei Tarifverhandlungen für den Öffentlichen Dienst für die Arbeitgeberseite auf der "Schlichter-Bank". Sobald die Verhandler an ihren gegenseitigen Forderungen und Vorstellungen gescheitert sind, muss er ran. So wie jetzt in Potsdam. "Wir werden versuchen, die beiden Seiten wieder näher und zu einer Einigung zu führen", sagt er gegenüber Sächsische.de.
Lina E.: Anklage sieht Vorwürfe bestätigt
Im Prozess gegen die mutmaßliche Linksextremistin Lina E. und drei Mitangeklagte sieht die Bundesanwaltschaft ihre Vorwürfe als bewiesen an. Nach 92 Verhandlungstagen stehe fest, dass sie als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung zwischen 2018 und 2020 Überfälle auf Angehörige der rechten Szene in Leipzig, Wurzen und Eisenach geplant und ausgeführt haben, sagte ein Vertreter der Anklagebehörde am Donnerstag am Oberlandesgericht Dresden. Die Angeklagten hätten gemäß ihres Weltbildes das Recht in die eigenen Hände genommen. Mit diesem Handeln werde nur die Radikalisierung der politischen Lager vorangetrieben. Die Staatsanwältin ordnete der Gruppe insgesamt sechs Taten zu. Sie räumte jedoch ein, dass die Beweislage für die Teilnahme an den einzelnen Taten nicht klar auf der Hand liege.
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