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Das tut Sachsen jetzt für Flüchtlinge aus der Ukraine

Unterkünfte, Arbeitserlaubnis und Kinderbetreuung - Sachsen organisiert ein umfangreiches Hilfspaket für Flüchtlinge aus der Ukraine. Aber auch private Unterstützung ist gefragt. Ein Überblick.

Von Annette Binninger & Gunnar Saft
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In der Nacht von Sonnabend auf Sonntag kommen diese Flüchtlinge aus der Ukraine im Radisson Blu Hotel in Radebeul an. Um möglichst vielen schnell zu helfen, muss in diesen Tagen eine Menge organisiert werden.
In der Nacht von Sonnabend auf Sonntag kommen diese Flüchtlinge aus der Ukraine im Radisson Blu Hotel in Radebeul an. Um möglichst vielen schnell zu helfen, muss in diesen Tagen eine Menge organisiert werden. © Arvid Müller

Seit Ausbruch des Krieges in der Ukraine bereitet sich auch Sachsen auf die Aufnahme von Flüchtlingen vor. Sächsische.de beantwortet dazu die wichtigsten Fragen.

Wie viele Flüchtlinge aus der Ukraine sind bisher in Sachsen angekommen?

Eine Gesamtzahl gibt es bisher nicht. Laut Innenminister Roland Wöller waren mit Stand von Montagfrüh 1.422 Flüchtlinge in sächsischen Erstaufnahmeeinrichtungen untergebracht. Die Situation ändert sich aber laufend. Allein 554 davon erreichten die Unterkünfte erst in der Nacht zuvor. Wie viele Flüchtlinge zusätzlich bei Verwandten oder Freunden im Freistaat untergekommen sind, kann er nicht sagen. Darüber müsse man sich in den nächsten Tagen erst noch einen genauen Überblick verschaffen. Er rechne damit, dass es sich dabei um eine "beträchtliche Zahl" handelt.

Wie viele Plätze sind in Sachsens Erstaufnahmeeinrichtungen noch frei?

Zurzeit sind das etwa 550 Plätze. Untergebracht werden alle ukrainischen Flüchtlinge zunächst in der Einrichtung in Leipzig-Mockau. Regina Kraushaar, Präsidentin der Landesdirektion Sachsen, erklärte, man wolle damit erreichen, dass die Flüchtlinge erst einmal zusammenbleiben. Sie informierte, dass viele von ihnen angesichts der Kriegserlebnisse traumatisiert sind. Vorbereitet werden in Mockau und Umgebung zusätzliche Unterkünfte – darunter auch winterharte Zelte. Wie viele davon noch gebraucht werden, hänge von der Zahl der Neuankömmlinge ab sowie von der Frage, ab wann und wie viele Flüchtlinge auf sächsische Kommunen verteilt werden können. Insgesamt hat Sachsen für die Erstaufnahme von Asylbewerbern aktuell 5.528 Plätze, wovon 1.417 zurzeit noch frei sind.

Mit wie vielen neuen Flüchtlingen rechnet der Freistaat in Zukunft?

Exakte Zahlen kann hierfür niemand nennen. Sachsen rechnet aber mit einem starken Anstieg des Flüchtlingsstroms und will nun binnen kurzer Zeit Tausende zusätzliche Unterkünfte schaffen. Dafür seien dann die Landkreise und kreisfreien Städte zuständig, so Kraushaar. Zentrale Anlaufstelle für Flüchtlinge bleibt aber zunächst die Einrichtung "Mockau III" in Leipzig.

Hinweisschilder und das Wort "Bundespolizei" sind für Flüchtlinge aus der Ukraine auf dem Dresdner Hauptbahnhof in deutscher und ukrainischer Sprache an einer Tafel am Bahnsteig angebracht.
Hinweisschilder und das Wort "Bundespolizei" sind für Flüchtlinge aus der Ukraine auf dem Dresdner Hauptbahnhof in deutscher und ukrainischer Sprache an einer Tafel am Bahnsteig angebracht. © dpa-Zentralbild

Was passiert mit den Flüchtlingen nach ihrer Ankunft in Sachsen?

Wichtig ist, dass sie zügig registriert werden, da ihnen damit medizinische Versorgung und Hilfsleistungen zustehen. Flüchtlinge, die bei Freunden oder Verwandten untergekommen sind, brauchen dafür aber nicht nach Leipzig-Mockau zu fahren, sondern können sich bei den sogenannten unteren Ausländerbehörden der Landkreise melden, in denen sie jetzt leben.

Wie ist der rechtliche Status der Ukraine-Flüchtlinge?

Nachdem die EU dafür kurzfristig eine neue Richtlinie erlassen hat, erhalten sie neben einem unmittelbaren Aufenthaltsrecht auch Hilfsleistungen nach dem Asylbewerber-Leistungsgesetz – obwohl sie rechtlich gesehen keine Asylbewerber sind. Deshalb gilt für sie auch keine Wohnsitzauflage. Ihr Aufenthalt in der Erstaufnahmeeinrichtung soll so kurz wie nur möglich gehalten werden.

Die meisten Ukraine-Flüchtlinge werden eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 24 Aufenthaltsgesetz bekommen. Ein möglicherweise langwieriges Visum- oder Asylverfahren entfällt damit. Entsprechende Visums-Aufkleber für die Passdokumente der Flüchtlinge sind in Arbeit. Dadurch könnten die Flüchtlinge nach Angaben des Wirtschaftsministeriums – mit unbürokratischer Erlaubnis der Ausländerbehörde – eine Arbeit aufnehmen oder eine betriebliche Ausbildung beginnen.

Um sie dabei auch persönlich zu begleiten, gibt es für die berufliche Integration im Freistaat zusätzlich das Programm "Arbeitsmentoren Sachsen".

Wie werden die Flüchtlinge künftig auf Sachsens Kommunen verteilt?

Laut Minister Wöller wartet Sachsen "sehnlichst" darauf, dass der Bund sein angekündigtes Registrierungssystem über das Bundesamt für Flüchtlinge und Migration startet. Ab dann sei klar, wie viele Flüchtlinge von den Erstaufnahmeeinrichtungen in kommunale Unterkünfte wechseln können. Er rechne bei der Verteilung auf die einzelnen Landkreise und kreisfreien Städte damit, dass dann der bisherige Schlüssel für Asylbewerber angewendet wird.

Die Kosten für Unterkunft und Verpflegung würden ebenfalls nach dem Asylbewerber-Leistungsgesetz übernommen. Über die Details dazu müssten sich jetzt Bund und Länder kurzfristig verständigen.

Geflüchtete warten an der ukrainsch-polnischen Grenze in Medyka auf den Bus für den Weitertransport.
Geflüchtete warten an der ukrainsch-polnischen Grenze in Medyka auf den Bus für den Weitertransport. © dpa/Kay Nietfeld

Werden die Flüchtlinge auf Corona getestet oder noch geimpft?

Alle Ankommenden werden auf Corona getestet. Zudem soll es künftig über das DRK Impfangebote für die Flüchtlinge geben. Zwar seien viele geimpft, allerdings oft mit russischen oder chinesischen Impfstoffen, die in Europa nicht zugelassen sind, weshalb viele Flüchtlinge als ungeimpft gelten. Laut Kraushaar ist die Zahl der Corona-Fälle unter den Ankommenden allerdings sehr gering, bisher seien nur sechs Fälle bekannt.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), der am Dienstag in Dresden an einer Diskussionsrunde teilnahm, erklärte, dass sich mit Sputnik geimpfte Flüchtlinge bei ihrer Ankunft mit einem mRNA-Impfstoff, wie der von Moderna oder Biontech, impfen lassen könnten. Damit würden sie als geboostert gelten. Zwischen der Sputnik-Impfung und der Booster-Impfung müsse dennoch ein Zeitraum von mindestens drei Monaten liegen. "So kann man die Sputnik-Geimpften rehabilitieren", so Lauterbach. Die Regel sei mit der Ständigen Impfkommission vereinbart und somit auch rechtssicher.

Welche Angebote soll es speziell für Kinder und Jugendliche geben?

Sachsens Kultusministerium bereitet ein größeres Angebotspaket für ukrainische Kita- und Schulkinder vor. Nähere Informationen dazu soll es noch in dieser Woche geben. Man bereitet sich nach Angaben der Landesdirektion auch an den Schulen auf ein längeres Verbleiben vieler Kinder und Jugendlicher in Sachsen vor. Sie müssen betreut und auch schulisch gefördert werden. Daher ist Sachsen jetzt besonders interessiert an Lehrerinnen und Lehrern, die aus der Ukraine geflüchtet sind. Sie werden voraussichtlich dringend gebraucht, um zu unterrichten und Kinder pädagogisch und psychologisch zu betreuen. Denn viele von ihnen dürften traumatisiert sein von Kriegs- und Flucht-Erlebnissen.

Können Flüchtlinge von der Ukraine direkt nach Sachsen geholt werden?

Der Innenminister rät von solchen privat organisierten Hilfsaktionen eher ab. Einerseits seien die Grenzübergänge zur Ukraine gegenwärtig "hoffnungslos überfüllt". Andererseits würden Helfern rechtliche Probleme drohen, wenn sie Menschen nach Deutschland holen, die keine Kriegsflüchtlinge sind. Im schlimmsten Fall drohe eine Anzeige wegen Schlepperei.

Welche Möglichkeiten gibt es, direkt in Sachsen zu helfen?

Seit Freitag voriger Woche ist dafür im Internet ein Portal freigeschaltet. Dort werden unter anderem private Angebote an die Hilfesuchenden sowie an deren Unterstützer gebündelt. Laut Wöller sind bereits weit mehr als 900 Angebote abrufbar. Die würden von Unterkünften über Chauffeur-Dienste bis zu speziellen Dienstleistungen reichen. Helfen können die Sachsen aber auch über zahlreiche andere Aktionen und Projekte.

So können Sie helfen:

Hilft der Freistaat auch selbst?

Neben Geld unter anderem für die ukrainischen Partnerstädte von sächsischen Kommunen werden auch Hilfsgüter bereitgestellt. Die Johanniter wollen voraussichtlich in Wroclaw (Breslau) eine Unterkunft für Flüchtlinge aus der Ukraine ausstatten. Am Montag sollte der Transport auf die Reise gehen. Zwei Lastkraftwagen und drei Transporter haben 200 Feldbetten inklusive Bettzeug und Handtücher sowie sechs Großzelte mit Heizung, Stromaggregat, Beleuchtung und Sitzgarnituren geladen. Laut Landesregierung beträgt der Wert der Hilfslieferung rund 250.000 Euro.