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Morgenlage in Sachsen: Kritik für Kretschmer, Wohnungsmarkt, Brandbrief

Koalitionspartner kritisieren Kretschmer + Wohnungsmarkt: Sachsen wollen mehr Staat + Brandbrief an Kretschmer wegen Finanzlage + TU startet Roboterzentrum

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Sachsens Umweltminister Wolfram Günther (Grüne) kritisiert Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) wegen dessen Aussagen zu Leistungen für Asylbewerber.
Sachsens Umweltminister Wolfram Günther (Grüne) kritisiert Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) wegen dessen Aussagen zu Leistungen für Asylbewerber. © Daniel Förster

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Guten Morgen,

warum sollte man nicht die Fehler machen, die andere schon vor Jahren als Fehler erkannt haben? Vor mehr als drei Jahren bekannte der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) in einem Interview, dass die Annäherung seiner Partei an die AfD ein Fehler gewesen sei. Man habe daraus nach der Landtagswahl 2018 seine Schlüsse gezogen, die AfD klar als Gegner gesetzt, um deren Wähler man nicht durch inhaltliche Zugeständnisse buhlen dürfe.

Heute, nur fünf Jahre später, scheint der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer mehr und mehr im Umgang mit der AfD in dieser Populismus-Falle gefangen. Nein, er scheint sich darin sogar fast schon so wohlzufühlen, so sicher, dass er sie gar nicht mehr verlassen will. Dieser Schluss lässt sich aus mehreren Passagen seines jüngsten Interviews mit dem Münchner Merkur ziehen.

Nicht nur dass Kretschmer sich darin für die Kürzung von Asylbewerber-Leistungen in Deutschland ausspricht, nachdem das höchste deutsche Gericht vor kurzem erst dazu eindeutig dazu geurteilt hat. Zudem wird Kretschmer immer mehr zum dauer-wahlkämpfenden "Limbo-Tänzer" – da liegt keine "Bashing-Niveau-Latte" tief genug, als dass man sich nicht noch darunter durchquetschen könnte.

Lieblings-Objekt sind die Grünen, mit denen man in Sachsen zwar zusammen regiert. Aber dass es im Bund nicht klappt, da hätten die Grünen "einen riesigen Anteil" mit ihrer "autokratischen Ampelpolitik". Autokratisch? Kurzer Blick ins Lexikon: Autokratie ist eine Herrschaftsform, in der eine oder mehrere Personen unkontrolliert politische Macht ausübt und keinen verfassungsmäßigen Beschränkungen unterworfen ist. Nun, müssen wir also jetzt auch um Sachsen fürchten?

Nicht zu vergessen: die "Russland-Platte", die Kretschmer wie ein "Polit-DJ" im Dauerwahlkampf zur Zeit wieder in nahezu jedem Interview und bei jedem öffentlichem Auftritt auflegt. Auch diese Passage findet sich im neuesten Kretschmer-Interview: "Schauen wir mal an, was den Deutschen in den letzten zwölf Monaten alles erzählt wurde, was wir keinesfalls – niemals – machen: Kriegspartei werden, Waffen liefern, Angriffswaffen, Panzer. Eines nach dem anderen findet statt, wir sind auf einer schiefen Ebene." Nein, falsch. Deutschland ist weiterhin keine "Kriegspartei". Diesen Eindruck sollte man als Ministerpräsident nicht einmal ansatzweise "bedienen".

Manchmal wird mir ein wenig bange – mit Blick auf die kommenden Wahlen in Sachsen.

Herzlichst,

Ihre Annette Binninger, Leiterin Politikredaktion Sächsische.de

Das Wichtigste am Morgen:

Koalitionspartner kritisieren Kretschmer

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) stößt mit seiner in einem Interview mit dem Münchner Merkur aufgestellten Forderung, Leistungen von Asylbewerbern in Deutschland zu kürzen, auf heftigen Widerspruch bei seinen Koalitionspartnern. Vize-Ministerpräsident Wolfram Günther (Grüne) weist via Twitter darauf hin, dass jedem Menschen, der in Deutschland lebe, ein "menschenwürdiges Existenzminimum" zustehe. "Das in Frage zu stellen, ist in einem Rechtsstaat kreuzgefährlich", warnt Günther. Scharfe Kritik kommt auch von Sachsens SPD-Landeschef Henning Homann. "Die CDU Sachsen profiliert sich bundespolitisch gezielt auf dem Rücken von Minderheiten und das mit Vorschlägen, die spätestens am Bundesverfassungsgericht scheitern."

Wohnungsmarkt: Sachsen wollen mehr Staat

Angesichts steigender Mieten und zunehmender Wohnungsnot in den Großstädten blicken die Sachsen mit Sorgen auf die derzeitige Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt. Zugleich wünschen sie sich stärkere Eingriffe des Staates - und haben dabei vor allem drei Mittel im Blick. Das zeigen mehrere repräsentative Umfragen von Sächsische.de und den Meinungsforschern von Civey. Demnach denken 86 Prozent, dass die Wohnungsnot in den deutschen Großstädten in den nächsten Jahren zunehmen wird. Zwei Drittel finden es gerechtfertigt, wenn der Staat bei überhöhten Mietpreisen in den freien Wohnungsmarkt eingreift. Dabei gibt es für den staatlichen Kauf von Wohnungen, für die gesetzliche Begrenzung von Mietpreisen sowie für eine Wohnungsbauförderung die höchsten Zustimmungswerte.

Brandbrief an Kretschmer wegen Finanzlage

Die Bürgermeister und der Landrat aus dem Landkreis Meißen weisen auf die schwierige finanzielle Situation in den kommunalen Haushalten hin. Alle 28 Bürgermeister des Landkreises haben zudem einen "Weckruf" unterschrieben, der per Post an Sachsens Ministerpräsidenten Michael Kretschmer und den Landtagspräsidenten Matthias Rößler (beide CDU) gehen soll. Radebeuls Bürgermeister Bert Wendsche (parteilos) kritisierte bei einer Pressekonferenz am Montag zum Beispiel, dass der Haushalt des Landkreises genehmigt wurde - trotz Millionendefizit. "Das ist ein unredliches Erkaufen von Zukunft", so Wendsche. Sachsen sei bislang immer sehr gut damit gefahren, sich nicht die Taschen vollzulügen und mit ungedeckten Schecks zu handeln. Ein Prinzip, das gerade geopfert werde. Jetzt sollen sich weitere Unterstützer dem "Weckruf" anschließen.

TU Dresden startet Roboterzentrum

In einem Future Robotics Lab wollen Wissenschaftler der Technischen Universität Dresden künftig Maschinen völlig neuer Art erfinden. Bei dem deutschlandweit neuartigen Roboterzentrum sind Wissenschaftler aus gleich drei Fakultäten beteiligt: der Informatik, dem Maschinenwesen und der Elektrotechnik. Das erklärt Uwe Aßmann, Software-Professor und Chef des neuen Labors, im Gespräch mit Saechsische.de. Das Konzept stammt von der amerikanischen Eliteuniversität Berkeley. Unter anderem geht es darum, mit KI Robotern den Tastsinn zu lehren. Ziel des Zentrums sind möglichst viele Ausgründungen.

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