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Sachsen will die Plätze in den Erstaufnahmen erhöhen

Mehr als 12.000 Menschen haben 2022 Asyl in Sachsen beantragt. Dazu kommen noch etwa 60.000 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine. Das bringt die Kommunen an ihre Grenzen.

Von Andrea Schawe
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Mehr als 60.000 Menschen aus der Ukraine kamen 2022 nach Sachsen. Sie müssen kein Asyl beantragen.
Mehr als 60.000 Menschen aus der Ukraine kamen 2022 nach Sachsen. Sie müssen kein Asyl beantragen. © dpa/Stefan Puchner

Dresden. Im vergangenen Jahr haben wieder mehr Menschen in Sachsen Asyl beantragt. Nach Daten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge wurden 2022 insgesamt 12.224 Erstanträge auf Asyl in Sachsen registriert.

2021 waren es 10.904 Anträge, 2020 nur 4.912 Anträge. Damals galten wegen der Corona-Pandemie weltweit strenge Reisebeschränkungen.

Deutschlandweit haben 2022 so viele Menschen Asyl beantragt wie seit 2016 nicht mehr. Nach Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge haben von Anfang Januar bis Ende Dezember mehr als 217.700 Menschen erstmalig in Deutschland Schutz ersucht. Das waren knapp 47 Prozent mehr als im Jahr zuvor.

Die rund eine Million Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine, die im vergangenen Jahr in Deutschland Aufnahme fanden, mussten keinen Asylantrag stellen, sondern haben auf Basis einer EU-Richtlinie unmittelbar vorübergehenden Schutz erhalten. Hauptsächlich handelt es sich dabei um Frauen und Kinder. In Sachsen leben etwa 60.000 ukrainische Kriegsflüchtlinge.

Kommunen an der Kapazitätsgrenze

Dass diese Menschen "relativ geräuschlos" in Sachsen untergebracht werden konnten, sei eine "immense solidarische Leistung", sagte Bert Wendsche, der Präsident des sächsischen Städte- und Gemeindetages am Montag nach einem Spitzentreffen zum Thema Asyl in der Staatskanzlei. An dem Treffen nahmen neben der sächsischen Staatsregierung auch Vertreter der sächsischen Kommunen und Landkreise sowie von Landesdirektion, Bundesagentur für Arbeit, der Liga der Freien Wohlfahrtspflege in Sachsen und des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge teil.

Auch Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) lobte die Leistung der Kommunen. "Der Freistaat Sachsen ist ein solidarisches Land."

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU)hat zu einem Spitzengespräch in der Staatskanzlei zu den aktuellen Herausforderungen durch Migration eingeladen.
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU)hat zu einem Spitzengespräch in der Staatskanzlei zu den aktuellen Herausforderungen durch Migration eingeladen. © dpa

Neben der dezentralen Unterbringung in Wohnungen müssen die Landkreise und kreisfreien Städte auch auf Gemeinschaftsunterkünfte zurückgreifen. Allerdings kommen die Kommunen an ihre Grenze, warnte Wendsche. Sollte der Flüchtlingsstrom anhalten, seien die Kapazitäten für Unterbringung und Integration Ende des ersten Quartals erschöpft.

Erstaufnahmen zu etwa 70 Prozent ausgelastet

Sachsen will deswegen die Plätze in den Erstaufnahmeeinrichtungen mittelfristig erhöhen, kündigte Kretschmer an. Das würde den Kommunen mehr Flexibilität ermöglichen. Derzeit sind in Sachsen etwa 4.300 Asylbewerber in den Erstaufnahmeeinrichtungen in Dresden, Leipzig und Chemnitz untergebracht. Dazu kommen noch 588 Menschen, die wegen des russischen Angriffskrieges aus der Ukraine geflohen sind.

Die meisten Geflüchteten kamen im vergangenen Jahr aus Syrien, Venezuela, der Türkei und Afghanistan. Deutschland hat sich verpflichtet, etwa 33.000 afghanische Ortskräfte nach der Machtübernahme der Taliban aufzunehmen - davon etwa 1.665 Personen in Sachsen. Für 2021/2022 hat der Freistaat nach Angaben der Landesdirektion bereits Zusagen für 328 Familien mit 1.515 Personen erteilt. Am Montag wurden 41 afghanischen Ortskräfte mit ihren Familien in einer Unterkunft in Chemnitz Einsiedel untergebracht. Insgesamt verfügt das Objekt über 352 Plätze, die vorrangig mit afghanischen Ortskräften und ihren Familien belegt werden sollen.

Kretschmer: Mehr Einsatz des Bundes bei Abschiebungen

Insgesamt lebten nach Angaben der Landesdirektion zum Stichtag 30. November 28.677 Asylbewerber im Freistaat. Etwa 14.600 Menschen waren zur Ausreise verpflichtet, 12.000 von ihnen hatten aber eine Duldung. Kretschmer forderte in diesem Punkt mehr Engagement der Bundesregierung. "Wir brauchen Rückführungsabkommen und Vereinbarungen mit den Herkunftsländern", sagte der Ministerpräsident. Auch auf die Einhaltung der geltenden Regelungen in Bezug auf die EU-Außengrenzen - vor allem in Bulgarien - müsse der Bund pochen.

"Gelingende Integration und die Möglichkeit zur Beteiligung am Erwerbsleben sind Ziele, die wir angesichts der demografischen Herausforderungen in Sachsen mit Kraft angehen sollten", teilte Petra Čagalj Sejdi, die Sprecherin für Asyl, Migration und Integration der Grünen-Fraktion im Landtag mit. Die Grünen forderten Unterstützung für das neue Chancenaufenthaltsrecht der Bundesregierung. Der Freistaat "sollte sich da voll dahinter stellen - und damit meine ich auch die CDU."

Auch die SPD wies darauf hin, dass bei der Aufnahme und Integration geflüchteter Menschen nicht aufgrund der Herkunft unterschieden werden dürfe. "Das ist nicht nur eine Frage der Humanität, das ist auch im Interesse des Freistaates", sagte Innenpolitiker Albrecht Pallas. Sachsen brauche gut integrierte Menschen, nicht zuletzt für den angespannten Arbeitsmarkt.

Die Linksfraktion forderte mehr Unterstützung des Freistaates für die Kommunen. "Sachsen hat Platz und die Kraft, schutzsuchende Menschen anständig zu behandeln und wechselseitige Teilhabe zu ermöglichen", so die asylpolitische Sprecherin Juliane Nagel. Das klappe am besten dezentral in Wohnungen, größere Unterkünfte sollen möglichst nicht oder jeweils nur kurz gebraucht werden.

Der AfD-Fraktionsvorsitzende Jörg Urban forderte "einen sofortigen Aufnahme-Stopp in Sachsen".