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Nach Klebe-Attacke auf Sixtinische Madonna: Razzien in drei Bundesländern

Wohnungen der Klima-Protestler, die sich an die Sixtinische Madonna in Dresden klebten, werden durchsucht. Derweil legt die "Letzte Generation" den BER lahm und stört ein Konzert der Sächsischen Staatskapelle in Hamburg.

Von Erik-Holm Langhof
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Mehrere Polizeibeamte haben am Morgen die zwei Wohnungen der Klima-Aktivisten in Leipzig durchsucht.
Mehrere Polizeibeamte haben am Morgen die zwei Wohnungen der Klima-Aktivisten in Leipzig durchsucht. © dpa/TNN/Tobias Junghanß

Leipzig/Dresden. Im August haben sie sich an den Rahmen der weltberühmten Sixtinischen Madonna in Dresden geklebt, nun durchsucht die Polizei im Auftrag der Staatsanwaltschaft Dresden die Wohnungen der Klima-Aktivisten Maike Grunst (22) und Jakob Beyer (29) sowie des 22-jährigen Henning Jeschke.

Wie die Staatsanwaltschaft und das Landeskriminalamt (LKA) Sachsen gemeinsam mitteilen, wurden am Donnerstag Objekte in Leipzig, Berlin und in Greifswald in Mecklenburg-Vorpommern durchsucht.

An allen Standorten seien die Beschuldigten nicht angetroffen worden. Zumindest bei dem 29-Jährigen hätte das den Behörden aber auch bekannt sein können: Jakob Beyer befinde sich nach Angaben des Bündnisses "Letzte Generation" derzeit in Präventionshaft in Bayern.

Die Durchsuchungen der Wohnungen seien auf Grundlage richterlicher Beschlüsse des Amtsgerichtes Dresden erfolgt, teilten die Behörden mit. Derzeit ermittele die Staatsanwaltschaft gegen die drei jungen Erwachsenen wegen des Verdachts der gemeinschädlichen Sachbeschädigung.

Jakob Beyer (29) und Maike Grunst (22) haben sich am 23. August im Rahmen einer Klima-Aktion der "Letzten Generation" an die "Sixtinische Madonna" in Dresden geklebt.
Jakob Beyer (29) und Maike Grunst (22) haben sich am 23. August im Rahmen einer Klima-Aktion der "Letzten Generation" an die "Sixtinische Madonna" in Dresden geklebt. © Archiv/kairospress

Bei den Razzien seien Beweismittel wie Datenträger und Kommunikationsmittel sichergestellt worden, hieß es. Diese müssten nun ausgewertet werden, so die Staatsanwaltschaft Dresden und das LKA am Nachmittag.

An dem Einsatz waren mehr als 60 Beamte beteiligt. Dabei wurde das Landeskriminalamt durch Beamte der sächsischen Bereitschaftspolizei unterstützt. In den anderen Bundesländern rückten Kräfte aus Mecklenburg-Vorpommern und Berlin aus.

Die Beamten haben bei der Durchsuchung einer Wohnung in der Leipziger Innenstadt mehrere Kommunikationsmittel und Datenträger beschlagnahmt.
Die Beamten haben bei der Durchsuchung einer Wohnung in der Leipziger Innenstadt mehrere Kommunikationsmittel und Datenträger beschlagnahmt. © xcitepress

Nach Reporterangaben fand eine der Durchsuchungen in der Rosa-Luxemburg-Straße im Leipziger Osten statt. Mehrere Beamte - auch in zivil - hätten dort die Wohnung durchsucht und mit verschiedenen Personen gesprochen. Dabei sei alles ruhig verlaufen. Eine weitere Razzia gab es zudem in der Leipziger Innenstadt.

Schaden von 4.000 Euro an Sixtinischer Madonna

Den beiden Klima-Klebern Maike Grunst und Jakob Bayer wird vorgeworfen, am 23. August mithilfe von Sekundenkleber ihre Hände an den Rahmen des Gemäldes Sixtinische Madonna in Dresden geklebt zu haben und dabei einen Schaden von etwa 4.000 Euro verursacht zu haben.

Der Mitbeschuldigte Henning Jeschke soll ihnen ein Transparent mit der Aufschrift "Letzte Generation" gereicht haben, das die beiden anschließend vor sich gehalten haben. Diese Aktion soll Jeschke anschließend in den sozialen Netzwerken verbreitet haben. Damals teilten die Staatlichen Kunstsammlungen noch mit, dass der Schaden bis zu 12.000 Euro hoch sein könnte.

Sollte es zu einem Strafprozess kommen, könnten die drei Beschuldigten wegen gemeinschädlicher Sachbeschädigung zu einer Geldstrafe oder aber zu einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren verurteilt werden.

Derzeit dauern die Ermittlungen an und werden nach Angaben der Staatsanwaltschaft und des LKA insbesondere aufgrund der "erforderlichen aufwändigen Auswertung der sichergestellten Datenträger noch einige Zeit in Anspruch nehmen".

"Letzte Generation" will nicht mit Protest aufhören

Auf Anfrage von Sächsische.de bestätigte eine Sprecherin der "Letzten Generation" am Donnerstagvormittag die Durchsuchung mehrerer Wohnungen. "Bei Maike Grunst, Jakob Beyer und – unbeteiligterweise – Henning Jeschke (nicht in Leipzig) stand am Donnerstagmorgen die Polizei vor der Tür", so die Sprecherin.

Außerdem sagte sie, dass sich die Beamten allein Zugang zur Wohnung von Jakob Beyer verschafften, obwohl sich dieser in Präventionshaft in München befindet. Nach Angaben der Organisation sei er dort, weil er "nicht aufgehört hat zu warnen".

Weiter teilt die Sprecherin mit: "Wir wissen zum aktuellen Standpunkt nicht, ob etwas und wenn ja, was, beschlagnahmt wurde. Die entscheidende Frage ist jedoch nicht, was diese drei Zuhause haben, sondern wie wir jenseits der planetaren Grenzen überleben." Man werde nicht aufhören, die "überlebenswichtigen Fragen" zu stellen.

CDU: "Selbstattestierte moralische Überlegenheit ist kein Freibrief"

Auch aus der sächsischen Politik kommen Reaktionen auf die Razzien in Zusammenhang mit dem Klima-Protest. CDU-Generalsekretär Alexander Dierks ließ mitteilen, dass das Beschädigen von Kunstschätzen kein legitimer Protest, sondern eine Straftat sei. "Wenn jeder so vorginge, dann werden unser Zusammenleben und unsere Demokratie ernsthaft infrage gestellt. Selbstattestierte moralische Überlegenheit ist kein Freibrief", so Dierks.

Er erwarte deshalb auch eine deutliche Verurteilung dieser Form des Aktivismus von allen demokratischen Parteien. "Es gibt noch zu viele, die dazu schweigen und diesen selbsternannten, strafbaren Aktivismus damit letztlich legitimieren." Dierks zufolge schade die "Letzte Generationen" bei Aktionen wie dem Ankleben an ein Gemälde auch dem "wichtige Anliegen des Klimaschutzes".

Flugbetrieb am BER-Airport unterbrochen

Ungeachtet der Razzien und der Kritik folgte am Donnerstagnachmittag schon die nächste Aktion der Protestler: Vertreter der "Letzten Generation" hatten sich Zugang zum Gelände des Hauptstadtflughafens BER verschafft. Wie die Gruppe mitteilte, klebten sich einige der Aktivisten auf dem Boden fest, andere fuhren mit Fahrrädern über das Gelände. Der BER stellte schließlich den Flugbetrieb ein.

Die Demonstranten seien laut einem Sprecher offenbar an zwei Stellen auf das Flughafengelände gekommen, sowohl auf der Nord- als auch auf der Südseite. Daher wurden beide Pisten gesperrt. Zunächst hatte der Flughafen keine Einschränkungen für den Flugbetrieb gemeldet.

Während startbereite Flugzeuge zunächst am Boden blieben, wurden anfliegende Maschinen zeitweise auf nahe gelegene Airports wie Dresden oder Leipzig umgeleitet. Auf dem Portal Flightradar24 war zu sehen, dass etwa Flieger aus Roskilde, Istanbul oder Mailand am Flughafen in Dresden ankamen. Am Abend wurden dann die Start- und Landebahnen am BER wieder freigegeben, auf den sächsischen Flughäfen kehrte wieder Ruhe ein.

Die Demonstranten streamten die Aktion live bei Twitter. Dort war zu sehen, wie sie kurz nach 16 Uhr einen Zaun durchknipsten und auf das Flughafengelände gingen. Anschließend hielten sie Banner in die Kamera und erklärten ihre Motive.

Protest beim Konzert der Sächsischen Staatskapelle in Hamburg

Schon am Mittwochabend hatten zwei Klima-Demonstranten der "Letzten Generation" in der Hamburger Elbphilharmonie für Aufsehen gesorgt. Kurz vor Beginn eines Konzertes der Sächsischen Staatskapelle klebten sich die beiden Protestler an einem Dirigentenpult fest.

In einem Video, dass die Gruppe auf Twitter verbreitete, sah man eine Frau und einen Mann, die jeweils mit Warnweste bekleidet an dem Pult auf der Bühne stehen und zum Publikum sprechen. Die Aktivisten forderten zum Widerstand gegen die ihrer Meinung nach unentschlossene Klimapolitik der Regierung auf.

Zwei Aktivisten hätten sich am Mittwochabend kurz nach 20 Uhr mit Sekundenkleber an einem Geländer im Großen Saal festgeklebt, teilte ein Sprecher der Polizei auf Nachfrage der Deutschen Presse-Agentur mit. Die beiden seien nach kurzer Zeit von dem Geländer gelöst und in Gewahrsam genommen worden.

"Genau wie es nur ein Geigenkonzert von Beethoven gibt, haben wir nur diesen einen Planeten, dessen Grenzen wir so sehr missachten, dass klimabedingte Katastrophen häufiger und tödlicher werden", sagt eine Aktivistin in einem auf Twitter veröffentlichten Video der "Letzten Generation". Und: "Es wird keine Elbphilharmonie mehr geben, um Beethoven zu genießen, wenn Hamburg unter Wasser steht." (mit SZ/mja; dpa)