Sachsen
Merken

Sachsen beschließt neues Programm für Artenvielfalt

Das sächsische Kabinett hat ein Programm für bedrohte Tiere und Pflanzen beschlossen. Es gibt über 200 Handlungsziele. So soll Biber und Co. geholfen werden.

Von Nora Miethke
 4 Min.
Teilen
Folgen
Der Biber in Sachsen ist vom Aussterben bedroht. Sachsen will ihm und anderen Tieren und Pflanzen nun mit einem Programm zur Artenvielfalt helfen.
Der Biber in Sachsen ist vom Aussterben bedroht. Sachsen will ihm und anderen Tieren und Pflanzen nun mit einem Programm zur Artenvielfalt helfen. © Felix Heyder/dpa (Symbolbild)

Dresden. In Sachsen leben 25.000 Insektenarten. Für 2.000 von ihnen hat der Freistaat eine Gefährdungsanalyse in Auftrag gegeben. Ergebnis: Fast jede zweite untersuchte Insektenart ist ausgestorben oder arg gefährdet. „Hier besteht dringender Handlungsbedarf“, sagt Sachsens Umweltminister Wolfram Günther (Bündnis 90/Die Grünen). Und das nicht nur beim Schutz der Insekten.

Insgesamt habe das Artensterben und der Lebensraumverlust für Pflanzen und Tiere ein atemberaubendes Tempo erreicht, betonte der Minister bei der Vorstellung des neuen Sächsischen Biodiversitätsprogramm „Sachsens Biologische Vielfalt 2030 – Einfach machen!“.

Das Rahmenwerk wurde am Dienstag vom Kabinett beschlossen und hat zum Ziel, den signifikanten Rückgang der Artenvielfalt zu stoppen und biologische Vielfalt in Sachsen wiederherzustellen, wo erforderlich. „Wir müssen entschlossener handeln“, so Günther. Denn im Vergleich zu 2009 habe sich die Lage noch einmal deutlich verschärft.

Sachsen will vom Aussterben bedrohten Tieren helfen

Heute seien bei den europäisch geschützten Biotopen und Arten mehr als 50 Prozent der Lebensraumtypen und deutlich mehr als 40 Prozent der Arten stärker gefährdet als 2009. Als Beispiele für bedrohte Vogelarten in Sachsen nannte der Minister unter anderem Ziegenmelker, Wachtelkönig sowie Reb- und Birkhuhn.

Bei anderen Tierarten sind Kreuzkröte, Biber, Feldhamster, Lachs und Äsche gefährdet. Das neue Programm sei „ehrgeizig, weil wir bis 2030 die Trendwende erreicht haben wollen“, so Günther. Bis zum Jahr 2050 sollen „günstige Erhaltungszustände“ nachgewiesen werden können.

Die Maßnahmen dienen auch dazu, die Lebensqualität und den Wohlstand der Menschen zu schützen. „Die abnehmende Zahl von Insekten etwa bedroht die Erträge in der Landwirtschaft. Umgekehrt dienen intakte, vitale Auen dem Hochwasserschutz und der Wasserverfügbarkeit und zahlen sich damit auch volkswirtschaftlich aus“, erläuterte der Grünen-Politiker. Dasselbe gelte für artenreiche Mischwälder.

Vier Millionen Euro mehr für den Naturschutz in Sachsen

Das Wiederherstellen von Mooren sei Klimaschutz und somit Wohlstandssicherung. Schutz allein in isolierten Schutzgebieten reiche nicht aus, er müsse in allen Formen der Landnutzung eine Rolle spielen. Das Handlungskonzept Insektenvielfalt ist jetzt Bestandteil des neuen Programms.

Das Biodiversitätsprogramm umfasst 34 Ziele zur angestrebten Qualität der biologischen Vielfalt sowie 267 Handlungsziele, mit denen diese erreicht werden sollen. 159 Handlungsziele liegen in der Zuständigkeit der Staatsregierung. Die Mehrzahl der Handlungsziele hat einen kurzfristigen Zeithorizont bis zum Jahr 2024.

Schlüsselvorhaben sind unter anderem „Natura 2000“-Flächen durch Schwerpunkt-Naturschutzstationen zu stärken und Biotopverbünde durch gezieltes Handeln auf landeseigenen Liegenschaften zu unterstützen. Der Freistaat hat laut Günther den Etat für Fördermaßnahmen im Bereich Naturschutz um vier Millionen Euro aus Landesmitteln auf insgesamt 19 Millionen Euro aufgestockt. Insbesondere soll der Flächenankauf für Naturschutz intensiviert werden wie auch das neue Landesprogramm „Stadtgrün“.

Diese Arten sind in Sachsen verschwunden oder bedroht

Nach Angaben des sächsischen Umweltamts sind in den vergangenen Jahren beispielsweise folgende Arten (fast) verschwunden: der Feldhamster (der Bestand liegt unter der Nachweisgrenze), der Gartenschläfer ist seit 2006 verschollen. Bei den Vögeln sind es das Birkhuhn, die Ringdrossel, Schwarzhalstaucher. Unter den Libellenarten sind die Mond-Azurjunger verschlossen und bei den Tagfaltern wurde der „Östliche Quendel-Bläuling“ zuletzt im Jahr 2002 in der Lausitz gesehen.

Unter den Wirbeltieren sind in den vergangenen zwei Jahrzehnten vor allem bei jeder dritten Amphibienart sehr starke Rückgänge zu beobachten wie zum Beispiel bei Grasfröschen und Kreuzkröten. Bei den Vögeln sind Braunkehlchen und Wiesenpieper gefährdet und bei Säugetieren das Graue Langohr.

Besonders bedroht sind gegenwärtig in Sachsen Tierarten, die in Agrarlandschaften vorkommen sowie Arten, die als „Klimaverlierer“ einzustufen sind. Bei den Klimaverlierern sind kleine Bestände gefährdet durch die Austrocknung von Kleingewässern, Mooren und Feuchtgebieten in Dürrephasen und die Zunahme von extremen Witterungsereignissen. Das betrifft etwa Tierarten der Hoch- und Zwischenmoore und auch die Bewohner von Fließgewässern wie die Flussperlmuschel.

Von den in Sachsen natürlich vorkommenden Pflanzenarten sind 43 Prozent ungefährdet. Alle anderen Arten sind selten bzw. mehr oder weniger stark gefährdet. Etwa 8 Prozent der Arten gelten als ausgestorben. Zu den besonders gefährdeten Arten gehören Ackerunkräuter wie Lämmersalat und Pflanzen von nährstoffarmen Standorten wie Kahles Ferkelkraut oder Katzenpfötchen. Von der Klimaerwärmung bedroht sind Arten der Moore oder der oberen Kammlagen wie Rosmarinheide und Klaffender Eisenhut.