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Warnung vor neuer Welle rechter Gewalt in Sachsen

Wöchentlich gehen in Sachsen tausende Menschen auf die Straße. Dabei kam es jüngst auch zu Gewalt. Vor dem Treffen der ostdeutschen Innenminister in Erfurt zur Sicherheit bei Demonstrationen fordern Opferberater ein Umdenken.

Von Andrea Schawe
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"Unser Land zuerst" - eine Parole der rechtsextremen NPD aus den 1990er Jahren - wird auch jetzt wieder verwendet, hier bei einer Demonstration auf dem Kornmarkt in Bautzen.
"Unser Land zuerst" - eine Parole der rechtsextremen NPD aus den 1990er Jahren - wird auch jetzt wieder verwendet, hier bei einer Demonstration auf dem Kornmarkt in Bautzen. ©  dpa/Sebastian Kahnert

Dresden/Erfurt. Opferberatungsstellen aus Sachsen und Thüringen haben vor einer weiteren Zunahme rassistischer und rechter Gewalt gewarnt. Vor allem in Ostdeutschland gehen von den Demonstrationen zunehmend Hetze, Beleidigungen und gewalttätige Angriffe aus, sagte Robert Kusche, Geschäftsführer der Opferberatung RAA in Sachsen.

Die Innenminister der Ost-Bundesländer wollen am Freitag im Rahmen der Sicherheitskooperation Ost“ in Erfurt beraten, wie die Sicherheitslage auf den Straßen weiterhin gewährleistet werden kann.

In Sachsen gehen wöchentlich Tausende Menschen auf die Straße, um gegen die Corona-, Ukraine- oder Energie-Politik zu demonstrieren. In den letzten Wochen kam es dabei unter anderem in Wurzen, Leipzig und Bautzen zu mehreren Angriffen auf Pressevertreter, Gegendemonstranten und Unterkünfte für Geflüchtete.

„Das sind keine Sozialproteste“

Die Opferberatungsstellen registrieren seit Monaten eine Zunahme rechter und rassistischer Gewalttaten. „Wir erleben eine neue Qualität in der extrem rechten und rassistischen Mobilisierung“, sagte Franz Zobel von der Thüringer Opferberatungsstelle ezra. Hinter den Demonstrationen stecke seit 2015 eine rechte, rassistische oder neonazistische Ideologie. „Das sind keine Sozialproteste“, so Zobel. Mobilisiert werde der Mittelstand, nicht die von Armut Betroffenen.

Es habe sich ein „gefährlicher, aggressiver Zusammenschluss von rechter, konservativer, bürgerlicher Mitte bis zu extrem rechten Akteuren“ wie Freien Sachsen, Reichsbürgern und AfD gebildet.

Die Sozialpsychologin Pia Lamberty spricht von einer aktuell „sehr fragilen Lage“. Die Corona-Pandemie habe tiefe Spuren bei den Menschen hinterlassen. Es gebe sozial-gesellschaftliche Leerstellen, die Rechtsextreme immer wieder für sich nutzten. So finden Verschwörungserzählungen und russische Desinformationskampagnen in Ostdeutschland vermehrt Zustimmung, die Ressentiments gegen Geflüchtete aus der Ukraine schüren.

Unzureichende Strafverfolgung

Es brauche „endlich einen glaubhaften Paradigmenwechsel bei Polizei und Justiz in der Strafverfolgung bei rechten Gewalttaten und bei Maßnahmen gegen rechte Aufmärsche“, forderte Kusche. Lange Verfahren und unzureichende Ermittlungen trägen dazu bei, dass sich Menschen ermutigt fühlten, mit Hass und Hetze weiterzumachen. „Das kennen wir aus den Jahren 2015 und 2016“, sagte Kusche. So wurden 84 Prozent der Ermittlungen zu damaligen Straftaten inzwischen eingestellt.

Wichtig sei auch eine klare Abgrenzung, so Robert Kusche. Viele Teilnehmer der Demonstrationen würden sich nicht von rechtsradikalem Gedankengut distanzieren, Kommunal- und Landespolitikerinnen und -politiker die Proteste legitimieren, indem sie sich explizit nicht abgrenzen von Verschwörungserzählungen und vor Reichsflaggen und Flaggen der Freien Sachsen auftreten – wie etwa Bautzens Oberbürgermeister Karsten Vogt Mitte Oktober auf dem Kornmarkt . „Es wäre für die Betroffenen und die Zivilgesellschaft wichtig, wenn sich Politiker damit nicht gemein machen“, so Kusche.