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Wie ländliche Kommunen gegen Leerstand kämpfen

Großstädte wie Leipzig müssen Wohnraum schaffen, um ihrem Wachstum gerecht zu werden. Auf dem Land ist es umgekehrt.

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Blick auf einen rückgebauten, ehemaligen sechsgeschossigen Neubau der Schwarzenberger Wohnungsgesellschaft.
Blick auf einen rückgebauten, ehemaligen sechsgeschossigen Neubau der Schwarzenberger Wohnungsgesellschaft. © dpa/Peter Endig

Schwarzenberg. Der Klinker an der Fassade hat seine besten Tage hinter sich. Die Klingelschilder sind vergilbt, die Fenster leer. Ein Bauzaun um das Haus macht klar: Hier wohnt schon lange niemand mehr - und das wird sich nicht mehr ändern. Denn das Mehrfamilienhaus in Schwarzenberg (Erzgebirgskreis) soll abgerissen werden. Wie so viele Häuser auf dem Land ist es überflüssig geworden. Während Städte wie Leipzig und Dresden Wohnraum schaffen, um den Hinzugezogenen Platz zu bieten, kämpfen Gemeinden auf dem Land gegen den Leerstand an - auch mit der Abrissbirne.

Uwe Matthe, Geschäftsführer der kommunalen Schwarzenberger Wohnungsgesellschaft, hat schon lange auf eine Gelegenheit gewartet, das Gebäude endlich abreißen zu lassen. Das Haus, Baujahr 1952, bot zu DDR-Zeiten Wohnungen für Arbeiter der Wismut, die Uran förderte. Während baugleiche Gebäude in den 90er Jahren saniert wurden, blieb das Haus unberührt. Inzwischen steht es in Schwarzenberg wie ein Mahnmal für die schrumpfende Bevölkerung der Stadt.

1990 hatte Schwarzenberg rund 25.000 Einwohnerinnen und Einwohner, mittlerweile sind es noch gut 16 000 - Tendenz sinkend. Bis 2035 soll die Stadt um weitere 20 Prozent schrumpfen. "Die demografische Entwicklung hat sich in den 1990er Jahren angekündigt", sagt Matthe. Bislang seien die Prognosen immer eingetroffen. "Das sollte man ernstnehmen."

Die Wohnungsgesellschaft hat ihren Bestand bereits angepasst. Von rund 3400 Wohnungen sind 2.200 übrig geblieben. Matthe sagt, dass es nicht infrage komme, die überflüssigen Häuser einfach sich selbst zu überlassen. "Wenn ein Haus zu 40 oder 50 Prozent leer ist, macht man damit Verluste." Hinzu komme: Je mehr Leerstand es in der Nachbarschaft gebe, desto unattraktiver sei die Wohnlage. Schwarzenberg muss abreißen, um seine verbliebenen Einwohner zu halten.

Wie Schwarzenberg geht es vielen Kommunen auf dem Land. Sie bauen oft Plattenbauten ab, die in der DDR modern waren und in denen mittlerweile niemand mehr leben möchte. "Das Problem ist allerdings, dass viele Kommunen an den Eigenmitteln für den Rückbau scheitern", sagt Alexander Müller vom Verband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft (VdW) Sachsen. Bei Nettokaltmieten unter fünf Euro könnten Wohnungsgesellschaften kaum Rücklagen bilden, um den teuren Abriss zu finanzieren.

Uwe Matthe (l.) von der Schwarzenberger Wohnungsgesellschaft im Gespräch mit Alexander Müller vom Verband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft e.V.
Uwe Matthe (l.) von der Schwarzenberger Wohnungsgesellschaft im Gespräch mit Alexander Müller vom Verband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft e.V. © dpa/Peter Endig

In der Vergangenheit gab es nach Angaben des Regionalentwicklungsministeriums bereits verschiedene Programme des Bundes und des Freistaats, mit denen der "Stadtumbau" gefördert wurde. In diesem Jahr ist das Landesprogramm "Rückbau Wohngebäude" neu aufgelegt worden. Drei Millionen Euro will Sachsen 2021 ausgeben, um Wohnungsbaugesellschaften einen Teil der Abrisskosten abzunehmen. Maximal 50 Euro pro Quadratmeter rückgebauter Wohnfläche gibt es. Im Fall der Schwarzenberger Immobilie wären das laut Matthe gut 50.000 Euro - etwa die Hälfte der Kosten, die voraussichtlich entstehen.

Auch wenn das Förderprogramm von den Wohnungsunternehmen positiv aufgenommen wird, gibt es Kritik, etwa von Peter Sauer, Geschäftsführer der Wurzener Gebäude- und Wohnungsgesellschaft. "Ich verstehe nicht, warum nur der gesamte Rückbau gefördert wird." Seine Gesellschaft setzt auch auf den sogenannten Teilrückbau. Dabei werden nicht ganze Gebäude abgerissen, sondern die obersten Stockwerke von Plattenbauten.

Durch weitere Umbaumaßnahmen, etwa angebaute Balkone, erkenne man anschließend kaum noch, dass es sich mal um einen Plattenbau gehandelt habe. Laut Ministerium gibt es für einen solchen Teilrückbau zwar keine Landesmittel, aber Geld aus einem Förderprogramm des Bundes.

"Die umgebauten Gebäude passen auch städtebaulich viel besser rein", sagt Sauer. Im Gegensatz zum Abriss entstünden keine Löcher in der Landschaft. Und: "Plattenbauten sind beliebt, wenn sie gut saniert sind." Ein Vorteil sei, dass sich Grundrisse leichter als bei Altbauten verschieben ließen - das sei ein Vorteil, weil wieder mehr junge Familien nach Wurzen zögen, die größere Wohnungen brauchten.

Auch Geschäftsführer Matthe im schrumpfenden Schwarzenberg sagt, dass es nicht nur um Abriss gehe. In Nachbarschaft der Immobilie, bei der vermutlich noch in diesem Jahr die Abrissbirne anrückt, soll irgendwann ein neues Mehrfamilienhaus entstehen. "Wir müssen unser Portfolio so gestalten, dass es zukunftsfähig bleibt", sagt er. Um gut ausgebildete, junge Leute nach Schwarzenberg zu locken, brauche es attraktiven Wohnraum.

Und so gibt es in Schwarzenberg gleichzeitig Aufbau und Rückbau - kein Widerspruch für Matthe. Wie lange er sich noch mit dem Umbau der Stadt beschäftigen muss? Der Geschäftsführer zuckt mit den Schultern. "Wir rechnen erst einmal bis 2035. Danach? Wir warten ab." (dpa)