Morgenlage in Sachsen: Lina E., Kretschmers Asylpolitik, Radwege

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Guten Morgen,
wer ist Lina E.? Zumindest gerichtlich wird diese Frage in dieser Woche beantwortet. Denn morgen fällt das Dresdner Oberlandesgericht nach fast hundert Prozesstagen das Urteil gegen die mutmaßliche Linksextremistin und drei weitere Beschuldigte. Die Gruppe soll, so der Vorwurf, regelrecht Jagd auf Rechtsextremisten gemacht haben - und auf solche, die sie dafür hielten. Acht Jahre Haft fordert die Generalbundesanwaltschaft allein für die 28-Jährige.
Das Verfahren ist hoch politisch. Für Sachsens Landeskriminalamt hat es große Bedeutung, wie Dirk Münster, Leiter der Staatsschutzabteilung, kürzlich im Interview mit Sächsische.de betonte. "Politische Auseinandersetzungen müssen geführt werden, ohne dass sich die Menschen gegenseitig die Köpfe einschlagen", sagt er. Die Anwälte der Angeklagten verteidigten hingegen im Prozess die Selbstjustiz. Die Angeklagten vertrauten nach den rechtsextremen Anschlägen in den letzten Jahren, dem Versagen von Polizei und Justiz und den milden Strafen dem Staat nicht mehr, argumentieren sie.
Der Prozess ist aber auch stark emotionalisiert - wegen der Person Lina E. Das Auftreten der Angeklagten im Prozess und das Bild, das sich aus der langen Beweisaufnahme ergibt, passen auf den ersten Blick nicht zusammen. Mit einer Schleife im Haar und fröhlichem Lächeln winkte sie ihren Unterstützern zu. Sie warf Kusshände in die Runde, wenn sie morgens in den Saal kam. Es gibt mittlerweile eine ganze Reihe an Fan-Utensilien. Lina E. ist eine Heldin der linken Szene in ganz Deutschland, wie meine Kollegin Karin Schlottmann in ihrem lesenswerten Vorab-Bericht zum Prozessende schreibt.
Wohl nicht ohne Grund rechnet die Polizei mit Demos nach dem Prozessende, auch mit Gewalt. Entsprechende Aufrufe gibt es für Mittwoch für Dresden, Hamburg, Berlin und auch Leipzig, wo am Samstag außerdem für den "Tag X" mobilisiert wird.
Ihr Tobias Winzer, Politikredakteur Sächsische.de
Das Wichtigste am Morgen:
Asylpolitik: Kretschmer schlägt Grundgesetzänderung vor
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) bekräftigt seine Forderung nach einer anderen Asylpolitik. In einem Interview mit welt.de (und auf Twitter) wirft er dem Bund Versäumnisse vor. "Wir stehen aber vor einem Kollaps", sagte er mit Blick auf die stark gestiegene Zahl der Migranten. "Wir können sie nicht integrieren. Schulen und Kindergärten sind überlastet, es gibt keine Wohnungen. Wir können kaum noch Sprachunterricht anbieten. Deshalb müssen die Zahlen reduziert werden", erklärt er. Doch dazu sei die Ampel-Koalition nicht bereit. Kretschmer bringt dafür auch eine Änderung des Grundgesetzes ins Spiel, ohne auf Einzelheiten einzugehen. Er bekräftigt seine Forderung, für dieses Problem eine Kommission mit Vertretern aller politischen und gesellschaftlichen Gruppen einzusetzen. Kretschmer hatte sich bereits vor einer Woche ähnlich geäußert und dafür teils heftige Kritik von den Koalitionspartnern in Sachsen geerntet.
Wie Zeit Online berichtet, können derzeit in Sachsen 380 geflüchtete Kinder nicht in die Schule gehen. In anderen Bundesländern ist die Not aber noch größer. Bei den Deutschkursen gibt es mittlerweile vielfach Wartelisten. Im Landkreis Bautzen beträgt die Wartezeit zum Beispiel rund sechs Monate, wie die zuständige Koordinatorin im Interview mit Sächsische.de sagt.
Schuster fordert weiter stationäre Grenzkontrollen
Der sächsische Innenminister Armin Schuster (CDU) besteht weiter auf stationären Kontrollen an der Grenze zu Polen. Einen Tag vor dem heutigen Treffen mit Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) im Gemeinsamen Zentrum der deutschen und polnischen Polizei in Swiecko (Polen) wies Schuster am Montag Befürchtungen zurück, es könne als Folge von Kontrollen zu Staus und Störungen des EU-Binnenmarktes kommen. "So viel Vertrauen sollte die Ministerin in ihre Bundespolizei haben. Wir fordern weder die von ihr so bezeichneten Grenzschließungen noch die aus der Corona-Zeit bekannten Vollkontrollen", so Schuster.
Faeser hatte am Freitag nach einem Krisentreffen an der sächsisch-tschechischen Grenze mit ihrem tschechischen Kollegen Vit Rakusan und Schuster stationäre Grenzkontrollen zwischen Tschechien und Deutschland ausgeschlossen. Stattdessen verwies sie auf einen verstärkten Einsatz der Bundespolizei, wodurch zum Beispiel auch im Dreiländereck bei Zittau mehr Streifen unterwegs sind. Ähnliches ist auch an der Grenze zu Polen vorgesehen. Feste Kontrollen sieht Faeser nur als letztes Mittel.
Bürokratie behindert schnelle Radweg-Fortschritte
In Sachsen geht der Radwegeausbau schleppend voran. Von den 540 Kilometern neuen Radwegen, die die Landesregierung bis 2025 bauen lassen wollte, sind bislang nur 100 fertig. Absehbar ist, dass das Ziel nicht erreicht wird. Laut dem Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) verfügen zudem nur elf Prozent der sächsischen Staatsstraßen über einen Radweg. Im Bundesdurchschnitt sind es 26 Prozent. Einer der Gründe, warum es so langsam vorangeht, ist die Bürokratie. Im Normalfall dauert es acht Jahre vom Planungsstart bis zum tatsächlichen Baubeginn, sagt das Verkehrsministerium. Deswegen konzentriert man sich nun auf Nebenstrecken und Lückenschlüsse.
Großforschung: Experte dämpft Erwartungen
Der Wirtschaftsforscher und stellvertretende Leiter des Ifo-Institutes in Dresden, Joachim Ragnitz, dämpft die Erwartungen bezüglich der beiden beschlossenen Großforschungszentren in Sachsen. Auf lange Sicht könne das funktionieren, sagt er im Interview mit Sächsische.de. "Obwohl ich finde, dass die Forschungszentren nicht so richtig zur bestehenden wirtschaftlichen Struktur passen." Für das Gelingen des Strukturwandels empfiehlt Ragnitz, Neuansiedlungen von Unternehmen direkt zu unterstützen, "darüber hinaus Forschung und Entwicklung in bestehenden Unternehmen". Die sogenannten Strukturstärkungsgelder sollten zudem dafür genutzt werden, Verkehrsanbindungen zu verbessern und Gewerbeflächen zu entwickeln.
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