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So begründet Kretschmer die Wöller-Entlassung

Nach mehreren Skandalen wird Sachsens Innenminister Roland Wöller entlassen. Nun äußert sich auch der Ministerpräsident - und sagt, was er vom Nachfolger erwartet.

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Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hat am Freitag Innenminister Roland Wöller (CDU) nach zahlreichen Skandalen entlassen.
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hat am Freitag Innenminister Roland Wöller (CDU) nach zahlreichen Skandalen entlassen. © Sebastian Kahnert/dpa

Dresden. Der Streit zwischen den Polizeigewerkschaften und Innenminister Roland Wöller (CDU) hat personelle Konsequenzen. Ministerpräsident Michael Kretschmer entlässt den Minister. Am Freitag sagte Kretschmer über die Entlassung: "Zuletzt hatte ich das Gefühl, dass wir nur noch über vermeintliche oder tatsächliche Skandale reden. Jetzt brauchen wir einen Neuanfang."

Der Regierungschef dankte seinem "langjährigen Wegbegleiter" Wöller für seine Arbeit und würdigte seine Mitarbeit am Polizeigesetz und die Bereitstellung von zusätzlichem Personal für die Polizei.

Gebraucht würden nun aber Kraft, Vertrauen und neue Ideen. Genau diese Eigenschaften bringe der künftige Innenminister, Armin Schuster, mit, den er seit 2002 kenne, sagte Kretschmer. Schuster soll bereits am Montag in der Sächsischen Staatskanzlei seine Ernennungsurkunde erhalten.

Schuster war bis 2020 CDU-Bundestagsabgeordneter und leitet inzwischen das Bundesamt für Katastrophenschutz. ​Die Nachfolge-Lösung ist in der CDU-Landtagsfraktion bereits jetzt heftig umstritten. Schuster kommt aus Baden-Württemberg.

Da der Innenminister nicht nur für die Polizei, sondern auch für die Kommunalpolitik zuständig ist, hätte die CDU-Fraktion einen Nachfolger aus Sachsen bevorzugt. Die Entscheidung für Schuster sende verheerende Signale aus, heißt es. Offiziell wies CDU-Fraktionschef Christian Hartmann dies aber zurück. Die Entscheidung von Kretschmer, Wöller zu entlassen, sei "nachvollziehbar und zu respektieren. Mit Schuster gebe es jetzt eine Chance für einen Neuanfang.

Armin Schuster, 60, wird neuer Innenminister in Sachsen.
Armin Schuster, 60, wird neuer Innenminister in Sachsen. © Bernd von Jutrczenka/dpa

Wöller selbst äußerte sich am Freitag nicht zur Entlassung. Gegen halb zehn verließ er die Staatskanzlei durch den Hinterausgang. Auf Facebook postete er wenig später eine Zeichnung seines Sohnes Lorenz mit dem Titel "Schluss mit der Krawatte".

Zuletzt hatte die Polizeigewerkschaft vehement den Rücktritt Wöllers gefordert, der hatte aber abgelehnt. Der Grund sind Vorwürfe, er habe bei Personalentscheidungen politische Weggefährten und Bekannte seiner Familie bevorzugt. Dem Politiker wird "Vetternwirtschaft" vorgeworfen.

So soll eine Freundin von Wöllers Ehefrau Kanzlerin der Polizeihochschule Rothenburg werden. Und nur Tage zuvor war der Vorsitzende des CDU-Kreisverbandes Görlitz Florian Oest als neuer Polizeisprecher nach Dresden gekommen. Der Wechsel überraschte auch intern.

Skandale in der Polizei

Dazu kamen in den letzten Tagen auch Skandale innerhalb der Polizei, vor allem beim Mobilen Einsatzkommando (MEK). Es war bekannt worden, dass die Spezialeinheit einen Skiurlaub in einem Vier-Sterne-Hotel in den Alpen als "Fortbildungsreise" deklariert habe. Zudem ermittelt das LKA gegen 25 Beamte des MEK Leipzig. Sie sollen bei einem illegalen Aufnahmeritual mit Übungswaffen aufeinander geschossen haben. Zwei ranghöhere Beamte wurden daraufhin entlassen.

Im vergangenen Jahr hatte das MEK Dresden für Schlagzeilen gesorgt. Das Kommando hatte 2018 ohne Erlaubnis an einem Schießtraining auf einem privaten Schießplatz in Güstrow (Mecklenburg-Vorpommern) teilgenommen und dafür mit mindestens 7.000 Schuss Munition aus eigenen Beständen bezahlt. Weitere rund 7.500 Schuss wurden entwendet, um das Schießtraining zu absolvieren. Die Generalstaatsanwaltschaft hat inzwischen Anklage gegen drei Polizisten erhoben, gegen 14 weitere wird noch ermittelt. Das Kommando wurde aufgelöst.

Eine weitere Affäre betraf Korruptionsvorwürfe bei der Polizei in Leipzig. Dort sollen Beamte illegal mit gestohlenen Fahrrädern gehandelt habe. Der Fall sorgte unter dem Schlagwort "Fahrradgate" für Aufsehen. Inzwischen ist Anklage gegen die frühere Leiterin der Asservatenkammer erhoben worden.

Nicht das erste Ministeramt Wöllers

Roland Wöller ist gelernter Bankkaufmanns und diplomierter Volkswirt. 2012 verließ er schon einmal die Regierung. Im Streit um das Bildungspaket der damaligen CDU/FDP-Regierung zeigte er Rückgrat und trat als Kultusminister zurück. Wöller fand das Paket zur Behebung des Lehrermangels völlig unzureichend und sah darin eine Mogelpackung. "Das kann ich aus Verantwortung für Lehrer, Schüler und Eltern nicht mehr mittragen", sagte er damals und ging - nach eigenem Bekunden "ohne Zorn".

Bis dahin war die politische Laufbahn Wöllers steil nach oben gegangen. Zeitweise hielt man ihn sogar für einen potenziellen Kronprinzen im Freistaat. Wöller galt stets als ehrgeizig. 1987 war er in die Junge Union eingetreten, im Jahr darauf erhielt er das CDU- Parteibuch. 1999 rückte er in den Landtag in Dresden ein - zu einer Zeit, als die Union in Sachsen noch über 50 Prozent der Stimmen für sich verbuchen konnte.

Im September 2007 hatte der damalige Regierungschef Georg Milbradt (CDU) nach der Fast-Pleite der Landesbank Sachsen das Kabinett umgebildet und Wöller das Agrar- und Umweltministerium übergeben. Wöllers Amtsvorgänger hieß Stanislaw Tillich (CDU), der auch an Wöller festhielt, obwohl der in der CDU-Fraktion nicht nur Freunde hatte. Vielen Unionsanhängern schien der Mann aus Duisburg zu selbstbewusst.

Nach dem Abgang als Minister blieb Wöller in der Fraktion. Arbeit hatte er auch anderswo: Seit 2003 hatte er zunächst in Vertretung eine Professur an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Dresden (FH) inne, 2006 wurde er dort ordentlich berufen. Sein Comeback in der Regierung hat er Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) zu verdanken. Als der nach dem Rücktritt von Tillich im Dezember 2017 Regierungschef im Freistaat wurde, holte er seine Vertrauten Wöller als Innenminister und Christian Piwarz als Kultusminister ins Kabinett. (SZ mit dpa)