Sachsens Konzertbranche setzt auf "Freedom Day"

Auch in Sachsen setzen immer mehr Veranstalter auf Konzerte ohne Abstand, Maske und Test-Kontrollen. Sie und die meisten Künstler wollen endlich wieder volle Häuser. Und genau die bekommen sie mit dem 2G-Modell.
Nach der neuen sächsischen Corona-Verordnung, die am Donnerstag in Kraft tritt, entfällt nun ganz offiziell die bisherige Begrenzung auf 5.000 Besucher und die Pflicht zur Kontakterfassung.
In der Verordnung heißt es auch: „Es können zudem ungeimpfte Personen teilnehmen, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder für die die STIKO aus medizinischen Gründen keine Impfempfehlung vorgelegt hat. Beide benötigen jedoch einen negativen Test für den Zutritt oder ein medizinisches Attest.“

Lange vor dieser Regelung hatten sich beispielsweise Landstreicher Konzerte bereits entschlossen, die beiden Solo-Shows von Kraftklub-Sänger Felix Kummer ausschließlich für Geimpfte und Genesene zu öffnen. Am 22. und 23. November wird er also im ausverkauften Alten Schlachthof und damit vor jeweils knapp 2.000 Menschen auftreten. Für die hiesige Live-Szene ein starkes Zeichen. „Es geht wieder los!“, konstatiert Schlachthof-Betreiber Rodney Aust. „Dennoch machen uns die Ost-West-Unterschiede bei der Akzeptanz von 2G zu schaffen.“
Während man in anderen Bundesländern schon seit geraumer Zeit mit Hallen-Konzerten für Geimpfte und Genesene gut Erfahrungen mache, seien in Sachsen Veranstalter wie potenzielles Publikum eher zögerlich. Aust: „Der sich dadurch ergebende Flickenteppich, das Fehlen bundeseinheitlicher Regeln, macht besonders die Planung aufwendiger Touren schwer bis unmöglich. Aus diesem Grund haben ja zuletzt auch Die Ärzte ihre Hallen-Konzerte komplett abgesagt.“ Mit einer teuren Produktion könne man nicht zu annähernd gleichen Ticketpreisen mal vor 2.000, mal vor 10.000 Leuten spielen.

Um Probleme wie dieses zu lösen, um Planungssicherheit und eindeutige Perspektiven zu haben, plädiert Rodney Aust wie die im Forum Veranstaltungswirtschaft zusammengeschlossenen Verbände für einen „Freedom Day“ am 1. Dezember und damit für die Aufhebung aller Corona-Maßnahmen. „Wir sind die letzte Branche, in der immer noch nichts richtig funktioniert. Stichhaltige Begründungen dafür liefert jedoch keiner.“
Mit der Forderung nach einem „Freedom Day“ fänden sich die Live-Verbände im Einklang nicht nur mit zahlreichen Ländern Europas, sondern auch zum Beispiel mit dem Vorstandsvorsitzenden der einflussreichen kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen. „Schließlich muss doch allen klar sein, dass Corona sich nicht einfach verabschieden wird, sondern dass die Gesellschaft – wie mit dem Grippe- oder dem Masern-Virus – für immer leben muss. Viele europäische Länder haben sich längst damit arrangiert und alle Beschränkungen aufgehoben“, heißt es aus dem Forum.

Rodney Aust, der eine der größten Veranstaltungsagenturen im Osten führt, sagt dennoch, er sei derzeit verhalten optimistisch. Auch wenn er in den nächsten Wochen noch durch ein tiefes Tal kommen muss. Auf lediglich 15 Prozent des üblichen Konzertangebotes bringt es seine Firma in der Herbst-Winter-Saison. „Aber ich gehe ganz fest davon aus, dass wir in der nächsten Open-Air-Saison gänzlich ohne Beschränkungen Konzerte machen können, ganz so wie vor Beginn der Pandemie.“
Für ihn steht somit auch außer Frage, dass er am 20. und 21. Mai endlich seine beiden Rammstein-Konzerte im Leipziger RB-Stadion, die zweimal verschoben werden, mussten, mit jeweils 40.000 Fans über die Bühne bekommt. „Wir sind glücklicherweise so früh dran, dass wir garantiert die nötige Technik auffahren lassen können“, sagt Aust. „Mitten in der Saison könnte das schwierig werden. Das Angebot an Material ist schließlich begrenzt, Personal gibt es deutlich weniger, weil sich viele im Lockdown einen anderen Job gesucht haben. Und doch wollen im kommenden Sommer alle so viele Konzerte wie nur möglich machen. Das wird heftig.“
Shows stehen im Stau
Ein weiteres Problem: Alle Shows stehen quasi seit zwei Jahren im Stau. Wollen Bands mit neuen Programmen zu neuen Alben auf Tour gehen, finden sie kaum Lücken. „Frühestens 2024 wird sich dieser Knoten auflösen“, vermutet Rodney Aust. „Bis dahin arbeiten wir vor allem verschobene Sachen ab.“ Mit deutlich weniger Gewinn. „Einmal verkaufte Karten können wir ja nicht teurer machen, doch die Kosten beispielsweise für Werbung, Personal und Energie sind höher als 2019 geplant.“
Wirklich Sorgen macht ihm die mögliche „Entemotionalisierung des Publikums“, dass „die Leute sich an gemütliche Abende auf dem Sofa mit Netflix-Serien und Chips gewöhnt haben“. Aus seiner Sicht helfe da nur, mit attraktiven Angeboten gegenzuhalten, so viel Programm wie möglich anzubieten. Das wächst sich absehbar zu einer Herausforderung aus. „Im Juli 2022 haben wir für einen Tag sechs Veranstaltungen geplant“, sagt Aust. „Keine Ahnung wie, aber wir kriegen das hin.“